CiQuSo Stadtquartiere mit optimierten solar-hybriden Heiz- und Kühlsystemen
Kurzbeschreibung
Ausgangssituation/Motivation
Ambitionierte politische Vorgaben sowie die formulierten Klima- und Energieziele Österreichs können erreicht werden, wenn Städte als Hauptenergienutzer und Verursacher von Treibhausgasemissionen, die notwendige Transformation zur Nutzung erneuerbarer Energieträger, insbesondere der Solarenergie maßgeblich mitgestalten und umsetzen. Folglich ist die Quartiersplanung mit den Zielsetzungen der Implementierung städtischer Energieeffizienz, der urbanen Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie der Verwendung ökologischer Baumaterialien ein wirksamer Hebel und diese ist gegenwärtig einem starken Diskurs in der Wissenschaft, Politik und Praxis ausgesetzt. Städte nutzen derzeit ihre Nachhaltigkeitspotenziale (Reduktion der Treibhausgasemissionen, Reduktion des Endenergieverbrauchs und Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger) bei Weitem nicht aus. Städte sind jene Orte, in denen die großen Transformationen ausgelöst und gelebt werden, in denen Innovation zum Tragen kommt und die eine substantielle Dichte an AkteurInnen besitzen, um die notwendigen Handlungen und Maßnahmen umzusetzen.
In diesem Zusammenhang spielt die umfassende Nutzung der solaren Energie in der Stadtplanung eine essentielle Rolle. In der ENERGIE Forschungs- und Innovationsstrategie für Österreich 2017 wird die Vision für Gebäude und Quartiere klar beschrieben: „Plus-Energie-Quartiere sind der Baustandard und gleichzeitig ein fixer Bestandteil von attraktiven und lebenswerten urbanen Gebieten und Städten." Um dieser Vision näher zu kommen, bedarf es Forschungs- und Umsetzungsprojekte, die belastbare Grundlagen zu den technischen Systemlösungen zur verstärkten Nutzung des urbanen Solarenergiepotenzials liefern. Der vorliegende CiQuSo-Endbericht versteht sich als Beitrag, um in der frühen Entwicklungsphase der Quartiersplanung erste Grundlagen zu möglichen Technologiesystemlösungen mit solarem Heizen und Kühlen auf Stadtquartiersebene bereitzustellen.
Inhalte und Zielsetzungen
Die Hauptzielsetzung des abgeschlossenen ‚Stadt der Zukunft'-Projektes der ersten Ausschreibung war die Entwicklung, Evaluierung und Optimierung eines Vorplanungstools für Systemlösungen zum solaren Heizen und Kühlen auf Stadtquartiersebene. Dazu stand die Entwicklung einer Methode im Vordergrund, die rasch optimale urbane solare Systemlösungen auf Quartiersebene aufzeigt. Dank dieser Methode sollen in der frühen Entwicklungsphase von Quartiers- bzw. Stadtteilprojekten die Potenziale einer optimierten Solarenergienutzung zur urbanen Wärme- und Stromversorgung quantifiziert werden.
Die Quartiersoptimierung soll aus vielen möglichen Technologiekombinationen geeigneter solarhybrider Heiz- und Kühlsysteme für eine definierte Gebäudenachbarschaft (Quartier) jene identifizieren, die unter Berücksichtigung des gebäudeübergreifenden Energieaustausches (Strom und Wärme) zu besten Resultaten hinsichtlich eines gewählten Zielparameters (Endenergieverbrauch, CO2-Emission, nicht erneuerbarer Primärenergieverbrauch, etc. des Quartiers) führt. Die Funktionalität der entwickelten Methode zur solaren Quartiersoptimierung wurde anhand einer beispielhaften Gebäudenachbarschaft aus dem Salzburger Stadtteil Itzling demonstriert.
