GLASGrün - Regulierung von Klima, Energiebedarf und Wohlbefinden in GLASverbauten durch bautechnisch integriertes, vertikales GRÜN

Entwicklung von vertikalen Vegetationssystemen zur sommergrünen Vorverschattung von Glasfassaden des Lebensmittelhandels und Gewerbeflächen. GLASGrün generiert quantitative Daten zu Energie- und Mikroklimahaushalt und qualitative Daten zur Wahrnehmung von Nutzer:innen. Das Ergebnis sind Leit­fäden zu skalier- und übertragbaren konstruktiven Lösungen mit Pflege- und Managementplänen.

Kurzbeschreibung

Ausgangssituation, Problematik und Motivation

Die moderne Architektur setzt Glas im Gebäudesektor vielfältig ein, insbesondere im Gewerbebau. Großflächige Glasgebäude gelten verbreitet als architektonische Highlights, stellen urbane Räume jedoch vor problematische Herausforderungen. Glas beeinflusst das Mikroklima im Rauminneren als auch in der unmittelbaren Außenumgebung maßgeblich: Eine Konzentration der Strahlungsenergie und hohe Raumtemperaturen belasten den Energiehaushalt und das Wohlbefinden der Nutzer*innen.

Die nachträgliche Begrünung von Glasfassaden und Gebäudeglasflächen stellte aufgrund vielfacher Herausforderungen bisher eine Lücke in der Bauwerksbegrünung dar: Einfache Systeme scheitern an der mangelnden Haftung der pflanzlichen Kletterorgane an Glasflächen. Kletterhilfen für Trogbepflanzungen genauso wie Hängevorrichtungen stellen meist aus statischen Gründen keine Option dar und können, wie fassadengebundene Systeme, nicht nachträglich integriert werden. Abstände zwischen Begrünung und Glasfassaden sind aus Wartungsgründen einzuhalten. Standardanwendungen für die nachträgliche Beschattung von Glasgebäuden zur Reduktion solarer Einträge und den damit verbundenen mikroklimatischen Benefit fehlen.

Ziele und Innovationsgehalt

GLASGrün zielte darauf ab, an Gewerbegebäuden und innerstädtischen Gewerbeflächen mit großflächig verglasten Fassaden Vertikalbegrünungsvarianten zur nachträglichen Außenverschattung durch sommergrüne Pflanzen zu entwickeln, umzusetzen, zu testen und zu monitoren. Dabei sollten die vegetationstechnischen als auch statischen Herausforderungen gelöst und übertragbare Standardvarianten entwickelt werden. Neben der Erfassung von Wirkungen und Leistungskenndaten sollten Erkenntnisse zu Akzeptanz und Wahrnehmung zu Lösungsvorschlägen gewonnen werden.

Methodische Vorgehensweise

Zur Vorbereitung der Umsetzung wurden umfangreiche Standortprüfungen und räumlich-strukturelle Analysen inkl. baurechtlicher und statischer Rahmenbedingungen durchgeführt und Variantenkonzepte erarbeitet. Die Umsetzungen erfolgten an 2 Demo-Standorten, für die umfassende Monitoring-Programme im Innen- und im Außenraum vorbereitet wurden: Neben stationären Messungen zur Dauererfassung mikroklimatischer Parameter wurden manuelle Messkampagnen durchgeführt und die Pflanzenentwicklung sowie vegetations-technisch relevante Parameter bis zum 3. Standjahr erhoben. Im Innenraum wurden Sensoraufzeichnungen zur thermischen Aufenthaltsqualität und zum Stromverbrauch durchgeführt, welche durch Simulation solarer Einträge (IDA ICE 5.1) und des thermischen Komforts nach ÖNORM EN ISO 7730:2023 ergänzt wurden. In Anlehnung an den b-Faktor (mittlerer Durchlass¬grad) wurde ein Grünverschattungsfaktor Fbs für 4 getestete Kletterpflanzenarten im Jahresverlauf abgeleitet.
Auf Grundlage einer Literaturrecherche und Umfragen unter Mitarbeiter*innen und Passant*innen wurde eine Studie zur Wahrnehmung und Akzeptanz durchgeführt. Die Umfragen erfolgten in 2 Phasen: vor Errichtung zur Erhebung der Wahrnehmung der Problematik und nach Errichtung zu Akzeptanz und Wirkungen.

Eine Kosten-Nutzen-Einschätzung erfolgte auf Basis einer Evaluierung von Bewertungsmodellen aus der Literatur, einer quantitativen Erfassung der Kosten und qualitativen Beschreibung der Nutzen.

Ergebnisse

Es wurden 2 Demo-Objekte bestandsergänzend umgesetzt: An einer MPREIS-Baguette-Filiale in SÖLL| TIROL wurden 176 m² bodengebundene Begrünungen auf Erdgeschoßhöhe mit 2 unterschiedlichen Systemen errichtet und mit 4 Kletterpflanzenarten bepflanzt. In der KREUZGASSE | WIEN wurde an einem als Bürostandort genutzten Gewerbeobjekt geschossübergreifend eine troggebundene Variante (77,5 m²) nach Öffnung des Gehsteigbelags errichtet.

