OctoAI: Die nächste Generation hochleistungsfähiger Edge AI für intelligente Gebäude
Kurzbeschreibung
Motivation und Forschungsfrage
Der Gebäudebestand in der Europäischen Union ist für etwa 40 % des Endenergieverbrauchs und 36 % der CO₂-Emissionen verantwortlich. Die zunehmende Urbanisierung, steigende Energiekosten und der wachsende Bedarf an energieeffizienten Lösungen erfordern innovative Ansätze zur Reduktion des Energieverbrauchs und zur Integration erneuerbarer Energien. Gleichzeitig bergen bestehende Cloud-basierte Systeme Herausforderungen hinsichtlich Datenschutz, Latenzzeiten und Verfügbarkeit.
Das Forschungsprojekt OctoAI untersucht die Anwendung von Edge-KI-Technologien für intelligente Gebäude, um datengestützte Entscheidungen effizient und sicher zu ermöglichen. Ziel ist es, alternative Rechenmodelle zu entwickeln, die sowohl die Energieeffizienz als auch den Komfort in Gebäuden verbessern.
Ausgangssituation/Status Quo
Viele aktuelle Smart-Building-Anwendungen basieren auf Cloud Computing, was zentrale Herausforderungen mit sich bringt: hohe Latenzzeiten, Abhängigkeit von einer stabilen Internetverbindung sowie Datenschutz- und Sicherheitsrisiken. Edge Computing bietet eine Alternative, bei der KI-Modelle direkt auf Endgeräten verarbeitet werden. Dadurch werden Reaktionszeiten verkürzt, die Datenhoheit bleibt bei den Nutzer:innen, und die Verlässlichkeit steigt. Trotz dieser Vorteile ist der Einsatz von Edge KI in Gebäuden noch nicht weit verbreitet, und es fehlen praxisnahe Anwendungen mit validierten Anwendungsfällen.
Projektinhalte und Zielsetzungen
Das Projekt OctoAI konzentriert sich auf die Entwicklung und Erprobung von Edge-KI-Technologien in intelligenten Gebäuden. Dabei wurden zwei zentrale Anwendungsfälle identifiziert, die durch innovative maschinelle Lernverfahren optimiert werden sollen.
Der erste Anwendungsfall ist die Belegungsdetektion. Hierbei wurde untersucht, wie Sensordaten genutzt werden können, um die Anwesenheit von Personen in Innenräumen möglichst genau zu bestimmen. Die erfassten Daten, darunter CO₂-Konzentration, Geräuschpegel, Lichtintensität und Türöffnungsstatus, wurden mit verschiedenen KI-Methoden verarbeitet, um eine präzise Klassifikation der Raumauslastung zu ermöglichen. Das Hauptziel war die Entwicklung ressourcenschonender Modelle, die auf Edge-Geräten effizient laufen können, ohne auf eine Cloud-Anbindung angewiesen zu sein. Neben der Verbesserung der Gebäudeautomation durch intelligente Heiz- und Lüftungssysteme lag der Fokus auch auf der Minimierung des Energieverbrauchs.
Der zweite Anwendungsfall befasst sich mit der Vorhersage des thermischen Komforts. Hierbei wurde ein Modell entwickelt, das die Raumtemperatur für die kommenden 24 Stunden mit hoher Genauigkeit prognostizieren kann. Durch die Einbindung von Wetterprognosen und Echtzeit-Sensordaten konnte eine adaptive Regelung der Klimatisierung erreicht werden. Das Modell basiert auf der EN 16798-1-Norm für Komfortzonen und bietet eine datengetriebene Entscheidungsgrundlage für eine effiziente Steuerung der Gebäudeheizung und -kühlung.
Die Zielsetzung des Projekts bestand darin, robuste und skalierbare Edge-KI-Modelle zu entwickeln, die sowohl in neuen als auch in bestehenden Gebäuden implementiert werden können. Die Optimierung der Rechenleistung, die Sicherstellung einer hohen Datenqualität und die praktische Validierung der entwickelten Modelle in realen Testumgebungen standen dabei im Mittelpunkt. Zusätzlich sollte das Projekt zur allgemeinen Akzeptanz und Verbreitung von Edge-KI-Technologien beitragen, indem die Vorteile dieser Technologie für den Gebäudebetrieb greifbar gemacht wurden.
Methodische Vorgehensweise
Das Projekt OctoAI folgte einem iterativen und datengetriebenen Ansatz, der die Entwicklung, Implementierung und Validierung von KI-gestützten Modellen in verschiedenen realen Testumgebungen umfasste. Zunächst wurden durch eine umfassende Anforderungsanalyse die wichtigsten Bedürfnisse und Herausforderungen in der Gebäudeautomation identifiziert. Hierbei kamen Experteninterviews und eine groß angelegte Stakeholder-Befragung zum Einsatz, die wertvolle Erkenntnisse über den Status quo und die Erwartungen der Praxisakteure lieferten.
