AR-AQ-Bau - Einsatz von Augmented Reality zur Abnahme und Qualitätssicherung auf Baustellen
Kurzbeschreibung
Status
abgeschlossen
Ausgangssituation/Motivation
Die Bauwirtschaft gehört bis dato zu den am wenigsten von der Digitalisierung erfassten Wirtschaftszweigen. Derzeit erfolgen die Baufortschrittsermittlung, die Funktionsüberprüfung und die Bestandsaufnahme meistens noch immer händisch. Als spezieller Fall ist die Haustechnik (HKLS) im Bauwerk zu sehen; sie wurde immer komplexer und ist für bis zu 35 % der Baukosten verantwortlich. Mit dem zunehmenden Einsatz von Building Information Modeling (BIM) folgen auch (langsamer) andere Technologien, wie Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR), Künstliche Intelligenz (KI) etc. (unter Construction 4.0 zusammengefasst). In vielen Studien wird schon der mögliche Mehrwert des Einsatzes von AR hervorgehoben. Das AR-AQ-Bau Projekt fokussiert sich daher auf die Abnahme und Fernunterstützung von HKLS-Systemen mit Hilfe von Augmented Reality.
Für einen breitflächigen Einsatz von AR auf Baustellen herrschte bei den verfügbaren AR-Systemen im Jahr 2018 Forschungsbedarf. Dafür gab es einige Gründe. Damals konnten Daten vom BIM-Modell ins AR-Modell übertragen werden, nicht jedoch wieder zurück. Dies ist besonders für die Qualitäts- und Fortschrittskontrolle wichtig. Die Bedingungen auf Baustellen (Sonneneinstrahlung, Staub, gleichfärbige Oberflächen mit wenigen Erkennungsmerkmalen) erschweren die genauere Lokalisierung der Position (Tracking) der AR-Brille sowie des virtuellen AR-Modells über längere Strecken. Es gibt noch wenige auf das Bauwesen spezialisierte Benutzeroberflächen – und diese nur für Tablets und nicht für AR-Brillen, die für den Baustelleneinsatz aufgrund ihrer für diesen Zweck besseren Bedienbarkeit geeigneter sind.
Zwei Beispiele für die komplexe Haustechnik aus Pilotprojekten in BIM:
Inhalte und Zielsetzungen
Das AR-AQ-Bau-Projekt entwickelte ein fortschrittliches AR-System für die Abnahme von HKLS-Systemen im Bereich der Haustechnik. Im Bauwesen ist das BIM-Modell das zentrale Datenmodell; alle Informationen des BIM-Modells sollen für sämtliche am Bau Beteiligten zur Verfügung stehen und erstmalig in einem Closed-Loop-Ansatz durchgehend aktuell gehalten werden. Durch diese sog. „Closed-Loop-Datenkommunikation" können auf der Baustelle Baufortschritte und Bestandsaufnahmen im AR-Modell gekennzeichnet und damit aktuell gehalten werden. Das Projekt fokussierte dabei auf Interaktionsmöglichkeiten, um Kommentare, Bilder sowie neue Bauteilinformationen ins AR-Modell zu übertragen und dann ins BIM-Modell zurückzuspielen („closed-loop") mittels eines AR-Abnahme-Prototypen. Dadurch sind diese Informationen für alle am Bau Beteiligten jederzeit verfügbar. Mit einem Remote-Expert-System können externe Experter:innen zur Unterstützung der Ausführungskontrolle zugeschalten werden und holografische Elemente (3D-Elemente, Bilder, Markierung) erstellen. Diese Funktionen führen zur Qualitätssteigerung der fertiggestellten Bauwerke, da Fehler erkannt und gemeinsam bearbeitet werden können. Die Personen müssen dabei nicht alle vor Ort sein. Während die erste Positionierung des AR-Modells auch auf Baustellen recht gut funktioniert, stellt das zuverlässige Tracking der AR-Brille sowie des AR-Modells im Baustellenumfeld eine weitere Herausforderung dar. Die derzeit vorhandenen Trackingsysteme kommen mit den schwierigen Verhältnissen auf Baustellen nicht zurecht und müssen daher entsprechend angepasst werden.
