TWIN - Digitale Zwillinge für zukunftsfähige Gebäude
Kurzbeschreibung
Motivation und Forschungsfrage
Digitalisierungskonzepte finden im Bauwesen zunehmend Anwendung und sind ein wesentliches Werkzeug zur Erreichung wichtiger Zielsetzungen des "European Green Deals". Ein Beispiel dafür ist Building Information Modeling (BIM), also die Kombination von 3D-Modellen mit umfassenden Informationen zu im Objekt verorteten Entitäten und objektspezifischen Prozessen. Während BIM bereits häufig im Kontext des Entwurfs, der Planung, der Ausführung und des Facility Managements Anwendung findet, stellt die Kombination solcher Modelle mit weiterführenden Echtzeitdaten und Simulationen, also die Realisierung digitaler Zwillinge, noch ein beträchtliches Potential dar, um bestehende Prozesse in den jeweiligen Lebenszyklusphasen eines Gebäudes zu optimieren. Aufgrund der komplexen Strukturen von Bauprojekten und der heterogenen Stakeholder-Landschaft hat sich der Einsatz digitaler Zwillinge, trotz gegebener Vorteile, bisher nicht in der Baupraxis etabliert. Es gilt somit Maßnahmen und Strategien zu entwickeln sowie in weiterer Folge Best-Practices zu demonstrieren, die zu einer stärkeren Anwendung dieses vielversprechenden Ansatzes führen.
Ausgangssituation/Status Quo
Obwohl digitale Zwillinge in anderen Industriesektoren bereits erfolgreich in der Praxis zum Einsatz kommen, werden Anwendungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft bislang primär im Rahmen von Forschungs- und Demonstrationsprojekten untersucht. Das Spektrum reicht dabei von Themen wie Energiemanagement auf Gebäude- und Quartiersebene über die Optimierung von Baustellenlogistik bis hin zur Steigerung der Nutzungs- und Betriebsqualität von Gebäuden mittels modellbasierter Services. Dies unterstreicht, dass digitale Zwillinge auch in der Bau- und Immobilienbranche ein großes Potential haben. Trotz dieses Potentials ist eine Anwendung in der Praxis bisher kaum gegeben. Neben technologischen Herausforderungen spielen dabei auch die spezifischen und oft herausfordernden Rahmenbedingungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft eine Rolle sowie der bisweilen hohe Aufwand bei der Erstellung und Wartung des Zwillings bzw. das entsprechend ungünstige Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen.
Projektinhalte und Zielsetzungen
Die übergeordnete Zielsetzung dieses Sondierungsprojekts bestand daher in der Aufbereitung von Anwendungsfällen digitaler Gebäudezwillinge, die ein hohes Potential zur Überwindung momentan gegebener Herausforderungen und Hemmnisse aufweisen und welche in Folgeprojekten als Best-Practices demonstriert werden können. Dafür wurden folgende konkrete Projektziele verfolgt: Systematisierung, Bewertung, Priorisierung und Bündelung von Use-Cases digitaler Gebäudezwillinge; Ermittlung des Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsbedarfs (FE&D-Bedarf) und Erstellung einer Roadmap zur Umsetzung entsprechender FE&D-Maßnahmen; Vorbereitung von Folgeaktivitäten.
