BIMaterial Prozess-Design für einen BIM-basierten, materiellen Gebäudepass

Generierung des materiellen Gebäudepass (MGP) - Dokumentation der materiellen Zusammensetzung eines Bauwerkes, die quantitative und qualitative Auskunft über die relevanten Rohstoffe in einem Bauwerk gibt. Als Information und Datenbasis für das MGP wurde die Building Information Modelling Methode und ein digitales Gebäudemodell verwendet. Als Ergebnis wurde ein Pflichtenheft für eine BIM-basierte MGP App geschaffen werden.

Kurzbeschreibung

Derzeit stellen Siedlungen und Infrastrukturen den größten Materialbestand in einer industriellen Volkswirtschaft dar, wobei diese Materialbestände für wesentliche Rohstoffe global gesehen bereits ähnlich groß, wie die derzeit wirtschaftlich abbaubaren Primärlagerstätten, sind. Um eine weitere Ausbeutung der Primärressourcen zu reduzieren, stellt die Bewahrung oder das Recycling urbaner Lager ein signifikantes Volkswirtschaftliches Ziel dar. Zudem wird ein großer Anteil von Baumaterialien am Ende des Lebenszyklus zu Abfallprodukten, weshalb bereits in frühen Planungsphasen die spätere Wiederverwertung oder Wiederverwendungsstrategie berücksichtigt werden muss. Design-zentrische Werkzeuge sind notwendig um den gesamten Lebenszyklus der Gebäude bzgl. Ressourceneffizienz aber auch Umwelteinwirkungen zu prognostizieren und optimieren. Neue digitale Werkzeuge wie BIM basierte Workflows und Werkzeugketten ermöglichen durch die informationsreiche 3D Gebäude- und Datenmodelle die Durchführung von Analysen und Optimierungen bereits in frühen Planungsphasen. Im Projekt BIMaterial stellt der BIM-basierte materielle Gebäudepass (MGP) solch ein Werkzeug dar, welches die qualitative und quantitative Bewertung, Optimierung und Inventarisierung der materiellen Zusammensetzung als auch des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes ermöglicht.

Der MGP hat mehrere Funktionen: es ist ein Planungs-und Optimierungswerkzeug in Hinsicht auf den effizienten Materialeinsatz und späteren Rückbau, eine Dokumentation der notwendigen materiellen Information für das Recycling von Bauwerken am Lebensende und dient als Grundlage für einen urbanen Rohstoffkataster auf Stadt-Ebene. Im Projekt wurde eine Methodik für die Erstellung der BIM basierten MGPs erstellt; sowie der Workflow für die Kopplung der digitalen Werkzeuge – BIM, Öko-und Recycling-Datenbanken und Materialdatenbank- und Analysewerkzeug BuildingOne, definiert.

Ausgangssituation/Motivation

Forschungsergebnisse auf dem Gebiet des regionalen Stoffhaushaltes zeigen, dass die Materialbestände für wesentliche Rohstoffe global gesehen bereits ähnlich groß sind wie die derzeit wirtschaftlich abbaubaren Primärlagerstätten. Um einer weiteren Ausbeutung der Primärressourcen vorzubeugen, müssen urbane Lager bewahrt und rezykliert werden. Diese Strategie wird häufig mit dem Begriff des Urban Mining bezeichnet. Der steigende Verbrauch an Baustoffen bedingt zeitverzögert einen Anstieg des Abfallaufkommens. Deshalb muss in den kommenden Jahrzehnten mit einem signifikanten Anstieg von Baurestmassen gerechnet werden. Das damit verbundene Deponie-Raumproblem kann nur durch hohe Recyclingraten reduziert werden, was wiederum eine genaue Dokumentation der materiellen Zusammensetzung der Baurestmassen erfordert, ein Wissen, das derzeit nur nicht ausreichend vorhanden ist. Die Recyclingfähigkeit ist auch vom Technologiefortschritt und den Rohstoffpreisen abhängig und ist somit zeitlich variabel. Zudem ist die Recyclingfähigkeit auch von konstruktiven Eigenschaften, wie Zugänglichkeit und Trennbarkeit der Bauteile und Bauteilschichten abhängig. Durch die Wahl der Materialien, Zugänglichkeit und Trennbarkeit, haben die frühesten Planungsphasen den größten Einfluss auf die Reduktion des Abfallaufkommens, die Wiederverwendbarkeit der Bauelemente bzw. die Steigerung des Recyclingpotentials. Da Architekten und Planer die Wahl der Materialien und Konstruktionen treffen, tragen sie große Verantwortung und benötigen dementsprechende design-zentrische Methoden und Werkzeuge, welche eine Optimierung der materiellen Zusammensetzung durch Evaluierung der Recyclingfähigkeit bereits in der Entwurfsphase ermöglichen würden. Die neuen digitalen Planungswerkzeuge, wie Building Information Modeling (BIM) ermöglichen ein lebenszyklisches Datenmanagement und bergen somit großes Potenzial für die Generierung eines MGP.

Inhalte und Zielsetzungen

Projektziel ist es, eine Methodik zu entwickeln, welche die semi-automatisierte Erstellung eines materiellen Gebäudepasses (MGP), durch Nutzung von digitalen Planungswerkzeugen, ermöglicht. Somit soll das Proof of Concept für den MGP als geeignete Daten-Basis für die Optimierung der Planung, sowie die Durchführung von Variantenstudien und die Dokumentation von verbautem Material, durchgeführt werden. Dafür sollte ein Regelwerk mit Anforderungsparametern für die Generierung einer MGP-Dokumentation mittels bestehender BIM Software geschaffen werden. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass das Vorhandensein eines MGP kurzfristig eine Grundvoraussetzung für die Optimierung der Planung ist und langfristig effektives Recycling ermöglicht, besonders, wenn man die zunehmende materielle Komplexität heutiger Bauwerke bedenkt. Die Existenz eines MGP wird daher zukünftig Standard für zertifizierte Gebäude werden und zudem als Unterstützung für den Aufbau eines Sekundär-Rohstoffkatasters dienen.

