Thementag Smart Cities - Landinger Sommer 2017
Veranstalter
BMVIT zusammen mit dem Landinger Sommer
Rückblick & Vortragsunterlagen
Mittlerweile ist der Smart City Tag im Rahmen des Landinger Sommers zu einem kontinuierlichen Treffpunkt der österreichischen Smart City Community. Auch heuer besuchen ihn wieder eine Vielzahl von ExpertInnen aus verschiedenen Smart City-Bereichen, VertreterInnen des öffentlichen Diensts von nationaler und lokaler Ebene in ihrer beruflichen aber auch ihrer private Rolle als BürgerInnen.
Nach der Begrüßung durch Hans-Günther Schwarz, der dieses Jahr den Initiator Michael Paula vertritt, teilen die Teilnehmenden in einer kurzen Runde erfreuliche Smart City-Erlebnisse: Es ist positiv, dass sich immer mehr Leute für Projekte begeistern, die eigeninitiativ gestartet werden. Es ist schön zu sehen, dass einzelne Gemeinden genügend Budgetmittel in die Hand nehmen, um den Glasfaserausbau an alle ans Stromnetz angeschlossenen Häuser voranzutreiben. Es folgt eine Vielzahl weiterer Beobachtungen, die die Transformation hin zu nachhaltigen Städten unterstreichen.
Danach wird die Fishbowl von Helmut Strasser (Salzburger Institut für Raumordnung) eröffnet - ein Präsentationsformat, bei dem fünf ImpulsgeberInnen auf einem Podium Platz nehmen, grundlegende Fragen in den Raum stellen und sich abwechselnd Personen aus dem Publikum dazusetzen und mitdiskutieren.
Sein Impuls fokussiert sich diesmal auf urbane Mobilität, die in Zukunft von Elektrofahrzeugen und autonomem Fahren geprägt sein wird. Der Umstieg auf E-Mobilität und selbstfahrende Autos löse aber weder das Stau- noch das Parkplatzproblem. Er stellt die Frage zur Diskussion: Was sollen Städte unternehmen, um diese Entwicklung in eine nachhaltige Richtung zu lenken und sie nicht zur Gänze den Mobilitätsanbieter zu überlassen?
Teilnehmende argumentieren, dass die Mobilitätsindustrie falsch in der Annahme liege, dass der öffentliche Verkehr überflüssig würde, wenn autonomes Fahren komme. Hervorgestrichen wird auch die Wichtigkeit von Hoch- statt Tiefgaragen, weil erstere leichter umgewidmet und beispielsweise zu einem späteren Zeitpunkt für Wohnzwecke benützt werden könnten.
Abschließend ist man sich einig, dass das Auto nicht zu den urbanen Mobilitätsformen zähle und das zu Fuß Gehen, Radfahren, das Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln und von Sharing-Modellen die künftigen Formen der Fortbewegung für Städte darstellen sollen.
Der darauffolgende Impuls von Hans Schnitzer (StadtLabor Graz) stellt die Frage nach der richtigen Governance. Er geht von folgender Überzeugung aus: People don't resist change, they resist being changed.
Wie sollen Wissenschaft, Politik und Privatwirtschaft nun agieren:
- Sollen sie Bewusstseinsbildung unternehmen?
- Sollen sie die Smart City-Ziele durch die Hintertür und top-down einführen?
- Sollen sie die Rahmenbedingungen ändern?
TeilnehmerInnen aus dem Publikum stimmen für letzteres beispielsweise, indem Parkhäuser die Breite und Größe von Autos sensorisch erfassen und die Parkpreise dann automatisch bei teureren Modellen erhöhen. An der Stellplatzverordnung, die Wohnbauträger einhalten müssen, lässt man gutes kein Haar. Da sie veraltet ist, gehört sie angepasst. Doch mache es keinen Sinn jetzt einen Schlüssel für die nächsten Jahrzehnte festzulegen. Vielmehr ginge es darum ein zukünftiges Akkordieren an die sich wandelnden Bedürfnisse zu ermöglichen: „Jene Zahl, die jetzt passt, muss in Zukunft nicht mehr passen."
Susanne Geissler (Sustainable Energey & Resources Availability) stellt in ihrem Impuls die Frage, wie man Gebäude sommertauglich machen kann, ohne dass die BewohnerInnen selbstständig energieineffiziente Installationen gegen die sommerliche Überwärmung vornehmen müssen.
Stimmen aus dem Publikum sind für angepasste Vorgaben in der Bauordnung bzw. für neue Rahmenbedingungen. Auch die Prozesse bei den Bauträgern bzw. die eingespielten Abläufe werden in Frage gestellt. „Alte Ideen neu verpackt" werden genannt: Die Low-tech Lösung aus mediterranen Ländern, große Fensterbalken zur Verschattung zu benützen, wird gelobt und sollte künftig auch in Österreich Einzug halten.