Methodische Vorgehensweise
Im ersten Schritt erfolgte eine Anwendungs- und Anforderungsanalyse von Augmented Reality in den Phasen Planen, Bauen und Betreiben – mit dem Schwerpunkt in der Phase Bauen. Anschließend ermittelte das Projektteam mit Unterstützung weiterer Expert:innen die notwendigen Anforderungen an Werkzeuge, Tracking, Layouts und Workflows für die HKLS-Abnahme bzw. für das Remote-Expert-System. Das Projektteam implementierte diese im nächsten Schritt in das AR-Qualitätssicherungstool. Bauexpert:innen (z.B. örtliche Bauaufsicht, Fachplaner:innen, Studierende) testeten sämtliche Entwicklungen (u.a. Datenaustausch, Tracking, Remote-Expert-System, Layouts) praxisnah in Labors sowie auf Baustellen (u.a. Future Art Lab und U-Bahn-Station „An den alten Schanzen"). Dabei evaluierte das Projektteam unter anderem die Baustellentauglichkeit, die Genauigkeit des Trackingsystems, die Einrichtungsdauer des AR-Modells, die Veränderung der Dokumentation, die Nutzerzufriedenheit, eine mögliche Steigerung der Qualität und der Energieeffizienz von Gebäuden auf der Baustelle. Die Ergebnisse flossen wiederum in eine Weiterentwicklung der Software des AR-Tools ein. Das Projekt vereinte hierbei Forschungsexpertisen aus Baubetrieb, AR, BIM-Modellierung sowie internationale Ingenieurserfahrung.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Anwendungsanalyse zeigen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von AR im Baustellenkontext, wobei die Expert:innen sehr hohes Potential bei der Baukontrolle und Mängelaufnahme sehen. Zusätzliches Interesse riefen die Anzeigemöglichkeit von Bauteilinformationen sowie von Kollisionen mit noch zu installierenden Bauteilen inkl. Wartungsraum hervor. Das Projektteam entwickelte einen optimierten Menüpfad für die Benutzeroberfläche zur Eingabe von Mängeln im HKLS-System. Die entwickelte Mängelklassifizierung basiert auf den wichtigen IFC-Klassen und fügt sich ideal ins BIM-Modell ein. Der umgesetzte Closed-Loop-BIM-Exchange-Service erlaubt die Rückspielung von Daten sowohl ins BIM-Modell als auch in eine Facility-Management-Datenbank und unterstützt somit den Bauwerksbetrieb. Die Untersuchungen der neu entwickelten Tracking-Methoden im realen Baustellenumfeld zeigten wesentliche Verbesserungen in der Lokalisierung der AR-Brille und des AR-Modells bei weiten Bewegungen im Raum. Dies ermöglicht den Einsatz in vielen Baustellensituationen. Das entwickelte Remote-Expert-System zur AR-Kommunikation zwischen Baustelle und Remote Experts konnte um wesentliche Funktionen erweitert werden. Dies betrifft vor allem die Interaktionsmöglichkeiten. Eine wesentliche Grundvoraussetzung für den Einsatz des Remote-Expert-Systems stellt eine stabile und sehr gute Internetverbindung dar. Bei Baustellen ist dies leider immer noch nicht in allen Bereichen der Baustelle gegeben. Hier kam es in den Baustellentests dann zu Abbrüchen der Kommunikation und Interaktion. Für den zufriedenstellenden Einsatz des AR-Remote-Expert-Systems ist hier noch Entwicklungsbedarf in der Netzwerktechnologie gegeben.
Augmented Reality ist eine Technologie, die die Vorteile des Einsatzes von BIM auf die Baustelle bringen kann. Viele Prozesse können vereinfacht und optimiert werden. Das in diesem Projekt entwickelte fortschrittliche AR-System für die Abnahme von HKLS-Systemen im Bereich der Haustechnik ist hierzu ein wichtiger Schritt. Weitere Entwicklungen aufbauend auf diesem System können den breitflächigen Einsatz von AR im Bauwesen vorantreiben. Neben den prognostizierten Einsparungen an Schadstoffen durch die Vermeidung nicht mehr notwendiger Fahrten auf die Baustelle zeigten sich während der COVID-19-Pandemie weitere Vorteile im Einsatz von AR. Das Remote-Expert-System erlaubt die Zuschaltung von Expert:innen aus der Ferne, weshalb bei Inspektionen vor Ort weniger Personal direkt auf der Baustelle notwendig ist und Anreisen reduziert werden können.
Projekt-Bilder
Nutzungshinweis: Die unter Projekt-Bilder aufgelisteten Bilder stammen aus den Projekten, die im Rahmen der Programme Stadt der Zukunft, Haus der Zukunft und IEA Forschungskooperation entstanden sind. Sie dürfen unter der Creative Commons Lizenz zur nicht-kommerziellen Nutzung unter Namensnennung (CC BY-NC) verwendet werden.
Publikationen
Einsatz von Augmented Reality zur Abnahme und Qualitätssicherung auf Baustellen (AR-AQ-Bau)
Ziel dieses Forschungsprojektes ist die Entwicklung eines baustellentauglichen Augmented-Reality-(AR)-Systems inklusive eines Remote-Expert-System und eines BIM-Closed-Loop Datenübertragungssystem zur Verbesserung der Bauqualität, Gebäudesicherheit und Energieeffizienz sowie zur Effizienzsteigerung im Baucontrolling.
Schriftenreihe
5/2022
Ch. Schranz, H. Urban, H. Kaufmann, Ch. Schönauer, J. Rattenberger, P. O’Brien, L. Ozeraitis, P. Jaritz
Deutsch, 62 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
TU Wien IBPM, Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik
Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
- FCP Fritsch, Chiari & Partner ZT GmbH
- TU Wien IMS, Institute of Visual Computing and Human-Centered Technology, Arbeitsgruppe für Interactive Media Systems
- ARIOT OG
- Daqri Holographics GmbH & Co KG
Kontaktadresse
DI Harald Urban
Karlsplatz 13/234-1
Tel.: +43 (1) 58801-23419
E-Mail: harald.urban@tuwien.ac.at
Web: https://www.ibb.tuwien.ac.at/home/