SPIDER - Subtraction as a measure to Preserve and Insulate historic Developments by Electric Robots
Kurzbeschreibung
Motivation und Forschungsfrage
Die ambitionierten Ziele des Klimaschutzes (vergleiche Pariser Klimaschutzziele von 2015) müssen sich in veränderten Herangehensweisen in vielen Bereichen des Lebens niederschlagen, so auch dem Bauwesen. Mittlerweile, bei Abschluss dieses Projektes wurden diese Ziele weiter nachgeschärft. Die Taxonomieverordnung der EU berücksichtigt die Klimaziele bei der Finanzierung von Bauprojekten und der Überfall Russlands macht den Ausstieg aus dem Erdgas, um das es bei diesem Projekt bereits zum Zeitpunkt des Antrags ging, dringlicher denn je.
Dabei ist es weitestgehend anerkannt, dass das Ausgestalten von Neubauten in energieeffizienter Weise nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, betrachtet man die niedrigen Neubauraten. Der Bestand muss also mitgedacht und mitbehandelt werden. Auch hier gab es eine bemerkenswerte Rede durch Ursula van der Leyen im Oktober 2020, die als Kommissionspräsidentin eine Europäische Renovierungswelle auslösen will. Bei der thermischen Sanierung des baukulturell bedeutsamen Gebäudebestands stößt man allerdings bald auf Grenzen in der Anwendung herkömmlicher, also addierender Prinzipien (Anbringen von Wärmedämmpaneelen auf der Außenfassade).
Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, dass ca. 30% der Mauerwerkstiefe des historischen Vollziegelmauerwerks statisch nicht relevant sind.
Ausgangssituation/Status Quo
Ausgehend von den dramatisch schlechten Wärmedurchgangswiderständen der Außenwände historischer Bestandsbauten bei gleichzeitig einem hohen gesellschaftlichen und baukulturellen Bedürfnis des Erhalts ornamentierter historischer Fassaden, scheint in der Subtraktion von Material der Schlüssel zu einer gewaltigen energetischen Verbesserung zu liegen, ohne dass dabei das Äußere dieser stadtbildprägenden Gebäude zerstört wird. Moderne Methoden der Analyse des Kraftverlaufs und der Schalleinwirkung einerseits, moderne und einfach verfügbare Möglichkeiten der Robotik und die mittlerweile hohe Effizienz von Photovoltaik und Batterietechnik andererseits erlauben ein Konzept zu sondieren, das eine vollautomatische, rein solar betriebene Sanierung untersucht.
Projekt-Inhalte und Zielsetzungen
Ziel ist, ein Sanierungssystem für gründerzeitliche, ornamentierte Fassaden zu entwickeln das nicht nur im Ergebnis, sondern bereits der in der Bauphase hochökologisch und hochökonomisch ist. Gleichzeitig soll die prägende kulturelle Identität, die durch die reiche Ornamentierung der historischen Gebäude gegeben ist, respektiert werden.
Methodische Vorgehensweise
Die Fragestellung, bzw. das Projektziel geht von der gründerzeitlichen Bausubstanz und der begründetet Vermutung einer konstruktiven Redundanz des zum Teil tragenden Mauerwerks aus. In einem ersten Schritt ist daher eine gründliche Recherche zur Bauweise, Materialität und Gebäudestruktur erforderlich. In der Folge soll untersucht werden, wie die konstruktive Redundanz des Mauerwerks genutzt werden kann, um durch Prosifizierung die Wärmeleitfähigkeit des Mauerwerks zu verringern. Dazu sind einerseits Studien über die technisch möglichen Bohrmuster und Bohrrichtungen erforderlich, andererseits ist eine Recherche hinsichtlich der tatsächlich vorhandenen thermischen Eigenschaften historischen Mauerwerks ein notwendiger Startpunkt.
Davon ausgehend werden eine Vielzahl möglicher Varianten thermisch simuliert und auf diese Weise Verbesserungen der thermischen Eigenschaften ermittelt. Um das Verbesserungspotential, also die mögliche Energieeinsparung durch die Maßnahmen großmaßstäblich beurteilen zu können, werden die Gebäudedaten für sämtliche Gründerzeithäuser Wiens statistisch erfasst und in einem Energiebilanzmodell abgebildet, sodass die zuvor durch Simulation ermittelten Veränderungen der Wärmeleitfähigkeit eingespielt werden können. Nach Ermittlung geeigneter Maßnahmen erfolgt in einem letzten Schritt die Entwicklung von Konzepten und Technologien zur technischen Umsetzung.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Im Zuge der Projektrecherche konnte eine Einschätzung des gründerzeitlichen Baubestands hinsichtlich der thermischen Performance und der Auswirkung möglicher Sanierungsmaßnahem getroffen werden. Dabei hat sich gezeigt, dass ein klimaneutraler Betrieb dieser Gebäude hinsichtlich ihres Heizwärmebedarfs möglich ist, sobald diese Gebäude auch Energie produzieren.