Nach der Spezifikation der technischen Anforderungen erfolgte die Erhebung und Verarbeitung von Sensordaten in Pilotprojekten. In zwei unterschiedlichen Bürogebäuden wurden Sensoren zur Messung von Luftqualität, Geräuschpegel, Lichtintensität und Raumtemperatur installiert. Diese Datensätze dienten als Grundlage für das Training der KI-Modelle. Zur Belegungsdetektion wurden verschiedene maschinelle Lernverfahren getestet und miteinander verglichen, darunter neuronale Netzwerke, Entscheidungsbäume und klassische statistische Verfahren. Besondere Aufmerksamkeit galt der Evaluierung der Modellgenauigkeit unter realen Bedingungen und der Optimierung der Algorithmen für den Einsatz auf ressourcenbeschränkten Edge-Geräten.
Parallel dazu wurde das Modell zur thermischen Komfortprognose entwickelt, das auf autoregressiven Verfahren und externen Einflussfaktoren wie Wetterdaten basiert. Die Modelle wurden in Echtzeit getestet und ihre Vorhersagegenauigkeit durch eine rollierende Validierung überprüft. Das Ziel war es, eine zuverlässige Methode zu schaffen, die sich dynamisch an veränderte Umweltbedingungen anpasst und praxisnahe Empfehlungen für Gebäudemanager liefert.
Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts war zudem die Entwicklung eines interaktiven Dashboards, das die Sensordaten visualisiert und den Nutzer:innen ermöglicht, auf Basis der Modellprognosen Entscheidungen zu treffen. Usability-Tests mit verschiedenen Zielgruppen trugen dazu bei, die Benutzerfreundlichkeit des Dashboards zu optimieren und die praktische Anwendbarkeit der entwickelten Lösungen zu verbessern.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Die entwickelten Modelle zur Belegungsdetektion erreichten eine Genauigkeit von bis zu 87 %, was eine präzise Steuerung von Heizungs- und Lüftungssystemen ermöglicht. Die prädiktiven Modelle zur thermischen Komfortbewertung konnten Temperaturverläufe mit einem mittleren Fehler (RMSE) von 0,158°C vorhersagen und bieten damit eine solide Grundlage für zukünftige Regelungsstrategien.
Zusätzlich zeigte sich, dass Edge-KI für intelligente Gebäude geeignet ist und selbst mit leistungsschwacher Hardware zuverlässige Ergebnisse liefert. Die Nutzer:innen profitierten von reduzierten Latenzzeiten und höherer Datensicherheit.
Ausblick
Die Ergebnisse des OctoAI-Projekts legen das Fundament für weiterführende Entwicklungen im Bereich Edge-KI für Gebäude. Künftige Forschungen sollten sich mit der Integration in bestehende Smart-Building-Systeme, der Erweiterung der Sensorik sowie der Skalierung der Technologie für größere Gebäudekomplexe beschäftigen. Darüber hinaus bietet die Kombination von Edge-KI mit dezentralen Energieversorgungssystemen vielversprechende Perspektiven für energieeffiziente und resiliente Gebäude der Zukunft.
Publikationen
Die nächste Generation hochleistungsfähiger Edge AI für intelligente Gebäude (OctoAI)

Derzeitige IoT (Internet of Things) Lösungen für Gebäude hängen großteils von Cloud-Infrastruktur und Cloud-basierten Diensten ab. Im Projekt OctoAI wird die nächste Generation hochleistungsfähiger Edge AI (Artificial Intelligence) für intelligente Gebäude entwickelt. In OctoAI verbinden wir das Konzept von Edge-AI mit nutzer:innenzentrierten Energy Services und erproben zwei Edge-Ready Anwendungen.
Schriftenreihe
57/2025
Franz Wotawa, Theresa Kohl, Christoph Siegl, Thomas Hirsch, Thomas Schwengler, Gerald Schweiger, Matej Gustin, Christina Hopfe
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 48 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
Gerald Schweiger - TU Graz, Institut für Softwaretechnologie
Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen
- TU Graz - Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau
- DiLT Analytics GmbH
Kontaktadresse
TU Graz
Institut für Softwaretechnologie
Gerald Schweiger
Inffeldgasse 16b
A-8010 Graz
E-Mail: gerald.schweiger@tugraz.at
Web: www.tugraz.at/institute/ist/institute/