Energieschwamm Bruck an der Mur

Im Sondierungsprojekt für die Stadtregion Bruck/Oberaich "Energie­schwamm Bruck" wurden klare Grundlagen zur Entwicklung und Flexibilisierung des zukünftigen kommunalen Energiesystems in Form eines Energieentwicklungskonzeptes und eines Katasters möglicher Umsetzungsprojekte erarbeitet. Aus dem für Bruck angewendeten, strukturellen Lösungsprozess wurde eine allgemein gültige Lösungsmethode für Städte mit 10.000-25.000 Einwohnern abgeleitet.

Kurzbeschreibung

Ausgangssituation/Motivation

Für kleine bis mittlere Städte mit 10.000-25.000 Einwohnern gilt, dass die Entwicklung im Bereich der netzgebundenen Energieversorgung der Stadt nicht im selben Ausmaß betrieben wurde, wie die Stadtentwicklung an sich. Während auf Stadt- bzw. Stadtquartierebene in der Regel klare Strategien hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung bestehen, ist diese strategisch wichtige Grundlagenarbeit im Bereich der kommunalen Energieversorgung noch nicht erfolgt.

Inhalte und Zielsetzungen

Das primäre Ziel des Sondierungsprojekts "Energieschwamm Bruck" für die Stadtregion Bruck an der Mur und Oberaich war die Schaffung von klaren Grundlagen zur Entwicklung und Flexibilisierung des zukünftigen kommunalen Energiesystems. Die Stadt Bruck/Mur mit über 15.000 Einwohnern eignet sich, als Industriestandort und Verkehrsknotenpunkt mit ihren vielen unterschiedlichen Energieträgern, besonders gut als Testfeld zur Entwicklung einer integrativen, smarten Energieversorgung.

In diesem Sondierungsprojekt werden neben der technologischen Ebene auch organisatorische und marktbezogene Fragestellungen, wie zum Beispiel strategische Entwicklungsmöglichkeiten von kommunalen Energieversorgern oder die Akzeptanz von neuen Technologien, transdisziplinär untersucht. Begleitend dazu wurde auch eine allgemeingültige Lösungsmethode für Städte mit 10.000-25.000 Einwohnern erstellt.

Methodische Vorgehensweise

Das Projekt ist in drei sequenziell abzuarbeitende Teile gegliedert. Zunächst wird der Status Quo des heutigen Energiesystems in Bruck an der Mur aufgenommen sowie mögliche Potentiale hinsichtlich zu integrierender erneuerbarer Energieströme bzw. die Notwendigkeit eines Netzausbaus erhoben.

Die Abbildung von Energieverbrauch, -erzeugung und der erneuerbaren energetischen Potentiale erfolgte mittels eines eigens dafür entwickelten zellularen Ansatzes zeitlich und örtlich aufgelöst. Auf dem Status Quo aufbauend werden drei Entwicklungsszenarien für das Energiesystem in Bruck an der Mur erarbeitet, die Möglichkeiten für die zukünftige Entwicklung des kommunalen Energiesystems darstellen. Diese werden sowohl energetisch als auch wirtschaftlich und aus Nachhaltigkeitsperspektive bewertetet.

Im dritten Teil wird, basierend auf den bereits ermittelten Ergebnissen, ein Kataster möglicher Umsetzungsprojekte in Bruck an der Mur definiert. Zusätzlich werden die im Projekt verwendeten Methoden zusammengefasst und verallgemeinert. Unter deren Anwendung sollen für andere Stadtregionen jeweilig stimmige, energiesystemische Entwicklungsstrategien erarbeitet werden können.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Die Energieversorgung (Strom, Gas, Wärme) der Stadt Bruck an der Mur erfolgt durch unterschiedliche Marktteilnehmer (Stadtwerke Bruck, Brucker Biofernwärme, Energie Steiermark, private Kleinwasserkraftwerke und private PV Anlagen), die sich kommunalen aber auch privat­wirtschaftlichen Markmechanismen unterwerfen müssen und daher mit unterschiedlichen Erfolgsfaktoren und Umsetzungshemmnissen konfrontiert sind. Die Ergebnisse der drei untersuchten Szenarien zeigen mögliche zukünftige Entwicklungsrichtungen des Energiesystems in Bruck/Mur.

