Urban Area Parameter – Kennwerte Siedlungsbewertung für Errichtung, Betrieb und Mobilität in klimaverträglichen Siedlungen

Entwicklung und Abstimmung von Kennwerten für die energetische und ökologische Bewertung von Siedlungen auf Basis der Schweizer 2000-Watt-Arealzertifizierung. Die Ergebnisse bilden einen weiteren Baustein zum Aufbau eines Qualitätssicherungssystems für Siedlungen ähnlich der klimaaktiv Deklaration für Gebäude bzw. der e5 Zertifizierung für Gemeinden.

Kurzbeschreibung

Ausgangssituation/Motivation

"Die bisherigen Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor legen nahe, dass die Optimierung von Gebäuden alleine zur Zielerreichung nicht ausreichend ist. Der notwendige nächste Schritt muss die Optimierung von Gebäudeverbünden / Siedlungen / Grätzeln inklusive des durch diese bedingten Ressourcenbedarfs für Energieversorgung, Mobilität und Infrastruktur umfassen." Diese zentrale Erkenntnis wurde im Sondierungsprojekt „Zertifizierung von Siedlungen" gewonnen (Trebut et al., 2014).

In der Schweiz ist mit der 2000-Watt-Arealzertifizierung ein System zur integralen Planung, Bewertung und Qualitätssicherung von Neubausiedlungen bereits seit einigen Jahren erfolgreich in Anwendung.

Im Rahmen des Pilotprojekts „Potentialanalyse – 2000 Watt Areal" wurde deshalb die Anwendbarkeit des Schweizer Systems auch in Österreich im Praxistest geprüft (Trebut et al., 2016).

Zentrale Erkenntnis aus drei Pilotzertifizierungen in Österreich war, dass sich dieses System grundsätzlich auch für die Bewertung der Klimaverträglichkeit von Siedlungen in Österreich eignen würde. Dazu wäre aber die Anpassung von zentralen Bausteinen an die Österreichischen Rahmenbedingungen erforderlich (z.B. Richt- und Zielwerte, qualitative Kriterien, Organisationsstrukturen). Ein Teil der erforderlichen Anpassungen wurde im Rahmen des vorliegenden Projekts umgesetzt.

Inhalte und Zielsetzungen

Inhalt des Projekts „Kennwerte Siedlungsbewertung für Errichtung, Betrieb und Mobilität in klimaverträglichen Siedlungen – UrbanAreaParameters" ist die Ableitung von spezifischen Richt- und Zielwerte für die Bewertung der Klimaverträglichkeit von Neubausiedlungen unter Berücksichtigung der Österreichischen Rahmenbedingungen.

Neben der Bewertung der Betriebsenergie für

  • Heizen,
  • Warmwasserbereitung,
  • Lüftung,
  • Hilfsenergie,
  • Beleuchtung,
  • sonstiger Betriebsstrom,

ermöglichen die Richt- und Zielwerte auch die integrale Bewertung der Grauen Energie der Gebäude (Umweltwirkung von Herstellung, Errichtung, Ersatz und Entsorgung der Baustoffe) als auch die Bewertung der Alltagsmobilität in Siedlungen (Mobilität mit Österreichbezug, Personen ab 6 Jahren).

Methodische Vorgehensweise

Die Richt- und Zielwerte wurden einerseits Top-Down abgeleitet (Übersetzung der nationalen Zielwerte auf Siedlungsebene; Basis: nationale Statistiken) und andererseits auf Basis eines Bottom-Up-Ansatz validiert (was ist technisch überhaupt machbar; Basis: Modellgebäude und Mobilitätsbefragungen).

Die Ergebnisse wurden schließlich im Rahmen eines Qualitäts-sicherungsprozesses mit Österreichischen ExpertInnen diskutiert und finalisiert.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Grundsätzlich ergeben sich die für Siedlungen relevanten Richt- und Zielgrößen aus der flächenmäßigen Gewichtung von Richt- und Zielwerte der jeweiligen Gebäudekategorie und der jeweiligen Verwendungszwecke Graue Energie und Betriebsenergie von Gebäuden sowie Graue Energie und Betriebsenergie der Alltagsmobilität.

Für Wohn-, Büro- und Schulgebäude und für die Indikatoren Primärenergie und THG-Emissionen wurden zu diesem Zweck Richtwerte für die einzelnen Verwendungszwecke und Zielwerte für die einzelnen Gebäudekategorien abgeleitet.

