PRoBateS - Potenziale im Raumordnungs- und Baurecht für energetisch nachhaltige Stadt­strukturen

Das Projekt hat das Ziel, Hemmnisse und Potenziale für energiepolitische Maßnahmen im Raumordnungs- und Baurecht zu analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen für energetisch nachhaltige Stadt­strukturen zu erarbeiten. Das Projekt verknüpft dazu eine fundierte rechtswissenschaftliche Analyse mit einer raumstrukturellen und quantitativen Wirkungsabschätzung.

Kurzbeschreibung

Status

Abgeschlossen

Ausgangssituation/Motivation

Um ambitionierte Klimaschutzziele und größtmögliche Ressourcenschonung zu erreichen, stehen Städte vor der großen Herausforderung, innovative Instrumente und Maßnahmen auch im Energie- und Gebäudesektor zu entwickeln. In zahlreichen europäischen Städten werden Raumordnung und Baurecht bereits zur Umsetzung energiepolitischer Ziele und für den Übergang zu energetisch nachhaltigen Stadtstrukturen genutzt. Beispielhaft können hier Maßnahmen wie die Verpflichtung zur Solarnutzung oder zur Nutzung einer bestimmten Heizungsart genannt werden oder der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags z.B. für die Einhaltung strenger Energieeffizienzmerkmale von Gebäuden. Die Einführung und Umsetzung von neuen Instrumenten und die Übertragbarkeit von Regelungsansätzen und Good Practices setzt voraus, dass der spezifische rechtlich-institutionelle Kontext hinreichend analysiert und beachtet wird. Das Potenzial energieorientierter Lösungsansätze wird aber auch wesentlich durch urbane Raumstrukturen und das vorhandene städtische Energiesystem bestimmt.

Inhalte und Zielsetzungen

Das Projekt PRoBateS hat das Ziel, Handlungsspielräume und Potenziale für energieorientierte Maßnahmen im Raumordnungs- und Baurecht zu analysieren und Handlungsempfehlungen für energetisch nachhaltige Stadtstrukturen zu erarbeiten. Das Projekt zeigt Gestaltungsmöglichkeiten zur Weiterentwicklung des rechtlichen Instrumentariums und zur Umsetzung unterschiedlicher Regelungsansätze in Österreich und am Beispiel der Stadt Wien auf.

Der rechtliche Rahmen wird dazu vom EU-Recht über das Verfassungsrecht bis zu den instrumentellen Ansätzen im Raumordnungs- und Baurecht der Länder untersucht und anhand der Ausgestaltungsmöglichkeiten ausgewählter Instrumente (wie der Vertragsraumordnung) vertieft analysiert. Aus technisch-planerischer Sicht soll einerseits auf gesamtstädtischer Ebene diskutiert werden, in welchem Umfang einzelne rechtliche Maßnahmen zur Anwendung kommen könnten (hohes/niedriges Umsetzungspotenzial, Analyse anhand von statistischen und räumlichen Daten). Andererseits sollen für ausgewählte Stadträume im Detail die konkreten Wirkungen von Maßnahmen anhand von Indikatoren (z.B. Energieverbrauch, Anteil erneuerbarer Energien, CO2-Emissionen) abgeleitet werden und damit auch Hinweise für andere Teilräume der Stadt Wien gegeben werden.