Im ersten Szenario, dem Net-System, wurde die erhöhte Einbindung von PV-Strom ins Stromnetz und die dabei erreichbaren Eigendeckungsgrade untersucht. In Bruck/Mur stehen eine Vielzahl an geeigneten Dachflächen zu PV-Stromerzeugung zur Verfügung, nur ein sehr geringer Anteil davon wird derzeit genutzt.

Je nach Nutzung der zur Verfügung stehenden Flächen kann der Eigendeckungsgrad der Stromversorgung von derzeit 27% auf 55% erhöht werden, bei der Nutzung von Flexibilitätsoptionen sogar auf bis zu 68%. Obgleich für Bruck ein großes Potenzial für die Einspeisung von Photovoltaik ermittelt wurde, ist auf Grund von aktuellen Gegebenheiten (Preis, Förderungen, etc.) auf Haushaltsebene eine Volleinspeisung der erzeugten Energie tendenziell aus ökonomischer Perspektive nicht vorteilhaft. Somit ist der Einsatz von entsprechenden Speichern, nicht nur auf der Haushaltsebene sondern im System gesamt, ein wichtiges Thema.

Mit dem Einsatz eines Speichers auf Haushaltsebene kann die Eigenverbrauchsdeckung maßgeblich erhöht werden, was die Nutzung von solarer Energie auch aus ökonomischer Perspektive attraktiver macht. Da derzeit die Investitionskosten für solche Speichertechnologien noch relativ hoch sind, bietet dies einen Anknüpfungspunkt für Unternehmen, solche Speicher eventuell zentral zur Verfügung zu stellen und Haushalte miteinzubinden.

Im zweiten Szenario wurde die Substitution von Erdgaskesseln zur Wärmebereitung in Mehrfamilienwohnhäusern durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen untersucht. Der Wärmebedarf dieser Objekte beträgt 1,7 GWh, neben der Wärme können zusätzlich noch 706 MWh Strom erzeugt werden. Die Primärenergieeffizienz der KWK-Anlagen beträgt 95%. Wird dieselbe Strom- bzw. Wärmemenge aus dem Netz bzw. durch einen Gaskessel zur Verfügung gestellt, beträgt die Primärenergieeffizienz 77%. Werden diese Heizkessel durch KWK-Anlagen ersetzt, so würden diese einen effizienteren Energieeinsatz ermöglichen, da neben Wärme auch Strom produziert werden könnte (sowohl für Eigenverbrauch als auch für Einspeisung ins Netz).

Zu diskutieren gilt es aber auch bei KWK-Anlagen, welcher Primärenergieträger verwendet wird. Werden die bis dato genützten Heizkessel durch KWK-Anlagen ersetzt, so ergibt sich, basierend auf einer Lebenszyklusanalyse mit der Sustainable Process Index (SPI) Methode, für den Betrieb mit Erdgas bzw. Hackschnitzel eine geringere Flächennutzung bzw. ein geringerer Beitrag zum Treibhausgaseffekt gegenüber dem Status Quo (Status Quo vs. Erdgas: rund 8% weniger Fläche; Status Quo vs. Hackschnitzel: rund 99% weniger Fläche).

Das dritte Szenario beschäftigt sich mit der Einbindung eines Wärmespeichers in das Wärmenetz. Derzeit wird die Wärme durch Abwärme aus einer Papierfabrik sowie zwei Biomassekessel, die nur von November bis März in Betrieb sind, bereitgestellt. Im Modelljahr 2014 betrug der Wärmebedarf 19,7 GWh. Bereits mit einem 150 m³ Speicher, der die Morgen- und Abendspitze abdeckt, ist eine Versorgung basierend rein auf Abwärme möglich.

