VERTICAL urban FACTORY
Kurzbeschreibung
Ausgangssituation/Motivation
Die Mischung der Funktionsbereiche Wohnen und Arbeiten leistet einen wesentlichen Beitrag zur energieeffizienten Stadtentwicklung und zur Erreichung von ambitionierten Smart-City-Zielen. Städtische Gewerbegrundstücke sind jedoch vielerorts knapp und für produzierende Unternehmen, mit entsprechend großem Flächenbedarf, nicht leistbar. Hinzu kommt aufgrund erhöhter Zuwanderung in Städte der Druck, neue Standorte für den Wohnbau zu erschließen. In Wien z. B. sind seit 2001 die Flächen für produzierende Betriebe um 16,5% zurückgegangen, bei reinen Industriegebieten beträgt der Rückgang sogar 30%. Die zunehmende „Raumverknappung", der drastische Rückgang von Betriebsflächen und damit von städtischen Arbeitsplätzen, erfordert dringend Maßnahmen gegen eine räumliche Entmischung der Funktionsbereiche Wohnen und Arbeiten. Die Folgen dieser räumlichen Entkoppelung laufen nicht nur Energieraumplanerischen Zielen zuwider, auch Synergiepotenziale können nicht nachhaltig genutzt werden (z. B. Energie-/ Abwärmenutzung, Kreislauf- und Kaskadenwirtschaft, urbane Wertschöpfung, mikroökonomische lokale Netzwerke).
Alternative Konzepte, um die Produktion in der Stadt erneut für Unternehmen attraktiv zu machen, sind derzeit jedoch noch die Ausnahme. Während die Transformation der Industrieproduktion, kurz unter dem Begriff Industrie 4.0 zusammengefasst, die Rückkehr einer städtischen Industrie in kleinteilige gemischte Quartiere anbahnt, stehen auf der anderen Seite erhebliche Hürden gegenüber.
Inhalte und Zielsetzungen
In VERTICALurbanFACTORY werden in neuer Weise moderne Konzepte „gestapelter" Funktionen und urbaner vertikaler Produktion ausgelotet und die rechtliche Betrachtung mit einer städtebaulichen und planerisch-verkehrspolitischen Betrachtung verknüpft. Das Vorhaben geht über die reine Mischnutzung zwischen Wohnen, Büro / Dienstleistung, Handel, Handwerk- oder Kleingewerbebetriebe hinaus und fokussiert auf Möglichkeiten produzierender Unternehmen mit entsprechendem Flächenbedarf oder besonderen infrastrukturellen Anforderungen, z. B. hinsichtlich Verkehr und Transport. Das Problemfeld der flächensparenden Raumnutzung wird durch mehrgeschoßige Bauweise und vertikale Produktion gelöst. Die vertikale Produktion fördert die Bebauungsdichte und somit auch eine effiziente und stadtverträgliche Gestaltung von Logistiksystemen und intelligenten Transport- und Verkehrskonzepten. Im Fokus der rechtlichen Untersuchung steht die Frage, welche Instrumente bzw. gesetzlichen Vorgaben die Nutzungsmischung und die (vertikale) Produktion in der Stadt fördern, welche Interessen der Wohnbevölkerung die Rechtsordnung schützt und wie der Ausgleich zwischen den Interessen von produzierenden Betrieben und jenen der Nachbarn von Betrieben geleistet wird.
Methodische Vorgehensweise
Aufbauend auf den Ergebnissen aus wissenschaftlicher Grundlagenforschung, Fallstudien, Best Practice Beispielen und zahlreichen Gesprächen mit Unternehmen wurden innovative, stadtverträgliche und vertikal organisierte Gebäudetypologien, Verkehrs-Logistikkonzepte und rechtliche Aspekte der urbanen Produktion ausgearbeitet. Als urbaner Kontext für die erarbeiteten Modellkonzepte dienen die räumlichen, rechtlichen und verkehrsstrukturellen Rahmenbedingungen der Stadt Wien und die wirtschaftsräumlich formulierten Zielsetzungen des STEP 2025 (Stadtentwicklungsplan 2025). In Form von fünf modularen Modelltypen, welche mannigfache Anforderungen und Merkmale widerspiegeln sowie auf unterschiedliche Stadttypologien bestmöglich abgestimmt sind, werden die Konzepte planlich und textlich dargestellt. Diese sind in Hinblick auf wesentliche Entscheidungs- und Einflussfaktoren (z. B. städtebauliche Einbindung, Nutzungsmischung, rechtliche Rahmenbedingungen, Verkehr & Logistik) spezifiziert.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse sind in zwei umfassenden inhaltlichen Berichten dokumentiert. Teil 1 beleuchtet wesentliche Gesichtspunkte und Charakteristiken einer „Produktiven Stadt". Teil 2 des Endberichts dokumentiert einleitend städtebauliche Fallstudien zu Industriestandorten und Betriebsflächen in Wien. Zudem beinhaltet Teil 2 fünf modular aufgebaute innovative Modelltypen „vertikaler urbaner Produktion". Diese Modelltypen sind darüber hinaus in Form eines komprimierten Booklets publiziert.