Methodische Vorgehensweise

Das Projekt verknüpft eine fundierte rechtsdogmatische Untersuchung der Potenziale im Raumordnungs- und Baurecht mit einer technisch-planerischen Betrachtung. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht wird der Handlungsspielraum für energieorientierte Maßnahmen im österreichischen Raumordnungs- und Baurecht untersucht. Aus technisch-planerischer Perspektive wird das Potenzial rechtlicher Maßnahmen auf gesamtstädtischer Ebene am Beispiel der Stadt Wien und auf Quartiersebene in Testgebieten basierend auf einer erweiterten Stadtraumtypologie raumstrukturell und quantitativ erfasst. Zur Diskussion der Wirkung und der Akzeptanz der rechtlichen Maßnahmen in der Praxis werden ergänzend zu den Auswertungen des Projektteams Interviews und Workshops mit Stakeholderinnen und Stakeholdern durchgeführt. Die vertiefte rechtswissenschaftliche Analyse und die Verknüpfung der rechtlichen mit der technisch-planerischen Sicht eröffnen neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die wesentlich zu energetisch nachhaltiger Stadtentwicklung beitragen können.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Die Analyse des rechtlichen Rahmens zeigt, dass das österreichische Raumordnungs- und Baurecht bereits aktuell vielfältige rechtliche Ansatzpunkte für energieplanerische Zielsetzungen umfasst. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern sind jedoch sehr heterogen und die Bandbreite der gesetzlich festgelegten energiebezogenen Instrumente variiert von Bundesland zu Bundesland. Instrumente, die auf Energieeffizienz und eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien abzielen, sind eher im Baurecht als im Raumordnungsrecht angesiedelt. Für energiebezogene Anforderungen im Baurecht sind vielfach Vorgaben der Europäischen Union impulsgebend. Im Raumordnungsrecht liegt der Fokus derzeit auf Instrumenten für eine Bodenmobilisierung und für verdichtete Stadtstrukturen; Instrumente, die auf eine Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energien abzielen sind demgegenüber nur vereinzelt vorgesehen (z.B. Regelungen betreffend Anschluss- oder Benutzungspflichten).
Die vergleichende Betrachtung der österreichischen Bundesländer macht deutlich, dass in vielen Bundesländern noch ein beträchtlicher Spielraum besteht, weitere energierelevante Instrumente im Raumordnungs- und Baurecht zu verankern. Verfassungsrechtliche Vorgaben stehen einer Weiterentwicklung energiebezogener Instrumente im Raumordnungs- und Baurecht nicht grundsätzlich entgegen. Das gilt auch für den Einsatz von Raumordnungsverträgen für Energiezwecke. Herausforderungen bieten insbesondere die zersplitterte Kompetenzrechtslage, die grundrechtlich gebotene Interessenabwägung sowie die Implikationen der höchstgerichtlichen Judikatur zur Vertragsraumordnung.

Die Raumordnungsziele nehmen vielfach noch nicht auf (erneuerbare) Energie- und Klimaziele Bezug. Wie im Projekt aufgezeigt wurde, kommt den Planungszielen aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch eine besondere Rolle in der Raumordnung zu.
Das Projekt analysiert vertieft ausgewählte Regelungsansätze im Bundesländervergleich: Anschluss- und Benutzungspflichten zugunsten effizienter und erneuerbarer Energieträger, die Vertragsraumordnung, befristete (Bauland-)widmung, Fristen zur Nutzungsrealisierung und die Widmungskategorie „Gebiete für förderbaren Wohnbau". Aus technisch-planerischer Sicht wird am Beispiel von Testgebieten in Wien das technische Potenzial ausgewählter Instrumente („Einsatz hocheffizienter alternativer Systeme", Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau" und städtebauliche Verträge) abgeschätzt.

Die Verpflichtung zum Einsatz hocheffizienter alternativer Systeme, die auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben im Baurecht verankert wurde, verfolgt aus technisch-planerischer Sicht ambitionierte und weitreichende Ziele. Sofern eine Fernwärmeversorgung nicht möglich ist, kommt diese Verpflichtung jedoch mit Blick auf Wirtschaftlichkeits¬erwägungen in der Praxis offenbar nur selten zum Tragen.

Die Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau" setzt bei einer energieeffizienten Bauweise an. Sie fordert im Vergleich zur OIB-Richtlinie die Einhaltung höherer Energieeffizienz¬standards. Die Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau" hätte daher, wie der geförderte Wohnbau, durchaus Potenzial zur Realisierung von CO2-Emissionsreduktionen.