Ab einer Verbrauchssteigerung von 30% steigt die benötigte Speichergröße signifikant an, es müssen dann schon Über- bzw. Unterdeckungen von längeren Zeiträumen ausgeglichen werden. Das Speicherszenario fokussiert primär auf zwei Akteure des Systems, Biofernwärme und Norske Skog und kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Wärmebedarf in Bruck steigen sollte.

Abschließend wurde ein Umsetzungskataster mit Vorschlägen für unterschiedliche Technologien und deren technologische Marktreife erstellt. Für jedes der untersuchten Szenarien stehen schon marktreife Technologien zur Verfügung. Zusätzlich wurden Vorschläge für Geschäftsmodelle erarbeitet. Die im Projekt angewendeten Methoden wurden verallgemeinert und stehen zur Anwendung auf andere Städte vergleichbarer Größenordnung zur Verfügung.

Ausblick

Im Projekt "Energieschwamm Bruck/Mur" wurden drei unterschiedliche Entwicklungsszenarien für eine zukünftige Energieversorgung aus regionalen Quellen aufgezeigt. Alle Szenarien erhöhen die energetische Unabhängigkeit der Stadt Bruck an der Mur. Ebenso erhöhen sie die Ressourceneffizienz und senken die CO2-Emissionen. Durch eine bedarfsgerechte Nutzung der vorhandenen lokalen Ressourcen können unerwartet hohe Eigendeckungsgrade erreicht werden. Da die angewendeten Werkzeuge und Methoden universell anwendbar sind, können aus den erzielten Ergebnissen Richtwerte für vergleichbar geprägte Mittelzentren abgeleitet werden.

Dieses Projekt bildet somit eine solide Basis für eine ganzheitliche und transdisziplinäre Betrachtung von kommunalen Energiesystemen, in der sowohl technische als auch sozio-ökonomische Einflussfaktoren berücksichtigt und bewertet werden können. Zudem wurden Werkzeuge und Methoden wie zum Beispiel der zellulare Ansatz entwickelt, die in weiteren Projekten Anwendung finden.

Publikationen

Energieschwamm Bruck

Im Sondierungsprojekt für die Stadtregion Bruck/Oberaich "Energie­schwamm Bruck" wurden klare Grundlagen zur Entwicklung und Flexibilisierung des zukünftigen kommunalen Energiesystems in Form eines Energieentwicklungskonzeptes und eines Katasters möglicher Umsetzungsprojekte erarbeitet. Aus dem für Bruck angewendeten, strukturellen Lösungsprozess wurde eine allgemein gültige Lösungsmethode für Städte mit 10.000-25.000 Einwohnern abgeleitet. Schriftenreihe 15/2019
L. Kriechbaum, B. Böckl, T. Kienberger, N. Wohltran, R. Hermann, M. Fritz, R. Rauter, R. Baumgartner
Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 62 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleitung

  • Univ.-Prof. Dr. Thomas Kienberger, Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Energieverbundtechnik
  • Mag. Ing. Robert Hermann, Montanuniversität Leoben, Außeninstitut

Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen

  • Stadtwerke Bruck an der Mur GmbH
  • Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung
  • Brucker BIO Fernwärme GesmbH
  • Stadtgemeinde Bruck an der Mur

Kontaktadresse

Montanuniversität Leoben
Franz-Josef-Straße 18
A-8700 Leoben

Wissenschaftliche Projektleitung

Univ.-Prof. Dr. Thomas Kienberger, Lehrstuhl für Energieverbundtechnik
Tel.: +43 (3842) 402 - 5400
E-Mail: thomas.kienberger@unileoben.ac.at

Projektkoordination und -management

Mag. Ing. Robert Hermann, Außeninstitut der Montanuniversität Leoben
Tel.: +43 (3842) 402 - 8409
E-Mail: robert.hermann@unileoben.ac.at
Web: www.unileoben.ac.at