Im 3. Standjahr wurden in SÖLL| TIROL Deckungsgrade der Zielflächen bis > 90% erhoben, wodurch die Transmission eintreffender Solarstrahlung auf 10 % reduziert werden konnte. Für 4 getestete Kletterpflanzenarten konnten Grünverschattungsfaktoren Fbs im Jahres¬verlauf generiert werden. Die solaren Einträge in den Innenraum reduzierten sich um 50 bis 67 % (auf Basis von IDA ICE Simulationen). Dadurch ergab sich eine deutliche Steigerung des thermischen Komforts und eine Reduktion der Anzahl an unzufriedenen Personen (PPD, nach Ole Fanger).

In der KREUZGASSE | WIEN, wo die Umsetzung erst im 2. Projektjahr erfolgte, wurde ein Deckungsgrad der Zielfläche (bis zur Oberkante des 1. Stockes) von 20 % im 2. Standjahr erreicht. Daten zur Transmission und Grünverschattungsfaktoren konnten im Projektzeitraum nicht ausreichend erhoben werden, da die Wuchshöhen die Sensorposition noch nicht erreicht hatten.
Die Akzeptanz von Begrünungsmaßnahmen ist vorhanden. In der Wahrnehmung der Befragten tragen die vertikalen Grünverschattungen zu einem höheren Wohlbefinden u.a. aufgrund der Ästhetik, besserer Luftqualität und angenehmere gefühlte Temperaturen und Raumklima bei. Vorurteile bestehen vorwiegend bezüglich Wartung, Arbeitsaufwand, Insekten und Verschmutzung.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Der Begrünungs- und Beschattungserfolg auf Erdgeschoßhöhe der GLASGrün-Systeme übertraf die Erwartungshaltung bereits im 2. Standjahr. Die entwickelten und getesteten Varianten sind brauchbare Lösungen zur nachträglichen Grünverschattung von Glasflächen an Bestandsgebäude, welche auch übertragbar sind für Neubauprojekte und andere Standorte. Es liegen neue bauphysikalische und vegetationstechnische Kennwerte zur Begrünung und Beschattungsleistung vor, und die Reduktion solarer Einträge durch Grünstrukturen konnte belegt werden. Sie können als brauchbare Indikatorwerte in Berechnungen und Modelle Berücksichtigung sowie Eingang in den Energieausweis finden und sind für Planungen relevant. Limitationen ergaben sich an beiden Standorten zur Einschätzung der Einsparung von Kühlkosten, da durch standortspezifische Einflussfaktoren (innere Lasten, Nutzer*innenverhalten, fehlende Referenzräume/-jahre) keine validen Daten erhoben werden konnten.

Aus den GLASGrün-Erkenntnissen wurden neben dem hier vorliegenden wissenschaftlichen Bericht ein GLASGrün-Leitfaden mit Variantenkatalog sowie ein GLASGrün-Pflegeleitfaden erarbeitet und stehen als eigenständige Dokumente zur Verfügung. Sie bieten Varianten zu konstruktiven Lösungen, Checklisten zu Einreich¬prozessen und Umsetzung der Begrünungen sowie zum Pflege- und Erhaltungsmanagement zur Optimierung der Begrünungserfolge.

Publikationen

GLASGrün: Regulierung von Klima, Energiebedarf und Wohlbefinden in Glasverbauten durch bautechnisch integriertes, vertikales Grün

Entwicklung von vertikalen Vegetationssystemen zur sommergrünen Vorverschattung von Glasfassaden des Lebensmittelhandels und Gewerbeflächen. GLASGrün generiert quantitative Daten zu Energie- und Mikroklimahaushalt und qualitative Daten zur Wahrnehmung von Nutzer:innen. Das Ergebnis sind Leit­fäden zu skalier- und übertragbaren konstruktiven Lösungen mit Pflege- und Managementplänen. Schriftenreihe 60/2025
Rosemarie Stangl, Anna Briefer, Maximilian Poiss, Thomas Wultsch, Bernhard Scharf, Ulrike Pitha, Barbara Smetschka, Juliane Wang, Willi Haas, André Sebastian Baumgart, Rudolf Bintinger, Bernhard Lipp, Gerhard Huber, Susanna Wagner, Katharina Mauss, Susanne Formanek, Martin Auer, Leo Obkircher, Jerome Posch
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 240 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleitung

Universität für Bodenkultur Wien - Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau

Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen

  • GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innovations GmbH
  • lichtblauwagner architekten generalplaner ztgmbh (liwa)
  • MPREIS Warenvertriebs GmbH (MPREIS)
  • Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH (IBO)
  • RATAPLAN-ARCHITEKTUR ZT GMBH

Kontaktadresse

Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau
Peter-Jordan-Straße 82, Schwackhöfer-Haus, 3. Stock
A-1190 Wien
Tel.: +43 (1) 47654-87400
E-Mail: iblb@boku.ac.at
Web: www.baunat.boku.ac.at/iblb.html