Im Zuge der Ideenentwicklung für mögliche Sanierungsstrategien auf Basis der Porosifizierung des Mauerwerks, wurde auch die Möglichkeit untersucht, das Mauerwerk durch Photovoltaik-betriebene Stäbe zu beheizen. Für die Sanierung kann so ein Vorgehen von Interesse sein, da es auch eine Komfort-Erhöhung und ein Austrocknen der Mauern bewirkt, auf jeden Fall auch die Wärmeverluste der Raumheizung reduziert und damit diese Gebäude erst für den Einsatz von alternativen Systemen wie Wärmepumpen bereit macht. Dabei würde bereits die winterliche Einstrahlung hinreichend Leistung bieten. Das Gros dieser Strahlungsleistung könnte hingegen dem Betrieb der Wärmepumpen angerechnet werden, womit eine klimaneutrale Bilanz möglich wird, zumal die Dächer für die Produktion von Haushaltsstrom und Beleuchtungsenergie frei blieben.
Ausblick
Wie immer erfolgreich die Europäische Sanierungswelle verlaufen wird, so bleibt die Wärmezufuhr und immer öfter auch das Kühlen ein notwendiger Faktor. Neben der Fernwärme und Biomasse, die durchaus Emissionen in Form von Feinstaub und Abgasen freisetzt und deren CO2-Neutralität allenfalls in der Bilanz liegt, bleiben die Wärmepumpen die sauberste Möglichkeit eines Heizsystems, das sich noch dazu gut mit Kühlung kombinieren lässt. So wie in der Mobilität spielt also die Elektrizität eine entscheidende Rolle. Aus dem Gründerzeit-Energieausweis-Tool, das wir im Rahmen dieser Sondierung entwickelt haben, wissen wir, dass an den Gründerzeithäusern ca. 31 km2 opake Fassadenflächen brach liegen. Wenn davon ein Viertel für die Stromproduktion aktiviert werden kann, kann man bei einer durchschnittlichen Strahlung von 750 kWh/m2a jenen fünften Anteil Strom produzieren, den diese Gebäude nach Sanierung zum Betrieb von Wärmepumpen benötigen. Auf diese Weise wären sie hinsichtlich des Wärmebedarfs tatsächlich CO2-neutral.
Die mittlerweile auch durch die politische Situation (Unabhängigkeit von russischem Erdgas) erforderliche Geschwindigkeit beim Sanieren wird eine Unterstützung der bisherigen, konventionellen Bautätigkeit durch automatisierte Systeme erforderlich machen.
Publikationen
Subtraction as a measure to Preserve and Insulate historic Developments by Electric Robots (SPIDER)
In dieser Sondierung soll das Potential von autonomen, daten-getriebenen Robotern erschlossen werden, die in einem andauernden kontinuierlichen Prozess thermische Performanceverbesserungen durch Schaffung von dämmenden Lufteinschlüssen erzielen.
Schriftenreihe
42/2024
B. Sommer, U. Pont
Herausgeber: BMK
Deutsch, 84 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
Univ.Ass. Dipl.-Ing. Arch. Bernhard Sommer
Universität für Angewandte Kunst / Abteilung Energie Design
Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
- Mag.arch. Galo Moncayo, MFA; BFA - Universität für Angewandte Kunst, Abteilung Energie Design
- Dipl.-Ing. Malgorzata Sommer-Nawara - Universität für Angewandte Kunst, Abteilung Energie Design
- Univ. Prof. Dipl.-Ing. Peter Bauer - TU Wien, Institut für Architekturwissenschaften
- Senior Scientist Dipl.Ing. Dr.techn. Ulrich Pont - TU Wien, Forschungsbereich Bauphysik und Bauökologie, Institut für Architekturwissenschaften
Kontaktadresse
Bernhard Sommer
Universität für Angewandte Kunst / Abteilung Energie Design
Oskar Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien
Tel.: +43 (699) 195 69 794
E-Mail: bernhard.sommer@uni-ak.ac.at
Web: www.dieangewandte.at