Stadt der Zukunft Themenworkshop – Nachhaltige Sanierung von Gebäuden und Stadtteilen

25. September 2019
Innsbruck

Rund 80 TeilnehmerInnen tauschten sich beim „Stadt der Zukunft“-Themenworkshop über zukunftsweisende Technologien zur nachhaltigen Sanierung von Gebäuden und Stadtquartieren aus. Projektergebnisse aus den Forschungsprogrammen „Stadt der Zukunft“ und der „IEA Forschungskooperation“ sowie aus dem EU-Projekt „SINFONIA“ wurden vorgestellt und diskutiert.

Veranstalter

BMVIT in Kooperation mit der Standortagentur Tirol und der Universität Innsbruck

Rückblick & Vortragsunterlagen

Austausch von Wissenschaft und Wirtschaft im Fokus stand. Der Workshop wurde an der Universität Innsbruck in Kooperation mit der Standortagentur Tirol durchgeführt.

EU-Projekt SINFONIA und Gebäude-Szenarien für Innsbruck 2050

Wolfgang Streicher, Universität Innsbruck, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen

In seinem Einführungsvortrag stellte Wolfgang Streicher Ergebnisse des EU-Projekts SINFONIA und Energieszenarien für Innsbruck vor. Im Rahmen des EU Smart City Projekts SINFONIA wurden 66.000 m² sozialer Wohnbau in Innsbruck unter Bewohnung hochwertig thermisch saniert. Darüber hinaus wurden 200 Wohnungen/Schulklassen energetisch und raumklimatisch vermessen. Um abzuschätzen, was eine Sanierung in diesem Ausmaß in ganz Innsbruck bewirken würde, wurde zuerst eine energetische Baseline für Innsbruck erstellt. Hierfür wurden Datenbanken zusammengeführt, automatisiert Energieausweisberechnungen für alle Gebäude durchgeführt und anhand von 3-Jahres Messwerten kalibriert. Ausgehend hiervon wurden energetische Szenarien zur Erreichung einer fossilfreien Energieversorgung der Gebäude für Innsbruck bis 2050 erstellt. In dem Vortrag wurde auch thematisiert, dass aufgrund der langen Lebensdauer von baulichen und Maßnahmen in Bereich der Heizung, Lüftung und Kühlung bereits bei einer heutigen Sanierung bzw. im Neubau so gebaut werden muss, dass es dem gewünschten Zustand 2050 entspricht („2050 ready"). Ab 2020 sollten daher möglichst keine Öl- und Gaskessel mehr im Neubau und bei einem Kesseltausch eingesetzt werden, da diese Heizungen auch 2050 noch in Betrieb wären (Lock-In). Das Resümee des Vortrages: Technisch ist die Energiewende auch im Gebäudebereich zu schaffen, es muss allerdings heute angefangen werden, die vorhandenen "2050ready"-Technologien konsequent einzusetzen und hierfür auch die entsprechenden rechtlichen und politischen Förder-Rahmenbedingungen zu schaffen.

Vortragsunterlagen

SaLüH! – Kleinst-Wärmepumpen für die hochwertige Sanierung im Geschosswohnbau

Dagmar Jähnig, AEE – Institut für Nachhaltige Technologien, und Fabian Ochs, Universität Innsbruck

Dagmar Jähnig (AEE – Institut für Nachhaltige Technologien) und Fabian Ochs (Universität Innsbruck) berichteten über die Entwicklung von fassadenintegrierten Kleinst-Wärmepumpen für die energetische Sanierung von Bestandsobjekten. Bei der Sanierung von Geschosswohnbauten zeigt sich, dass eine Gesamtsanierung inklusive Umstellung auf zentrale Lüftung, Heizung und TWW-Versorgung häufig nicht möglich ist. Gerade für Wohnbauten mit kleinen Wohneinheiten scheiden aber auch derzeitig verfügbare dezentrale Lösungen aus Platz- und Kostengründen aus (vgl. EU-Projekt SINFONIA). Es wurden daher innovative Lüftungs- und Heizungs-Konzepte für die Sanierung untersucht und platzsparende Heizungs- und Trinkwarmwasser-Kleinstwärmepumpen mit Außen- bzw. Fortluft als Wärmequelle für diesen Zweck entwickelt, welche optional in die bestehende Brüstung bzw. eine vorgehängte Holzleichtbau-Fassade integriert werden können. Die Wandintegration ermöglicht einen hohen Grad an Vorfertigung, erlaubt eine Installation auch in kleinen Wohnungen und minimiert die Außen- und Fortluftkanäle. Zudem ermöglichen innovative Luftführungskonzepte (z.B. mittels aktiver Überströmung), welche im Rahmen von SaLüH! entwickelt werden sollen, die Luftführung mit minimalem Material- und Installationsaufwand.