Methodische Vorgehensweise

Im ersten Schritt wurde der MGP konzeptuell aufbereitet, sowie die Parametrik und Berechnungsmethodik definiert. Das MGP errechnet somit Recycling und Entsorgungspotential sowie Ökobilanz. Dabei wurde die Struktur und die genaue Funktion des MGP in den unterschiedlichen Lebenszyklusphasen festgelegt. In weiterer Folge wurde der Workflow für die Kopplung mehrerer digitaler Werkezeuge und Datenbanken für die semi-automatisierte Generierung des MGP definiert. Dabei wird das BIM Modell an das Materialinventar- und Analysewerkzeug (BuildingOne) gekoppelt, wo die Öko-Daten verwaltet und den Bauteilen zugeordnet werden. Durch das Proof of Concept anhand eines Use Case wurde die Eignung des so entwickelten Workflows und der Methodik für die Optimierung der Planung als auch für die Dokumentation der Materialität nachgewiesen. Basierend auf den Ergebnissen des Use Case wurde ein Regelwerk erstellt, welches die notwendigen Workflows samt Software und Daten für die Generierung des MGP darstellt.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Im Rahmen des Projekts BIMaterial wurde eine Methodik für die semi-automatisierte Erstellung eines Materiellen Gebäudepasses entwickelt. Dabei wurde das Konzept für die Parametrisierung und Berechnung eines MGP in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen (von Vorentwurf bis Abbruch) entwickelt. Der MGP errechnet somit die Anteile an rezyklierbarem und Abfallmaterial, zeigt die Potentiale für das Recycling und führt eine Ökobilanz durch. Der Workflow für die semi-automatisierte Generierung des BIM-basierten MGP mittels Kopplung digitaler Werkzeuge - BIM, Analyse Werkzeug, Öko-Datenbanken - wurde definiert. Durch die angewendete Methodik wurde ein MGP Dokument generiert, sowie ein Regelwerk für Softwareentwickler, ein Modellierleitfaden für Planer und eine Roadmap für die diversen Stakeholder erstellt.

Das Proof of Concept durch den Use Case zeigt, dass eine semi-automatisierte Erstellung eines MGPs durch BIM Modellierung und Kopplung an digitale Werkezeuge, welche eine Integration von Bauteilkatalogen ermöglichen, erfolgreich ist.

Ausblick

Die durchgeführte Forschung hat gezeigt, dass sich die entwickelte Methodik, welche auf der Kopplung mehrerer digitalen Werkzeuge basiert, für die Erstellung von semi-automatisierten MGPs eignet. Im Rahmen des Projekts fokussierten wir uns auf die Konzept- und Planungsphase, in welcher der MGP als Entscheidungsunterstützungs- und Optimierungswerkzeug in der Planung dient.

Im nächsten Schritt soll die Entwicklung des Plug-Ins als Softwareprodukt für die automatisierte MGP Erstellung herangegangen werden.

Das Proof of Concept für die Generierung des BIM-basierten MGPs hat die Potentiale der Kopplung von unterschiedlichen digitalen Werkzeugen und Datenbanken für die Modellierung und Prädiktion der Materialflüsse auf der Stadt-Ebene aufgezeigt. Die Kopplung von BIM ins GIS würde die prädiktive Modellierung auf der Stadt- Ebene ermöglichen. Die Voraussetzung ist, dass die materielle Zusammensetzung des Bestandes erfasst wird. Dafür müsste man neue digitale Material- und Geometrieerfassungsmethoden testen, als auch die Algorithmen zur semi-automatisierten Generierung der BIM Modelle entwickeln. In einem weiteren Schritt könnten die generierten Materialdokumentationen in GIS verortet werden und dadurch als Sekundärrohstoffkataster dienen.

Publikationen

Prozess-Design für den „Building Information Modeling“ (BIM) basierten, materiellen Gebäudepass BIMaterial

Generierung des materiellen Gebäudepass (MGP) - Dokumentation der materiellen Zusammensetzung eines Bauwerkes, die quantitative und qualitative Auskunft über die relevanten Rohstoffe in einem Bauwerk gibt. Als Information und Datenbasis für das MGP wurde die Building Information Modelling Methode und ein digitales Gebäudemodell verwendet. Als Ergebnis wurde ein Pflichtenheft für eine BIM-basierte MGP App geschaffen werden. Schriftenreihe 8/2019
I.Kovacic, M. Honic, H. Rechberger,L.Oberwinter, K. Lengauer,A.Hagenauer, J. Glöggler, K. Meier
Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 48 Seiten

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Projektbeteiligte

Projektleitung

  • Ass.-Prof. Dr. DI Arch. Iva Kovacic, Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, TU Wien

Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen

  • TU Wien, Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft (TU-FAR)

  • ATP Sustain

  • A-NULL Bausoftware

Kontaktadresse

TU Wien, Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement
Iva Kovacic
Karlsplatz 13/e234-2
A-1040 Wien
Tel.: +43 (0)1 58810 21526
E-Mail: Iva.kovacic@tuwien.ac.at
Web: www.industriebau.tuwien.ac.at