ReCon: Entwicklung eines resilienten Klett-Verbindungs-Systems zur anpassungsfähigen Montage von Bauteilkomponenten im Hochbau
Kurzbeschreibung
Der globale Beitrag des Bauwesens zum Klimawandel wird anhand des Endenergieverbrauchs (ca. 34 %), der energiebedingten CO2-Emissionen (ca. 37 %) und des Ressourcenverbrauchs (ca. 31 %) ersichtlich. Mit konsequenter Kreislaufwirtschaft kann zur Reduktion dieser Kennzahlen, insbesondere des Ressourcenverbrauchs, beigetragen werden. Zwei wesentliche Kernelemente eines kreislauffähigen Bauens sind die „Rückbaubarkeit" sowie wesentliche „Informationen" über verbaute Elemente, ihre Beschaffenheit und Eigenschaften. Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie aus dem Jahr 2022 stellt dementsprechend die Forderung an Gebäude nach Nutzungsflexibilität, modularer Bauweise, Trennbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Bauteilen. Sowie der Erfassung der Materialdaten über den gesamten Lebenszyklus und deren Dokumentation in digitaler Form zur Stärkung der Wiederverwendungs-, Recycling- und Verwertungspraktiken.
Das aktuelle Bauwesen beruht auf den Fügemethoden vergießen, verschweißen, verkleben, ausschäumen und abdichten, während ein Management von Bauteildaten (Einbaudatum, stoffliche Zusammensetzung, Position, Demontagehinweise u.v.m.), mit einer Systematik, welche für die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft notwendig wäre, nicht existent ist. Wodurch gegenwärtig vor allem Gebäude entstehen, welche nicht oder nur teilweise, und wenn dann nur unter hohem Aufwand, in eine Kreislaufwirtschaft eingefügt werden können.
Zur Lösung dieser Probleme schlägt das hier vorliegende Projekt die Etablierung einer „resilienten" Klettverbindung im Hochbau, zwischen kurzlebigen und langlebigen sowie in weiterer Folge materiell heterogenen Bauteilen vor. Diese Verbindung bietet auf physischer Ebene einen beschädigungsfreien Rückbau sowie technische und räumliche Flexibilität, und auf virtueller oder digitaler Ebene, durch die Einbindung gegenwertiger Speichertechnologien, ein fortlaufendes Bauteil-Datenmanagement. Projektziel ist in diesem Kontext ein Konzept des Klettverbindungssystems (in Abhängigkeit der Anwendungssituation) wie auch die Verifikation der Anwendbarkeit auf Komponentenebene. Hierzu erfolgte methodisch eine Literaturrecherche, Konzeptentwicklung und die experimentelle Untersuchung einzelner Systemkomponenten anhand von Laborversuchen. Jeweils auf bautechnischer, papiertechnischer, elektrotechnischer und digitaler Ebene.
Als Ergebnis wurden zwei Anwendungssituationen („Geschossdecke in Betonbauweise" und „Geschossdecke in Holzbauweise") definiert, die Potentiale der Klettverbindung in diesen Situationen erhoben sowie die bautechnischen Anforderungen (Lebensdauer, Lastübertragung) analysiert. Weiters wurden Konzepte eines Klettverbindungssystems entwickelt. Dies umfasst das Aufkleben industrieller Klettkomponenten auf herkömmliche Beton- oder Holzbauteile und die Herstellung von Klettkomponenten aus den Rohbaustoffen Beton und Holz, wie auch aus Papierwerkstoffen.
Im Rahmen der Versuche mit industriellen Klettprodukten konnte ein duktiles Tragverhalten der Klettverbindung festgestellt werden. Die großen Verformungen die der Klett aufnehmen kann sind für bautechnische Anwendungen ideal, da dadurch ein Ankündigen des Versagens gewährleistet ist und in vielen Anwendungsfällen eine Lastumlagerung ermöglicht wird. Weiters konnte festgestellt werden, dass je nach Klettprodukt sowohl die Orientierung der beiden Klettkomponenten zueinander als auch die Temperatur einen Einfluss auf die Haftzugfestigkeit haben (können). Zudem wurde bestätigt, dass (größere) Exzentrizitäten der Lasteinleitung auf Grund der einseitigen Belastung zu einer Reduktion der Haftzugfestigkeit (bezogen auf die gesamte Klettfläche) führen.