Die Modelltypen zeigen, dass die mehrgeschoßige Bauweise durchaus eine real umsetzbare Alternative für begrenzte Flächenressourcen und die urbane Produktion darstellt. Je nach Gebietstyp, Bebauungsform oder infrastrukturellen Gegebenheiten sind sehr unterschiedliche flächensparende Konzepte möglich, die entsprechend unternehmensspezifischer Anforderungen adaptierbar sind. Die kompakte Bauweise und Organisation der Produktionsabläufe in einem mehrstöckigen Gebäude ist je nach Produktionsart auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht nur möglich, sondern auch vielfach insgesamt kostengünstiger umzusetzen. Der zentrale Ausgangspunkt für die Bauweise liegt jedoch eindeutig bei spezifischen Anforderungen der jeweiligen Unternehmen. Es ergibt sich die Notwendigkeit, potenzielle Betriebe von Beginn an in die Planung einzubeziehen, im Wesentlichen bereits bei der Flächenaufteilung.
Darüber hinaus zeigt die Analyse der Modelltypen, dass der integrierte Einzelstandort am besten die verkehrspolitischen Zielsetzungen in Bezug auf verkehrliche Einflussfaktoren erfüllt. Zwar bestehen Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr (z. B. Anzahl der Stellplätze) und höherer Aufwand durch Logistik, dafür sind diese Produktionsstandorte aber durch eine gute Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr gekennzeichnet. Die größten Potenziale einer unmittelbaren Vertikalisierung liegen hingegen in gewerblichen Mischgebieten, die im Zuge städtischer Nachverdichtung und im Sinne belebter Stadträume mit Mischnutzungen zu integrieren sind.
Ausgehend vom Potential einer nutzungsdurchmischten Struktur wurden zahlreiche (rechtliche) Ansatzmöglichkeiten und Einflussfaktoren zur Steuerung der Durchmischung von Arbeiten und Wohnen analysiert. Der einschlägige untersuchte Rechtsrahmen reicht von finanziellen Anreizen (z. B. durch die sog Pendlerpauschale) über strategische Planungen (wie z. B. Fachkonzepte) und planerische Festlegungen im Flächenwidmungsplan bis hin zu Genehmigungsvorbehalten, Prüfpflichten und Grenzwerten. Die Herausforderungen liegen vor allem im Interessensausgleich von Wohn- und Arbeitsnutzungen. Dabei zeigt sich, dass sich – bedingt durch die bundesstaatliche Kompetenzverteilung – parallele Genehmigungsverfahren (z. B. Baubewilligungs- und gewerbebehördliches Betriebsanlagegenehmigungsverfahren) ergeben; Ansätze zu deren Koordinierung sowie zur Überwindung von Doppelgleisigkeiten sind vorhanden (z. B. gemeinsame Verfahrensführung). Weiter zeigt sich, dass sich auf dem Boden des geltenden Rechts Spannungslagen, insbesondere zwischen Nachbarn und Betrieben, nicht bzw. nicht vollständig auflösen lassen.
Dem Thema „Abwärmenutzung" kommt im Kontext der Planung von Plusenergiequartieren eine tragende Rolle zu. Hier gibt es sowohl für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten als auch der konkreten Anwendung bereits ausgereifter Technologien unter geänderten Rahmenbedingungen, in Form von Demonstrationsprojekten, noch großes Potenzial.
Publikationen
VERTICALurbanFACTORY: Innovative Konzepte der vertikalen Verdichtung von Produktion und Stadt
Das Projekt beforscht Möglichkeiten und Potenziale hocheffizienter Raumnutzung durch moderne Konzepte „gestapelter“ Funktionen und vertikaler Produktion.
Schriftenreihe
9/2020
E. Haselsteiner, V. Madner, H. Frey, L.M. Grob, B. Laa, M. Winder, K. Schwaigerlehner, J. Haselsteiner
Herausgeber: BMK
Deutsch, 253, 153 bzw. 52 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
URBANITY – Architektur, Kunst, Kultur und Sprache
DI Dr. Edeltraud Haselsteiner
ProjektmitarbeiterIn: Katja Schwaigerlehner, BSc., DI Josef Haselsteiner
Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
- Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Forschungsbereich für Verkehrsplanung, DI Dr. Harald Frey, DI Barbara Laa, Mag. Manuela Winder
- Wirtschaftsuniversität Wien - Forschungsinstitut für Urban Management und Governance, Univ. Prof. Dr. Verena Madner, Lisa-Maria Grob, LL.M
Kontaktadresse
DI Dr. Edeltraud Haselsteiner, URBANITY
Märzstraße 158/20
A-1140 Wien
Tel.: +43 (699) 126 980 82
E-Mail: edeltraud.haselsteiner@aon.at
Web: www.urbanity.at