Reinhard Haas (Energy Economics Group der TU Wien) stellt vor, wie Städte heute und in Zukunft selbst Energie erzeugen, speichern und nützen; wie sich die Baumassen von Städten eignen, um Energie zu speichern und die Energie-versorgung zu Strom umwandeln. Seine Frage in die Runde: Wie können wir geschäftliche Anreize schaffen, um möglichst eine gute Breite von energieeffizienten Technologien zu schaffen? Es entfacht sich eine rege Diskussion, bei der vor allem den Smart Citizens eine wichtige Rolle beigemessen wird, um neue Ideen zu entwickeln.
Zuletzt folgt ein Impuls von Barbara Hammerl (StadtLabor Graz). Sie spricht aus ihrer langjährigen Erfahrung und betont, dass Partizipation an Stadtentwicklungsprojekten mehr als reine BürgerInnenbeteiligung ist. Es geht darum, lokale Unternehmen, Vereine, Schule, Bauträger und Investoren bzw. die gesamte Palette von AkteurInnen einzubinden. Denn sie sind diejenigen, die oft schon seit vielen Jahren in dem Stadtviertel leben und die Gegebenheiten am besten kennen. Deshalb steigt die Qualität der Projekte, wenn man diese Lead User miteinbezieht.
Sie plädiert dafür, dass die Stadtverwaltung ungenutzte Ressourcen (wie zB langansässige Unternehmen/BürgerInnen) in Projekte miteinbezieht, um dann mit dem daraus gewonnenen Wissen die hoheitlichen Prozesse durchzuführen.
Ernst Rainer von der TU Graz bestätigt, dass erfolgreiche Stadtentwicklungsprojekte nur auf diese Weise funktionieren können. Er erwähnt, dass die TU Graz Fachkonzepte für die Stadt Villach erstellt habe, für die sich jetzt vor allem lokale Wirtschaftstreibende einsetzen. Deshalb ist es wichtig die Schlüsselstakeholder früh genug zu erkennen und zur Partizipation zu bewegen.
Nach diesem interessanten Vormittag machen sich die Teilnehmenden auf zu einem Ausflug auf die Hössalm und besprechen in der 6er-Gondel die Impulse aus der Fishbowl.
Am Nachmittag stellen Hans-Günther Schwarz und Johannes Bockstefl (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft, FFG) die 6. Ausschreibung mit dem Titel „Making Cities Work" im Rahmen der JPI Urban Europe vor, bei der zuerst die internationalen Städte – die sogenannten Bedarfsträger –nach ihren Bedürfnissen befragt wurden, um diese dann in die Ausschreibung aufzunehmen.
Folgende Themen erwiesen sich als klare Bedürfnisse der Städte und werden im Herbst ausgeschrieben:
- Urbane Mobilität organisieren,
- Die Smart City umsetzen: Von sektoralen Pilotprojekten zu sektorübergreifenden Services für Unternehmen und BürgerInnen und
- Die Stadt gemeinsam gestalten: BürgerInnen und Unternehmen schaffen mehr Demokratie in der Stadt. Die Mitgliedsländer Schweden, Finnland, Norwegen, Belgien und Österreich wollen so anwendungsorientierte Projekte fördern.
Christian Gratzer (VCÖ – Mobilität mit Zukunft) liefert im Anschluss einen Keynote-Impuls zu den „Herausforderungen am Weg zum klimaverträglichen Verkehrssystem". Der VCÖ möchte Österreich dabei unterstützen, dass die Transformation zu dekarbonisierter Mobilität gelingt. Die Gründe dafür, dass die Emissionen des Verkehrs seit dem 19. Jahrhundert dramatisch gestiegen sind, liegen darin, dass heutzutage deutlich mehr mit dem Auto gefahren wird: 1990 kamen wir noch auf 57 Mrd. gefahrene Personen-Kilometer und 2015 lagen wir bereits bei 80 Mrd. Die Innovationen der Motoren sind zwar besser geworden, aber der Spritverbrauch hat nicht abgenommen, weil die Autos jetzt breiter und schwerer sowie mit mehr PS ausgestattet sind. Darüber hinaus nimmt die Sitzplatzbesetzung in Autos nimmt weiter ab.
Christian Gratzer zeigt einige gesellschaftliche Trends auf, auf die der Verkehr reagieren muss: Der demographische Wandel erfordert, dass wir den öffentlichen Verkehr danach ausrichten, dass er von mehr älteren Personen benützt wird. Die flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten verlangt eine Reaktion des Transportwesens: Im ländlichen Raum müssen zB die Regelmäßigkeit und Taktung der öffentlichen Verkehrsverbindungen angepasst werden.
Die vielen Möglichkeiten, die die Digitalisierung im Bereich der Mobilität bietet, sollen noch mehr gefördert werden. Gratzer stellt auch eine zunehmende Heterogenität im Mobilitätsverhalten der einzelnen Gesellschaftsgruppen fest: Senioren bewegen sich untereinander unterschiedlich fort, ebenso benützen die Jungen nicht alle die gleichen Fortbewegungsmittel. Ein weiterer Trend: 1990 gab es mehr Autos pro EinwohnerIn in Städten als am Land. Jetzt wendet sich das Blatt und der PKW-Verkehr nimmt in ländlichen Gebieten Österreichs zu.