Dabei gilt: Die Zielwerte, welche aus dem Szenario Erneuerbare Energie abgeleitet wurden (Datengrundlage: Umweltbundesamt GmbH 2, 2016), müssen eingehalten werden, falls die Siedlung klimaverträglich errichtet werden soll (Definition Klimaverträglichkeit: Die für die Errichtung und den Betrieb erforderlichen Energieaufwendungen bzw. emittierten Emissionen sind so gering, dass die Erreichung des 2°C Klimaziels möglich ist).

Die Richtwerte für die einzelnen Verwendungszwecke hingegen können punktuell auch überschritten werden und dienen als Orientierungswert.

Im Rahmen dieses Projekts wurden einerseits Richtwerte ermittelt, welche in der Regel eine Vielzahl von Baustoff- bzw. Gebäudetechnikvarianten zulassen. Im Mobilitätsbereich sind bei dieser Variante auch optimierte Mobilitätskonzepte in (ländlichen) Gebieten mit Basiserschließung zugelassen (Typ 24). Die übergeordneten Zielwerte – welche Top-Down durch das Szenario Energiebare Energie vorgegeben wurden – können bei genauer Einhaltung dieser Richtwerte jedoch nicht eingehalten werden.

Dem gegenüber stehen ambitioniertere Richtwerte, welche in der Regel nur den Einsatz der CO2-ärmsten Baustoff- und Gebäudetechnikvarianten (z.B. Fernwärme, Wärmepumpen) bzw. im Mobilitätsbereich nur optimierte Mobilitätskonzepte in (städtischen) Gebieten mit hochrangiger ÖV-Erschließung zulassen (Typ 92); die übergeordneten Zielwerte – welche Top-Down durch das Szenario Energiebare Energie vorgegeben wurden – können bei genauer Einhaltung dieser Richtwerte eingehalten werden.

Bei der Planung von Siedlungsprojekten sollte daher in einem ersten Schritt immer überlegt werden, welches übergeordnete Ziel man erreichen möchte. Wenn dies die Errichtung einer klimaverträglichen Siedlung ist, bedeutet dies automatisch den Bezug auf die Top-Down – aus dem Szenario Erneuerbare Energie abgeleiteten – Zielwerte. Diese können erreicht werden, wenn in allen Verwendungszwecken die Optimierungspotentiale genutzt werden.

Ausblick

Anhand der vorliegenden Ergebnisse ist es erstmals möglich, die Klimaverträglichkeit von Neubausiedlungen unter Berücksichtigung der Österreichischen Rahmenbedingungen zu bewerten. Aus ExpertInnensicht

  • können die erarbeiteten Richt- und Zielwerte sehr gut zu Planungs- und Diskussi-onszwecken herangezogen werden;
  • sind auch die Detailergebnisse (Ergebnisse aller Variantenstudien; Unterschied aufgrund der Bauweise, der Gebäudetechnik und dem Standort) als zentrale Ergebnisse anzusehen, da diese die Bandbreite der erzielbaren Werte in den drei Verwendungszwecken Graue Energie, Betriebsenergie und Alltagsmobilität für verschiedene Siedlungskonzepte aufzeigen (Einfamilienhaussiedlungen, verdichteter Wohnbau, Büro- und Schulgebäude, Siedlungen am Land, Siedlungen in der Stadt);
  • sollten die Richt- und Zielwerte in ein Planungstool übergeführt werden, in welchem verschiedene Systemkombinationen ausgetestet und als Planungs- und Entscheidungsgrundlage herangezogen werden könnten;
  • sollten die Richt- und Zielwerte qualitative Kriterien und einem Beratungs- bzw. Qualitätssicherungsprozess ergänzt werden, um eine umfassende und integrale Planung und Bewertung von Neubausiedlungen vornehmen zu können.

Publikationen

Richt- und Zielwerte für Siedlungen zur integralen Bewertung der Klimaverträglichkeit von Gebäuden und Mobilitätsinfrastruktur in Neubausiedlungen

Entwicklung und Abstimmung von Kennwerten für die energetische und ökologische Bewertung von Siedlungen auf Basis der Schweizer 2000-Watt-Arealzertifizierung. Die Ergebnisse bilden einen weiteren Baustein zum Aufbau eines Qualitätssicherungssystems für Siedlungen ähnlich der klimaaktiv Deklaration für Gebäude bzw. der e5 Zertifizierung für Gemeinden. Schriftenreihe 39/2017

Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 118 Seiten

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Projektbeteiligte

Projektleitung

SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen

Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen

  • IBO – Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH
  • Research Studios Austria Forschungsgesellschaft mbH
  • Energieinstitut Vorarlberg

Kontaktadresse

Oskar Mair am Tinkhof
Schillerstraße 25
Tel.: +43 (662) 62 34 55-32, +43 (662) 62 34 55-15
E-Mail: oskar.mairamtinkhof@salzburg.gv.at
Web: www.sir.at