Vertragliche Vereinbarungen haben ein erhebliches Potenzial für die Verfolgung von Energiezielen. Planungssicherheit und Transparenz sind auf Seiten der Praxis wichtige Desiderata an das Instrumentarium der Vertragsraumordnung. Wie Raumordnungsverträge effektiv zur Vereinbarung energetischer Standards genutzt werden können, bedarf weiter-gehender Analysen.

Ein (bundes-)länderübergreifender Erfahrungsaustausch und die Auseinandersetzung mit internationalen Regelungsansätzen und Good Practices sind essenziell, um das Bewusstsein für die Gestaltungswirkung der Raumplanung für die Energiewende zu stärken und rechtlichen Unsicherheiten bei der Fortentwicklung der Instrumentenpalette in der Praxis entgegenzuwirken.

Das Projekt zeigt auch, dass die Vorstellungen einzelner Stakeholderinnen und Stakeholder darüber, was jeweils der Beitrag zu einer energieorientierten Stadtentwicklung sein kann, zum Teil deutlich auseinandergehen. Ein Abgleich der Erwartungshaltungen und eine Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Rollenverständnis erscheinen hier unerlässlich. Damit einher geht auch der Bedarf nach neuen bzw. verbesserten Kommunikations¬prozessen und Kooperationsformen.

Ausblick

Auch künftig stehen Städte vor großen klimapolitischen Herausforderungen. Die intensive Auseinandersetzung mit den Handlungsmöglichkeiten für eine energie- und ressourcenorientierte Stadtplanung ist dabei von zentraler Bedeutung. Das Projekt PRoBateS hat grundlegende Fragen im Raumordnungs- und Baurecht analysiert und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Künftige Forschungsvorhaben könnten daran anknüpfend insbesondere untersuchen, welcher Rahmenbedingungen es bedarf, um innovative Geschäfts- und Finanzierungsmodelle für eine gebäudeübergreifende Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern in Stadtentwicklungsgebieten realisieren zu können. Dazu braucht es auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, mit welchen Mechanismen erneuerbare Energien auch aus ökonomischer Sicht attraktiver gemacht werden können. Das Projekt zeigt überdies, dass das Problem der Datenverfügbarkeit (z.B. zu Heizungsart, Sanierungsstand und gebäudebezogenem Energieverbrauch) ein deutliches Hemmnis bei der Durchführung von Forschungsvorhaben im Bereich energieorientierter Stadtentwicklung darstellen, da Analysen immer nur so gut wie ihre Datengrundlagen sein können. Es erscheint daher lohnend, der Frage systematisch nachzugehen, wie diese Barrieren überwunden werden können, da großes Forschungspotenzial hier nicht genutzt werden kann.
Die Bearbeitung des Projekts PRoBateS hat einmal mehr verdeutlicht, dass die energie- und ressourcenorientierte Stadtentwicklung eine Querschnittsmaterie darstellt, die eine Bearbeitung aus unterschiedlichen Perspektiven erfordert. Auch künftig sollten Projekte mit interdisziplinärer Zusammensetzung daher entsprechend Berücksichtigung finden.

Publikationen

Potenziale im Raumordnungs- und Baurecht für energetisch nachhaltige Stadtstrukturen

Schriftenreihe 36/2016
V. Madner, K. Parapatics, E. Klima, E. Gebetsroither-Geringer, T. Tötzer, M. Köstl, H.-M. Neumann
Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 142 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleitung

Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien)
Forschungsinstitut für Urban Management and Governance

Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen

AIT - Austrian Institute of Technology GmbH - Energy Department

Kontaktadresse

Wirtschaftsuniversität Wien
Forschungsinstitut für Urban Management and Governance
Univ.-Prof. Dr. Verena Madner
Welthandelsplatz 1, Gebäude D3
A-1020 Wien
Tel.: +43 (1) 313 36-4662
E-Mail: verena.madner@wu.ac.at
Web: www.wu.ac.at/urban