Städtebauliche Exkursion "Kopenhagen - Malmö - Stockholm": Programm am 29. August 2014
Vortrag und Besichtigung des Stadtentwicklungsgebiets Hammarby Sjöstad
Am letzten Tag besichtigte die Gruppe die beiden Stadtentwicklungsgebiete Hammarby Sjöstad und Norra Djurgardsstaden, wo jeweils Vorträge und Rundgänge am Programm standen.
Hammarby Sjöstad (Björn Cederquist, Stadtentwicklungsamt)
Björn Cederquist ist seit 1996 für die Entwicklung von Hammarby Sjöstad verantwortlich. Hammarby ist ein ehemaliger Hafen von Stockholm. Bei der Entwicklung der Siedlung wurde und wird versucht, dem Prinzip der Nachhaltigkeit auf vielfältige Art und Weise gerecht zu werden. Ein zentrales Thema ist Müll. Nicht-rezyklierbarer Müll wird verbrannt, wobei die daraus gewonnene Energie zur Versorgung des Stadtteils mit Wärme genutzt wird. Die biologische Behandlung von Abfällen und stoffliche Wiederverwertung sind weitere wichtige Themen. Abwasser wird in einer eigenen Kläranlage gereinigt, davon wird mit einer Wärmepumpe Wärme entnommen. Ein großes Problem derzeit sind Verkehrsstaus. Für die Vision 2030 sind Grüngürtel wichtig, die miteinander verbunden werden.
Generell will sich Stockholm 2050 ohne fossile Brennstoffe versorgen. Die Citymaut in Stockholm soll zur Änderung des Verkehrsverhaltens beitragen. In Stockholm gibt es keine Erdgasleitung. Biogas wird aus dem Hausmüll erzeugt. Angestrebt werden integrale und nachhaltige Lösungen, wobei die öffentliche Bewusstseinsbildung, z.B. hinsichtlich der Themen Wasser, Energie, Müll, sehr wichtig ist.
Die Entwicklung von Hammarby Sjöstad hat verschiedene Stadien durchlaufen. In den 1990er Jahren wurde z.B. der Bau von Schulen und eines Gesundheitszentrums an private Entwickler übergeben. Beim Wohnbau entwickeln Bauträger jeweils etwa 100 bis 150 Wohnungen, dadurch kommt es zu gestalterischer Vielfalt. Es gilt der Ansatz der offenen und integrierten Planung, PlanerInnen aus den Fachbereichen Wasser, Energie, Verkehr und Müll treffen sich monatlich. Der Müll in Hammarby Sjöstad wird über ein Vakuumsystem entsorgt, das soll Verkehr und Arbeitsaufwand reduzieren. Drei Fraktionen werden gesammelt: Biomüll, verbrennbarer Müll und Papier. Die Rohre für die Müllentsorgung verlaufen unterirdisch, ihre Erhaltung ist teuer. Der Müll wird in Terminals gesammelt, die von LKWs geleert werden.
Besichtigung des Stadtentwicklungsgebiets Stockholm Royal Seaport und Vortrag von Christina Salmhofer, Sustainability Manager, Development Administration, City of Stockholm
Das Entwicklungsgebiet Royal Seaport in Stockholm (auf Schwedisch: Norra Djurgardsstaden) ist mit 260 ha eines der größten Stadtentwicklungsgebiete in Schweden. Etwa 12.000 Wohnungen und 35.000 Arbeitsplätze sollen hier entstehen. Die Entwicklung des Gebiets ist bis 2030 angesetzt. Bestehende Nutzungen werden integriert. Industrie und Energie werden weiter entwickelt, ein Zementwerk wird angesiedelt, das bestehende Kraftwerk bleibt erhalten, ebenso der Hafen, wobei Containerhafen und Öldepot weg kommen. Nördlich und südlich schließt ein Nationalstadtpark an das Gebiet an. Mit dem Ziel der Erhaltung der der biologischen Vielfalt wird ein Korridor geplant, der die Grünräume verbindet. Im Visionsdokument wurden mit den Interessenten des Projekts fünf Strategien entwickelt:
- Verkehr (Rad, Fuß, ÖV)
- Natur (Ökosystemdienstleistung, Einbindung des Nationalstadtparks)
- Lebendige Stadt (Funktionsmischung, Verweilen)
- Klimaschutz und Ressourcenschonung (frei von fossilen Brennstoffen bis 2030, Stockholm Stadt bis 2050; resilienter, robuster, flexibler, ressourcenschonender Stadtteil)
- Kompetenzen der TeilnehmerInnen (Stadt, Bauherren, PartnerInnen, BürgerInnen)
In den "Action plans" werden verbindliche Anforderungen beschrieben, die Bauherrn erfüllen müssen und die in Entwicklungsverträgen festgehalten werden. Vorgegeben als Ziel zur Produktion von lokaler erneuerbarer Energie sind z.B. 2 kWh/m2 Strom und 6 kWh/m2 Wärme für jeden Bauherrn. Erste Gebäude sind errichtet, es erfolgt eine ständige Bewertung und Verbesserung. Auf der Stufe des Flächenwidmungsplanes gibt es "Energiezonen", wo der Anteil der erneuerbaren Energien vorgeschrieben wird. Eine 80-prozentige Deckung aus erneuerbarer Energie ist angestrebt.