Methodische Vorgehensweise
Grundsätzlich zeichnet sich ein Quartier durch die Vielfalt seiner unterschiedlichen Gebäudetypen, seiner Energieversorgungssysteme und seines Energiemanagements durch Komplexität aus. Für die Quartiersoptimierung mit rechnergestützten Verfahren entscheidet der Modellierungsansatz über die notwendige Simulationszeit und die erzielbare Ergebnisgüte. Nach dem Stand der Technik ist die Co-Simulation von geeigneten Expertentools ein möglicher Lösungsansatz, um eine Quartiersoptimierung computergestützt umzusetzen. Dieser methodische Ansatz zieht einen hohen Modellierungsaufwand nach sich und lange Rechenzeiten zur Identifikation optimaler Technologiekombinationen sind die Folge.
Im Gegensatz dazu fußte die zunächst zu entwickelnde CiQuSo-Methode der solaren Quartiersoptimierung auf generisch vereinfachten Ersatzmodellen. Diese angestrebte Methode besteht aus drei Hauptblöcken:
- Vereinfachte Gebäudemodelle: Diese sind vereinfachte generische Ersatzmodelle und bilden das thermische Gebäudeverhalten ausgewählter Gebäudetypen ab.
- BlackBox-Modelle: Diese sind mathematische Ersatzmodelle und bilden das energetische Anlagenverhalten der definierten solaren Heiz- und Kühlsysteme (SH&K) ab.
- Vernetzer-Algorithmus: Dieser weist den Gebäuden eines Stadtquartiers jeweils ein solares Heiz- und Kühlsystem zu und führt einen Optimierungs-Algorithmus aus.
Insbesondere zur Ersatzmodellerstellung für die vereinfachte Abbildung des dynamischen Betriebsverhaltens solarer Heiz- und Kühlsysteme wurde Neuland betreten und künstliche neuronale Netze (KNN) und Entscheidungsbäume (Decision Trees) wurden zur BlackBox-Modellierung angewendet, analysiert und optimiert. Weiters wurde ein vernetzender Quartiers-Algorithmus entwickelt, welcher den Gebäuden des Stadtviertels jeweils ein solares Heiz- und Kühlsystem zuweist und einen Optimierungs-Algorithmus ausführt. Die Quartiersoptimierung kann gleichzeitig folgende Optimierungsziele unabhängig voneinander berechnen:
- Thermische Eigenverbrauchsoptimierung, d.h. möglichst wenig thermischen Bedarf aus dem Fernwärmenetz für das Quartier beziehen
- Elektrische Eigenverbrauchsoptimierung, d.h. möglichst wenig elektrischen Bedarf aus dem elektrischen Netz für das Quartier beziehen
- Primärenergie-Optimierung, d.h. mit welcher Konfiguration ist die benötigte Primärenergie im Quartier am geringsten?
- CO2-Optimierung, d.h. mit welcher Konfiguration sind die CO2-Emissionen im Quartier am geringsten?
- Ökonomische Optimierung, d.h. mit welcher Konfiguration können obige Ziele mit minimalsten Kosten (Annuitäten) erzielt werden?
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Zusammenfassend wurden folgende Ergebnisse erreicht:
- Untersuchte, evaluierte und optimierte energieeffiziente Systemlösungen zur solaren Energieversorgung auf Gebäude- und Stadtquartiersebene. Diese wurden in entsprechender Simulationsumgebung modelliert und das energetische Betriebsverhalten wurde simuliert und ausgewertet. Für jede gerechnete solare Systemlösung wurde das thermische bzw. elektrische Lastverschiebepotenzial quantifiziert und die Systeme wurden ökologisch, energetisch und wirtschaftlich bewertet.
- Erstellte und modellierte solarhybride Energiesysteme basierend auf Photovoltaik und Solarthermie für Stadtquartiere.
- Entwickelte, untersuchte und angewendete Methode zur Quartiersoptimierung unter Berücksichtigung des gebäudeübergreifenden Energieaustausches (Wärme und Strom). Vom ersten Ansatz vereinfachte Ersatzmodelle sowohl für die Abbildung des thermischen Gebäudeverhaltens als auch des energetischen Betriebsverhaltens der solaren H&K-Systeme zu erstellen und diese für die Quartiersoptierung auszuführen, musste aufgrund nichtausreichender Abbildungsgüte zu den Referenzdaten Abstand genommen werden. Die CiQuSo-Methode wurde daraufhin angepasst und alternativ greift der Vernetzer-Algorithmus zur Optimierung auf die Basismodelle und ihre Ergebniszeitreihen der Simulationsumgebungen EnergyPlus (Gebäude) und TRNSYS (SH&K-Systeme) zurück.