Vortragsunterlagen

IEA EBC Annex 75: Kosteneffiziente Strategien in der Gebäudesanierung auf Stadtteilebene

Karl Höfler, AEE – Institut für Nachhaltige Technologien

In dem Vortrag wurden laufende Aktivitäten des IEA EBC Annex 75 inklusive Case Studies und Success Stories des Projekts vorgestellt. Das Projekt befasst sich mit der Untersuchung kosteneffizienter Strategien zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs von Gebäuden in Siedlungen und Stadtteilen. Dabei sollen Energieeffizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle und der Gebäude- und Versorgungstechnik mit Maßnahmen zum Einsatz erneuerbarer Energieträger kombiniert werden. Das Ziel ist, EntscheidungsträgerInnen, Unternehmen und GebäudeeigentümerInnen Unterstützung zu bieten, um den Gebäudebestand in Städten kosteneffizient in Richtung eines niedrigen Energieverbrauchs und Treibhausgasemissionsausstoßes zu sanieren.

Tageslicht im Fokus – Ergebnisse aus dem SdZ Projekt FFF-Talisys und dem IEA SHC Task 50

Christian Knoflach und David Geisler-Moroder, Bartenbach GmbH

Intelligente Tageslichtnutzung liefert sowohl einen wesentlichen Beitrag zur Energieeffizienz von Gebäuden als auch zur Zufriedenheit und Akzeptanz der NutzerInnnen. Christian Knoflach präsentierte neuartige Tageslichtsysteme auf Basis der Freiformflächentechnologie, welche derzeit bis zu Funktionsmustern umgesetzt und für den Einsatz in Fassaden und Oberlichtern konzipiert sind. David Geisler-Moroder stellte anschließend Ergebnisse aus dem IEA SHC Task 50 - Beleuchtungslösungen für die Gebäudesanierung vor. Die Ergebnisse des Task wurden auf internationaler Ebene im IEA-SHC Task 50 im "Lighting Retrofit Advisor" (Achtung verlinken: http://task50.iea-shc.org/lighting-retrofit-adviser) zusammengeführt. Diese interaktive Entscheidungshilfe erlaubt es den InteressensvertreterInnen beteiligter Gewerke, gezielt Informationen für Beleuchtungssanierungen zu bekommen und Lösungsansätze zu evaluieren.

Vortragsunterlagen

Ein neues Verfahren zur nachträglichen thermisch entkoppelten Montage von Stahlbetonbalkonen

Nikolaus Fleischhacker, Universität Innsbruck

Das Forschungsprojekt „Therm-Opti-Balkon-P2" wurden von Nikolaus Fleischhacker, Universität Innsbruck präsentiert. Bei der thermischen Sanierung von Gebäuden stellen frei auskragende Balkone ein besonderes Problem dar. Im Projekt wurde die THERM-opti-BALKON Systemlösung in einer Pilotanlage unter realen Bedingungen eingebaut und das Langzeitverhalten untersucht.

Renovating Historic Buildings Towards Zero Energy – IEA SHC Task 59/EBC Annex 76

Alexandra Troi, Eurac Research, und Walter Hüttler, e7 energy innovation & engineering

Das Projekt befasst sich mit der Sanierung historischer Gebäude wie Kirchen und Klöster, Bauernhöfe oder Gründerzeitgebäude. Ziel des Vorhabens ist es, gute Sanierungsansätze und Best Practice Beispiele zu identifizieren und innovative Lösungen zu fördern, die mit der Wahrung des Charakters historischer Gebäude vereinbar sind. Hierfür werden innovative Lösungen sowohl im Hinblick auf die Gebäudehülle (insbesondere Verfahren der Innendämmung) als auch die Gebäudetechnik (Lüftungs- und Solartechnik) dokumentiert und weiterentwickelt.

Vortragsunterlagen

SINFONIA – Zukunftsweisende Bestandssanierung als Chance für morgen

Gerda Maria Embacher, Neue Heimat Tirol, und Admir Music, Alpsolar Klimadesign OG

Im Vortrag wurden Beispiele für nachhaltige und innovative Gebäudesanierungen der Genossenschaft im Rahmen des SINFONIA Projekts präsentiert. Die Neue Heimat Tirol (NHT) sanierte im Rahmen von SINFONIA sieben Liegenschaften mit insgesamt 638 Wohnungen. Ein Großteil der Wohnungen verfügt seither über eine zentrale Komfortlüftungsanlage und der Heizwärmebedarf (HWB) konnte drastisch reduziert werden (z.B. HWB in der Liegenschaft IN 13 vor Sanierung 128 kWh/m2a nach Sanierung 28 kWh/m2a). Im Laufe der Umsetzungen zeigte sich, dass Kommunikation und die Einbindung der BewohnerInnen Schlüssel zur Steigerung der Akzeptanz sind und in zukünftigen Projekten eine wesentliche Rolle spielen werden.

Vortragsunterlagen

Fragerunde mit PraktikerInnen

Bei der Diskussionsrunde im Anschluss an die Vorträge wurde festgehalten, dass eine praxisnahe Forschung wichtig ist – nicht jede innovative Projektidee ist in der Praxis realisierbar und auch sinnvoll. Die Förderung von Best Practices und die internationale Vernetzung sehen die ExpertInnen als essentiell, um den Austausch von Wissenschaft und Wirtschaft optimieren zu können.

