ThermoCluster - Wärmegewinnung aus Infrastrukturprojekten und Einbindung in dezentrale Niedertemperatur- Wärme- und Kältenetze für Plus-Energie-Quartiere
Kurzbeschreibung
Die Nutzung von Erdwärme aus Ingenieurbauwerken und Tunnels („Tunnelthermie") bietet die Möglichkeit, die erdberührten Bauteile zur umweltfreundlichen Beheizung und Kühlung im Nahbereich zu verwenden (Adam, Markiewicz, & Oberhauser, 2005). Neben der Nutzung thermisch aktivierter Tunnelbauteile stehen im Brenner Basistunnel auch abgeleitete warme Tunnelwässer zur Verfügung. Insbesondere durch die Nutzung der Tunnelwässer können wertvolle Synergiepotenziale genutzt werden. Durch die Nähe zur Stadt Innsbruck bietet der Brenner Basistunnel (BBT) die optimalen Rahmenbedingungen, um die Wirksamkeit und Anwendungsgrenzen der Tunnelthermie zu bestimmen, die Energieverteilung in der Stadt zu simulieren und somit die technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit zu erforschen. Ziel des Projekts ist es somit einerseits das geothermische Potential des BBT, sowie dessen Nahbereich zu eruieren und anderseits die Wärmeverteilung in der Stadt Innsbruck zu simulieren. Aus diesem Grund wird in diesem Bericht in diese zwei Teile unterschieden. Einerseits in das Wärmepotential des Brenner Basistunnels und dessen Nahbereich, und anderseits in die Verteilung der gewonnenen Wärme innerhalb der Stadt Innsbruck.
Zu Beginn wurden die Wassermengen und Temperaturen, welche nach Abschluss der Bauarbeiten des Brenner Basistunnels am Nordportal zu Tage treten, werden prognostiziert. Hierfür wurden auf die Messdaten des BBT wie auf numerische Modelle zurückgegriffen. Mit diesen Ergebnissen konnten die Nutzbaren Wärmeleistungen errechnet werden und somit das geothermische Potential in einer noch frühen Phase eingegrenzt werden. Zusätzlich wurden die hydrochemischen Parameter für die verschiedenen Wasser modelliert und die Ausfällungsraten berechnet. Das geothermische Potential im Zielgebiet wurde eine Methodik verwendet, die von der Geologischen Bundesanstalt in dem Projekt GEL-SEP erarbeitet wurde. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden dann mit Potentialanalysen die optimale Verteilungsstruktur ermittelt.
Die Ergebnisse zeigen, dass das geothermische Potential der Tunnelwasser je nach Jahreszeit und Abflussentwicklung zwischen ca. 2.8 MW – 6.5 MW liegen wird. Die Nutzung von Erdwärmesonden im Zielgebiet würde eine spezifische Entzugsleistung bei Heizen und Kühlen mit Norm-Betriebsstunden zwischen 38,2 und 40,3 W/lm für das Tiefenintervall 0 – 100 m und zwischen 39,3 und 40,8 W/lm für das Tiefenintervall 0 – 150 m betragen. Zudem variiert die Jahresenergiemenge bei Heizen und Kühlen mit Norm–Betriebsstunden zwischen 80,5 und 85,6 kWh/m²/a für das Tiefenintervall 0 – 100 m und zwischen 120,8 und 125,8 kWh/m²/a für das Tiefenintervall 0 – 150 m. Die Nutzung der Grundwasserwärme ist in dem Untersuchungsgebiet generell möglich, da ein geeigneter oberflächennaher Grundwasserkörper am Standort anzutreffen ist. Beim Vergleich der verschiedenen Wärmeverteilungszenarien wurde beim Vergleich festgestellt, dass ein Anergienetz die besten Voraussetzungen für eine effiziente Wärmeverteilung hat.