Methodische Vorgehensweise
Dazu wurden im vorliegenden Sondierungsprojekt Anwendungsszenarien digitaler Gebäudezwillinge unter Einbeziehung von Branchen-Stakeholdern im Zuge einer gesamtheitlichen Charakterisierung hinsichtlich ihrer Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) bewertet. Ziel war die Identifikation von ökologisch und ökonomisch erfolgversprechenden Anwendungsszenarien. Um die Durchgängigkeit des Zwillings über Lebenszyklusphasen hinweg zu gewährleisten, wurde auf Realisierungsmöglichkeiten auf Basis offener Systeme und Standards (z.B. IFC) geachtet. Es erfolgte eine Bündelung von kohärenten Anwendungsfällen in Use-Case-Ketten, welche in einem Folgeprojekt untersucht und demonstriert werden sollen. Dazu wurden mittels einer Gap-Analyse bestehende Forschungslücken identifiziert und daraus der FE&D-Bedarf für eine Weiterentwicklung und Demonstration der Use-Case-Ketten formuliert. Zudem wurden übergeordnete Forschungs- und Demonstrationsschwerpunkte (FDS) abgeleitet und in einer Roadmap für weiterführende FE&D-Aktivitäten für digitale Zwillinge zusammengefasst.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Im Projekt wurde zunächst eine systematisierte Zusammenstellung von Anwendungsfällen (Use-Cases) digitaler Gebäudezwillinge erarbeitet, auf deren Basis in weiterer Folge Use-Case-Ketten entwickelt wurden. Die Analyse bestehender Anwendungsfälle ergab, dass vor allem die mangelnde durchgängige (d.h. projektphasenübergreifende) Nutzbarkeit von digitalen Gebäudemodellen ein wesentliches Hemmnis und damit zu lösendes Problem darstellt. Dies führte zur Idee und Entwicklung des Konzepts der Use-Case-Kette und der Ausarbeitung von fünf konkreten Use-Case-Ketten im Rahmen des Projekts. Use-Case-Ketten sind ein neuer Ansatz, der darauf abzielt, Bündel priorisierter Use-Cases zu bilden, welche aufeinander aufbauen und mehrere Stakeholder in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen betreffen. Durch Priorisierung in einem Bauprojekt auf solche Ketten entsteht ein hoher Nutzen für unterschiedliche Projektbeteiligte entlang der Projektphasen und Wertschöpfungskette. Durch Weitergabe und aufbauende synergetische Nutzung des digitalen Zwillings ist ein optimiertes Verhältnis von Nutzen zu Aufwand gegeben. Bei der Erarbeitung der Use-Case-Ketten wurde durch Einbeziehung von Stakeholdern vor allem deren Umsetzbarkeit sowie der zu erwartende Nutzen evaluiert. Das erhaltene Stakeholder-Feedback zeigt, dass die entwickelten Use-Case-Ketten ein hohes technologisches und wirtschaftliches Potential aufweisen und deren Entwicklung und Demonstration in einem Folgeprojekt plausibel, machbar und zielführend ist. Zusätzlich zu den spezifischen FE&D-Maßnahmen für die Use-Case-Ketten wurde der übergeordnete Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrations¬bedarf zur Weiterentwicklung und praktischen Etablierung digitaler Gebäudezwillinge mittels allgemeiner Forschungs- und Demonstrations¬schwerpunkte in einer Roadmap abgebildet.
Ausblick
Die Roadmap ist ein Werkzeug zur zukünftigen Ausrichtung und Gestaltung von Forschungs- und Innovationsaktivitäten im Bereich digitaler Gebäudezwillinge sowohl für Förderstellen hinsichtlich Programmgestaltung als auch für innovative Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Ziel ist es, die in der Roadmap aufgezeigten FE&D-Maßnahmen im Rahmen weiterführender Forschungs- und Demonstrationsprojekte zielgerichtet umzusetzen. Dazu wurden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert. Die Umsetzung könnte beispielsweise in Form von Reallaboren erfolgen, deren Ausgangspunkt wiederum Leitprojekte sein können. Dabei gilt es, die angestrebten und in der Roadmap abgebildeten Innovationsziele anhand repräsentativer Bau- und Immobilienprojekte zu bearbeiten und multiplizierbare und skalierbare Lösungsansätze zu entwickeln und zu demonstrieren.
Publikationen
Digitale Zwillinge für zukunftsfähige Gebäude

Digitale Gebäudezwillinge werden bislang aufgrund eines oft ungünstigen Verhältnisses von Aufwand zu Nutzen kaum in der Praxis eingesetzt. Ziel des Projekts TWIN war es, Anwendungsfälle digitaler Gebäudezwillinge mit hoher ökologischer und ökonomischer Wirkung zusammenzuführen, um darauf aufbauend Anwendungsszenarien mit großem Umsetzungspotential aufzubereiten.
Schriftenreihe
50/2025
Michael Fuchs, Michael Monsberger, Martin Krammer, Moritz Amberger, Gerhard Zucker, Konrad Diwold, Lukas Krammer, Michael Krisper, Alfred Waschl
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 90 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
Univ. Prof. DI Dr. Michael Monsberger, Institut/Unternehmen Technische Universität Graz - Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau
Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen
- AIT Austrian Institute of Technology GmbH
- buildingSMART Austria
- Pro2Future GmbH
- Siemens AG Österreich
Kontaktadresse
Technische Universität Graz
Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau
Univ. Prof. DI Dr. Michael Monsberger
Lessingstrasse 25/III
A-8010 Graz
Tel.: +43 (316) 873 6255
E-Mail: michael.monsberger@tugraz.at
Web: www.ibpsc.tugraz.at