Der VCÖ ist davon überzeugt, dass die Transformation zu einem klimaverträglichen Verkehr folgendermaßen möglich ist.
- Durch vermeiden: Die Raumordnung hat das Potenzial Anreize zu schaffen, um die Stadt der kurzen Wege für FußgängerInnen und FahrradfahrerInnen zu fördern bzw. Autofahrten zu vermeiden;
- durch verlagern: Die Fahrten müssen mehr aufs Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel verlagert werden. Die Kombination von Radfahren und Öffis sowie die multimodale Vernetzung müssen verstärkt werden;
- durch elektrifizieren: Die E-Mobilität umfasst viel mehr als nur E-Autos. Auch die wichtigen Rollen von Öffis, O-Busse, E-Bike, E-Autos sollen tiefer verankert werden.
Gernot Stöglehner (Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der BOKU) erläutert in seinem Impuls den Beitrag der Energieraumplanung zur Smart City. Räumliche Strukturen geben vor, wie wir Probleme lösen. Die Smart City hört nicht an den Stadtgrenzen auf, sondern geht ins Land hinein, wo man mit der Zersiedelung kämpft. Die Zersiedelung bzw. die raumstrukturellen Gegebenheiten am Land erfordern zurzeit, dass die Menschen weitere Strecken zurücklegen müssen als in der Stadt. Diese sind bis zu doppelt so lange wie jene Wege in der Stadt.
Deshalb misst er der Energieraumplanung einen hohen Stellenwert bei. Sie ist ein integraler Bestandteil der Raumplanung unter Beachtung folgender zwei Aspekte:
- Räumliche Dimensionen des Energieverbrauchs,
-
Räumliche Dimensionen der Energieversorgung. Erstere umfassen:
- Standortsicherung für Energieversorgungsanlagen;
- Ressourcensicherung;
- Vermeiden von Nutzungskonflikten (Nachbarschaftskonflikten);
- energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen (Windkraftanlagen mit Umweltauswirkungen: Vogelschutz, Lärmschutz).
Letztere – die räumliche Dimensionen der Energieversorgung umfassen das Schaffen von energieeffizienten Raum- und Siedlungsstrukturen durch Funktionsmischung, Dichte, Kompaktheit und Standortwahl.
Nach diesen kurzweiligen Keynote-Impulsen machen sich die BesucherInnen des Smart Cities Tags auf, um in Open Space Formaten zu diskutieren. Die Dichte an Informationen und die Themenvielfalt des ganzen Tags machen diesen Smart Cities Tag zu einem besonders gelungenen Event.
Erfreulicherweise kann mittlerweile ein reger Austausch zwischen den HinterstodererInnen und den Angereisten beobachtet werde, was sich auch in den Diskussionen im Open Space zeigt. Hier werden Ideen von beiden Seiten kombiniert und Neues entsteht. So stammt der Vorschlag ein Floating-System für E-Bikes gemeindeübergreifend zu gestalten, von einem Hinterstoderer.
Ein wertvoller Beitrag zur Frage, wie man Anreize zur Steigerung des Freizeit-Fahrradverkehrs schaffen kann. Bereits in der Abschluss-Feedbackrunde dieses Smart City Tags sind sich die BesucherInnen einig, dass sie einen Folgetermin im nächsten Jahr begrüßen würden.
Bildergalerie und Rückblick auf der Website des Landinger Sommers
Inhaltsbeschreibung
Am Donnerstag, den 13. Juli 2017 gibt es ihn wieder: unseren sommerlichen „Smart Cities Thementag“ in Hinterstoder.
In der zugleich inspirierenden und entspannten Atmosphäre des Landinger Sommers können Sie dann wieder neue Smart City-Projekte und -Entwicklungen kennenlernen sowie Strategien und Erfahrungen diskutieren.
Programm
In Anlehnung an das Prinzip des Landinger Sommers, entsteht das Programm kurzfristig und teilweise am Tag selbst.
Eine Tagesprogramm-Skizze erhalten die angemeldeten Personen spätestens eine Woche vor dem Smart Cities Thementag.
- Am Mittwoch, den 12. Juli von 14:00-19:00 Uhr steht Interessierten heuer außerdem die Hösshalle für selbstinitiierte und selbstorganisierte Aktivitäten zur Verfügung. Wenn TeilnehmerInnen diese Gelegenheit nutzen möchten, um brennende Themen, neue Ideen oder anstehende Projekte in einem selbst gewählten Format zu bearbeiten, wird um ein kurzes E-Mail an Christof Isopp gebeten.
- Am Abend des 13. Juli beginnt in Hinterstoder weiters eine Veranstaltung der Zukunftsorte – der Plattform der innovativen Gemeinden Österreichs. Es wird also auch die Chance geben, mit kreativen Köpfen aus Kommunal-Politik und -Verwaltung über Kooperationsideen zwischen Stadt und Land zu diskutieren.
- Am Freitag, den 14. Juli gibt es darüber hinaus noch Zeit für selbstinitiierte Ideen.
Kontaktadresse
Landinger Sommer
Christof Isopp
E-Mail: isopp@verknuepfer.at