Zukünftig gibt es aus Sicht der ExpertInnen weiteren Forschungsbedarf im Bereich der Sanierung von Wohnungen, welche dezentral, zum Beispiel mit Gasetagenheizungen, versorgt werden. Hierfür gibt es in der Praxis noch keine einsetzbaren Sanierungslösungen.

Der Faktor „Mensch" ist laut der ExpertInnen-Runde in Zukunft vermehrt in die Bestandssanierung miteinzubeziehen, um Skepsis abzubauen und den Projekterfolg zu unterstützen. Systeme müssen in erster Linie für EndkundInnen und NutzerInnen funktionieren und nicht für planende oder ausführende TechnikerInnen.

Besichtigungen

Den Abschluss des Programms bildeten drei Besichtigungen:

Universität Innsbruck
Universität Innsbruck (Quelle: Petra Blauensteiner/ÖGUT)

Universität Innsbruck: „Haus der Zukunft" Demonstrationsobjekt, energieeffiziente Sanierung

Die Gebäudesanierung der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität Innsbruck wurde im Jahr 2015 abgeschlossen. Die internen Wärmelasten wurden im Planungsprozess durch die Auslagerungen von Servern und die reine Büronutzung von 8 auf ca. 4 W/m2 reduziert. Das Bürogebäude kommt ohne aktive Kühlung aus, es wird durch die eingebauten Senk-Klapp-Fenster passiv mittels Nachtlüftung gekühlt. Die Durchlüftung wird mittels Überströmöffnungen in den abgehängten Decken bzw. in den Oberlichten der Türen zum Gang hin ermöglicht.

Den Abschluss der Führung bildete die Besichtigung des Wärmetechnik-Labors sowie der Passys-Zellen im Außenbereich, mit welchen Fassadensysteme getestet werden können.

IKB-Smart City Lab
IKB-Smart City Lab (Quelle: Hannes Warmuth/ÖGUT)

IKB-Smart City Lab: SINFONIA-Pilotprojekt, Hybridnetz am Areal der Innsbrucker Kommunalbetriebe

Bei der Führung im Smart City Lab der Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) wurde anhand der intelligenten Verknüpfung von Energiebedarf und -angebot das Potenzial der Lastverschiebung aufgezeigt. Das Modell basiert dabei auf einem ausgeklügelten 24h-Prognosemodell (Wetter, Strompreis) und regelt bzw. steuert so das Energiemanagementsystem (EMS).

Kläranlage Rossau
Kläranlage Rossau (Quelle: Karin Granzer-Sudra/ÖGUT)

Kläranlage Rossau: SINFONIA-Teilprojekt, Ausbau der Kläranlage zur Nutzung der energetischen Potentiale

In der IKB-Kläranlage werden rund 50.000 m³ Abwasser pro Tag gereinigt. Der dabei entstehende Klärschlamm wird – gemeinsam mit rund 50 Tonnen Bioabfall pro Tag – vergärt und 8000 m3/d Faulgas in den zwei Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt. In einer Klärschlammtrocknungsanlage wird der Klärschlamm zusätzlich noch einmal thermisch behandelt. Dadurch können bis zu 400 Tonnen CO2 pro Jahr sowie rund 450 Lkw-Fahrten pro Jahr bei der Entsorgung des Klärschlamms eingespart werden. Für den Trocknungsprozess wird selbst erzeugtes Biogas und Wärme der Kläranlage verwendet.

Programm

Fotos Stadt der Zukunft Themenworkshop

Fotos Führung an der Universität Innsbruck

Fotos Führung IKB-Smart City Lab

Fotos Führung Kläranlage Rossau

  • ab 12:00 Welcome & Anmeldung (inkl. Mittags-Imbiss)

Moderation: Hannes Warmuth, ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, Arbeitsgruppe „Stadt der Zukunft"

  • 12:30 Begrüßung
    Isabella Warisch, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, BMVIT
    Birgit Weihs-Dopfer, Standortagentur Tirol
  • 14:10 PAUSE

Moderation: Birgit Weihs-Dopfer, Standortagentur Tirol

  • 14:50 Ein neues Verfahren zur nachträglichen thermisch entkoppelten Montage von Stahlbetonbalkonen
    Nikolaus Fleischhacker, Universität Innsbruck, Arbeitsbereich für Festigkeitslehre und Baustatik, FEN Sustain Systems GmbH
  • 16:00 Fragerunde mit Praktikern
    • Wolfgang Streicher
    • Alexandra Troi
    • David Geisler-Moroder
    • Gerda Maria Embacher
  • 16:20 PAUSE
  • 16:35 Besichtigungen (finden parallel statt)
    • Universität Innsbruck
    • IKB-Smart City Lab
    • Kläranlage Rossau
  • 18:20 ENDE
  • ab 19:30 Abendessen im Restaurant Sailer
    (für ProjektnehmerInnen der IEA Forschungskooperation)

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