Bei der Betrachtung der berechneten Energiemengen der Gebirgswassernutzung (bzw. der genannten Wassermengen sowie der Wassertemperaturen) zeigt sich, dass es noch einige Unsicherheiten gibt, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht näher eingegrenzt werden können. Diese Unsicherheiten werden jedoch mit dem Baufortschritt beseitigt werden. Trotz dieser Unsicherheiten zeigen die Ergebnisse ein erhebliches Potenzial des BBT-Tunnelwassers auf, das es unabdingbar macht, die Idee der geothermischen Nutzung des Tunnelwassers zu verfolgen. Die Potentiale für Erdwärmesonden sind vor allem von den Systemparametern abhängig. Es ist wichtig zu betonen, dass die Systemparameter auf Annahmen basieren und die Ergebnisse daher nur für Anlagen mit der angegebenen Konfiguration gelten. Die Nutzung der Tunnelwärme auf 18-23°C in einem Anergienetz ist für die Versorgung der Stadtentwicklungsgebiete als technisch am vorteilhaftesten und ressourcenschonend zu bewerten. Mit dem Anergienetz wird die CO2-neutrale Bergwärme am effizientesten und bedarfsgerecht mit minimalen Exergieverlusten zur Verfügung gestellt, und dezentral mittels Wärmepumpen auf das Nutztemperaturniveau der Niedrigenergiebauten gehoben. Eine Verteilung der Bergwärme mittels Anergienetzes über größere Distanzen - in andere Stadtteile Innsbrucks - ist aufgrund höherer Leitungsverluste demgegenüber als ineffizienter zu bewerten.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass am BBT die Anwendung des Systems der Teilströme und des detaillierten Monitorings die Grundlage für die Abschätzung des geothermischen Potenzials bildet. Diese breite Datenbasis ermöglicht es, bereits mehrere Jahre vor Abschluss der Bauarbeiten erste Abschätzungen vorzunehmen. Die Anwendung des Systems der Teilströme ist daher auch für andere Tunnel eine Chance. Zudem ermöglichen die Daten eine frühzeitige Optimierung. Bezüglich des Nachbereichs am Portal lässt sich sagen, dass aufgrund der thermischen Regeneration des Grundwassers bei einem Betrieb mit ausgeglichener Betriebsweise eine ungefähr drei- bis viermal höher Energiemenge erzielt werden kann als im Betrieb mit Norm–Betriebsstunden. Daher ist sowohl für Erdwärmesonden als auch für thermische Grundwassernutzung eine ausgeglichene Betriebsweise zu bevorzugen. Aus derzeitiger Sicht ist die Nutzung der Tunnelwärme mittels Anergienetz die technische empfohlene Variante, da die Tunnelwärme mit den vorherrschenden Temperaturniveaus passend für die Grundwärmeversorgung des Stadtentwicklungsgebiets im Nahgebiet des Tunnels ist. Eine erste Abschätzung auf Basis der Investitionskosten zeigt ebenfalls, dass ein Anergienetz die wirtschaftlichste Variante ist, jedoch unter der Bedingung, dass die Investitionsrentabilität durch entsprechende Erlöse erzielt werden kann.
Publikationen
ThermoCluster - Wärmegewinnung aus Infrastrukturprojekten und Einbindung in dezentrale Niedertemperatur- Wärme- und Kältenetze für Plus-Energie-Quartiere
Integrative Betrachtung des geothermischen Potentials von Tunneln und Portalbereichen und die darauffolgende Verteilung der daraus gewonnenen Wärme hin zum Endkonsumenten in potenzielle Plus-Energie-Quartiere am Beispiel des Brenner Basistunnels und der Stadt Innsbruck.
Schriftenreihe
90/2025
Geisler, T., Marcher T., Haslinger, V.E., Auer, R., Lauermann, Michael., Friedrich R., Götzl, G., Nyéki E., Hoyer, S., Fuchsluger M., Kulich, J., Wolf, M., Pröll, T., Voit, K., Straka, W., Cordes, T., Burger, U., Lehner, F., Pol O., Obradovic M.
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 73 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
Thomas Geisler, Technische Universität Graz - Institut für Felsmechanik & Tunnelbau
Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
- AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Energy
- Galleria di Base del Brennero – Brenner Basistunnel BBT SE
- Innsbrucker Kommunalbetriebe Aktiengesellschaft
- Geologische Bundesanstalt, Abteilung für Hydrogeologie und Geothermie
- Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Angewandte Geowissenschaften
- Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Verfahrens- und Energietechnik
Kontaktadresse
Thomas Geisler
Rechbauerstraße 12
A-8010 Graz
Tel.: +43 (316) 873 - 8615
Mobil: +43 (676) 931 11 94
E-Mail: geisler@tugraz.at
Web: https://tunnel.tugraz.at