Im Rahmen von Herstellungsversuchen konnten Beton- und Holz-Klettkomponenten mit runden und eckigen Pilzkopfelementen wie auch mit T-förmigen oder V-förmigen Nuten hergestellt werden. Wobei Kunststoff-Klettkomponenten, welche mittels 3D-Druck in unterschiedlicher Skalierung und Geometrie (X-Pilzköpfe und O-Pilzköpfe) hergestellt wurden, das Gegenstück bilden. Als Klettpapier konnte ein System entwickelt und hergestellt werden, welches gefaltete bzw. gebogenen Pilzköpfe umfasst, wie auch ein Gegenstück, bestehend aus Schlitzen die schmäler sind als die Dicke der Pilzköpfe. All diese im Projekt entwickelten Klettsysteme weisen Haftzugfestigkeiten auf, die mit handelsüblichen Klettprodukten vergleichbar sind.
Als Bauteildatensystem wurde auf digitaler Ebene eine Gebäudegliederung definiert und mit potentiell erforderlichen Metadaten hinterlegt, sowie in ein digitales Dashboard und eine elektronische Ebene übersetzt. Zudem erfolgte eine Anwendung anhand ausgewählter Nutzer*innen-Szenarien (Planung mit Reuse-Bauteilen, Wartung und Reparatur). Auf elektronischer Ebene wurde ein System entwickelt, bei welchem sich RFID-Chips und QR-Codes auf oder seitens der Architektur, in vordefinierten Elementen bzw. in Räumen befinden.
In Folgeprojekten sind das Verhalten der industriellen Klettverbindung unter klimatischen Wechselbeanspruchungen und die Einflüsse auf die Haftzugfestigkeit weiter zu untersuchen. Die im Projekt angewandten Verfahren zur Herstellung von Klettkomponenten aus Rohbaustoffen dienten der Überprüfung der Machbarkeit und weisen noch keine Optimierungen hinsichtlich Ablauf, Technologien oder ökologischer Aspekte auf. Dies ist in Folgeprojekten zu adressieren. Weiters besteht Forschungsbedarf zur Weiterentwicklung und Konkretisierung des Bauteildatensystems im Kontext unterschiedlicher Nutzer*innen und der Integration digitaler Bauteilinformationen in bestehende Planungsumgebungen. Wie auch zur Integration eindeutiger Identifikatoren (RFID-Chips, QR-Codes) und Basisdaten (langfristige Archivierung) in die Baukonstruktion.
Publikationen
Entwicklung eines resilienten Klett-Verbindungs-Systems zur anpassungsfähigen Montage von Bauteilkomponenten im Hochbau (ReCon)

Systemische Auseinandersetzung mit der Klettverbindung und Bauteilschnittstellen zur Entwicklung eines resilienten Verbindungssystems zwischen Bauteil/-Komponenten unterschiedlicher Funktion und Lebensdauer. Das Ergebnis dient der Verifikation des Verbindungssystems und bildet eine Grundlage für weiterführende Erforschung und Etablierung im Hochbau.
Schriftenreihe
73/2025
Matthias Lang-Raudaschl, Sasa Ritonja, Clemens Berlach, Toni Levak, Arquitecta Vidal Martinez Maria Soledad, Selina Haingartner, Semjon Popek, Bernhard Freytag, David Danner, Ulrich Hirn, Thomas Harter, Gernot Theuermann, Christian Zuber, Simon Klima, Peter Treitler, Angelika Weber, Leonie Haas, Nikola Oblak, Marcel Andrejak, Madeleine Hurst
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 124 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
Technische Universität Graz, Institut für Architekturtechnologie
Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen
- Technische Universität Graz, Labor für Konstruktiven Ingenieurbau
- Technische Universität Graz, Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik
- Axtesys GmbH, Graz
- NET-Automation GmbH, Zeltweg
Kontaktadresse
Technische Universität Graz
Institut für Architekturtechnologie
Rechbauerstr. 12/I
A-8010 Graz
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Architekt Roger Riewe (Projektleitung)
Tel.: +43 (316) 873 6300
E-Mail: riewe@tugraz.at
Web: http://www.iat.tugraz.at/
Dipl.-Ing. Dr.techn. Matthias Raudaschl (Stellvertretende Projektleitung)
Tel.: +43 (316) 873 6808
E-Mail: matthias.raudaschl@tugraz.at
DI Toni Levak (Universitätsassistent)
Tel.: +43 (316) 873 6307
E-Mail: toni.levak@tugraz.at