- Durchgeführte Machbarkeitsstudie zur solaren Wärmeversorgung der Salzburger Goethesiedlung durch eine Großkollektoranlage. Die Ergebnisse umfassen einerseits einen Dimensionierungsvorschlag und die Integration eines saisonalen Speichers mit thermischer Absorptions-Wärmepumpe und andererseits die energetische Bewertung.
- Demonstrierte Anwendbarkeit der entwickelten CiQuSo-Methode durch ausgewählte Gebäudenachbarschaften innerhalb des Salzburger Stadtquartiers Itzling. Zur Darstellung der Funktionalität und Leistungsfähigkeit der alternativ umgesetzten CiQuSo-Optimierungsmethode wurden sechs Gebäude als Repräsentanten aus dem Itzlinger Quartier ausgewählt. Aus mehreren zehntausend möglichen Kombinationen hat der Quartiersoptimierer jene Technologielösungen identifiziert, die zu den geringsten Werten bezüglich der CO2-Emissionen, dem geringsten Primärenergiebedarf (nicht erneuerbarer Anteil) und den geringsten Strom- und Wärmeimporten ins Quartier führen bzw. mittels Annuitätenmethode ökonomisch im Vergleich zu Referenzsystemen bewertet. Vergleichsszenarien wurden definiert und mit den besten Datensätzen auf Gebäudeebene jeweils dem Optimierungsfall gegenübergestellt. Insbesondere die modellierten solarhybriden Heiz- und Kühlsysteme liefern für Quartierslösungen vielversprechende Ergebnisse.
- Ein arbeitsfähiges webbasiertes CiQuSo-Visualisierungstool (Prototyp) zur interaktiven Demonstration der entwickelten Methode zur Quartiersoptimierung und Illustration der vorausberechneten Ergebnisse wurde entwickelt.
Ausblick
Prinzipiell konnte die Funktionalität und Leistungsfähigkeit des entwickelten CiQuSo-Frameworks nachgewiesen werden. Für nachgelagerte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erscheint die Weiterentwicklung des CiQuSo-Frameworks 2.0 durch den Aufbau vereinfachter, mathematisch-physikalisch formulierter Modelle zur Abbildung des thermischen Gebäudeverhaltens und des energetischen Betriebsverhaltens der Gebäudetechniksysteme zielführend. Die generelle Herausforderung liegt darin einen ausgewogenen Kompromiss zu finden zwischen akzeptabler Rechenzeit und ausreichender Flexibilität hinsichtlich Systemkonfiguration und Berechnungsgüte der vereinfachten Modelle.
Aufgrund der nationalen Förderschwerpunkte im Programm Stadt der Zukunft in Richtung Plus-Energie-Quartiere ist zu erwarten, dass Quartiersprojekte mit solarhybriden Technologielösungen und den dazugehörigen Infrastrukturen zum gebäudeübergreifenden Energieaustausch vorbereitet und Umsetzungsprojekte gestartet werden. Es wird zur Fragestellung der energetischen Quartiersoptimierung kommen und methodische Ansätze und ausgewählte grundlegende Ergebnisse des durchgeführten CiQuSo-Projektes bilden eine erste Wissensgrundlage dazu.
Publikationen
Stadtquartiere mit optimierten solar-hybriden Heiz- und Kühlsystemen (CiQuSo)
Das Forschungsansuchen untersucht, evaluiert und optimiert effiziente Systemlösungen zur solaren Energieversorgung auf Gebäude- und Stadtquartiersebene. Die Anwendbarkeit der entwickelten Konzepte wird am Beispiel des Salzburger Stadtquartiers Itzling demonstriert.
Schriftenreihe
23/2019
T. Selke, P. Horn, S. Hauer, J. Peters-Anders, A. Thür, A. Goritschnig, W. Doll J. Furtner, B. Kaiser
Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 81 Seiten
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AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Energy Department
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