Im Hinblick auf den Verkehr sind pro Wohneinheit maximal 0,5 Parkplätze für PKW vorgeschrieben, 2,5 Fahrradabstellplätze müssen pro Wohneinheit im Gebäude untergebracht werden. Die BewohnerInnen sollen nicht auf der Straße parken, das muss innerhalb der Gebäude organisiert werden. Bei Bürobauten sind zwischen 0 und 4 Parkplätze pro 1.000 m2 vorgesehen.
Mit Baulogistikzentren können die Kosten um 50 % gesenkt werden. Themen sind u.a. die Wartezeit auf Materialien oder der Schwund.
Zur Förderung der Kreislaufwirtschaft gibt es Abfallzerkleinerer in den Küchen, wodurch das Potenzial für die Biogaserzeugung erhöht werden soll. Zu diesem Thema wird in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit Malmö zusammen gearbeitet. Es gibt eine automatische Müllsammlung mit drei Fraktionen. Ein "local reuse center" soll den Anfall von Sperrmüll minimieren.
Das Abwasser soll künftig über ein "source separated wastewater system" in die Landwirtschaft rückgeführt werden. Derzeit gehen die Abwässer in die Ostsee. Auch der Baumüll soll nach dem Prinzip der "source separation" getrennt und minimiert werden. Bei den Gebäuden ist der chemische Inhalt der Baumaterialien ein wichtiges Thema; gefährliche Substanzen sollen vermieden werden. Ein gutes Innenraumklima bezüglich Lärm, Tageslicht, Luftqualität, Feuchtigkeit und thermische Behaglichkeit ist wichtig. Zum Thema "Nachhaltiges Leben und Arbeiten" finden Dialoge mit den BürgerInnen statt, wie auch Seminare und Einführungsprogramme.
Schlüsselfaktoren für den Erfolg sind
- der politische Wille
- die Stadt als Grundeigentümerin (Vorschreibungen möglich)
- geteilte Visionen ("shared vision")
- Feedback
- Benchmarking (z.B. der Vergleich mit anderen Städten im Rahmen eines EU-Projekts)
- Marketing
Die Arbeitsweise der Stadtplanung umfasst die Bereiche Governance, Dialog und Zusammenarbeit, Vorschriften für Bauträger und konkrete Werkzeuge. Zu letzteren zählen Monitoring und Messungen, z.B. von Energieverbräuchen, Grünraumindex oder Stellplätzen, Capacity Building Programmes, das Forum "Sustainable Solutions" oder Forschungsprojekte.
In den Forschungsprojekten werden z.B. Ökosystemdienstleistungen quantifiziert, in einem Smart-City-Projekt werden Prototypen mit Realzeitinformation und Rückmeldung an die Teilnehmenden getestet. Weiters gibt es Projekte und Netzwerke mit anderen Städten. Das Projektbüro liegt direkt am Areal und arbeite mit allen Verwaltungen zusammen. Die Gespräche mit Projekt- und Bauleitern sind wichtig, daher werden auch flexibel Arbeitsplätze vor Ort angeboten.