StromBIZ - Demonstrationsprojekte: Geschäftsmodelle dezentrale Stromerzeugung und Distribution
Kurzbeschreibung
Status
abgeschlossen
Kurzfassung
Ausgangssituation/Motivation
Ein Knackpunkt bei der Umsetzung der Energiewende sind Geschäftsmodelle zur Vor-Ort-Nutzung von dezentral regenerativ erzeugtem Strom. Bisher möglich ist dessen Verwertung durch den Liegenschaftseigentümer selbst oder die Einspeisung in das öffentliche Netz. Für die breite Umsetzung sind allerdings – heute erst ansatzweise verfügbare – Modelle erforderlich, wie der erzeugte Strom direkt an Wohnungsmieter, Wohnungseigentümer oder gewerbliche Nutzer auf derselben oder benachbarten Liegenschaften über dezentrale Mikronetze verkauft oder sonst gewinnbringend verwertet werden kann. Dabei kommen unterschiedliche Geschäftsmodelle in Betracht. Ihre Prüfung auf technische, wirtschaftliche und rechtliche Machbarkeit war Gegenstand des Projekts StromBIZ.
Inhalte und Zielsetzungen
Das Projekt hatte die Erabreitung konkreter Geschäftsmodelle zur wirtschaftlich sinnvollen, technisch möglichen und rechtlich zulässigen Vor-Ort-Nutzung von regenerativ erzeugentem Strom zum Ziel. Insgesamt wurden sieben Modelle entwickelt, getestet und dokumentiert:
- Wien-Süd: Porsche-Viertel, Wiener Neustadt
- Neubau Grünes Wohnen
- Pauschaler Nutzungsvertrag
- Wohnungseigentümer-Gemeinschaft als Selbstnutzer
- PV-Genossenschaft
- Kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe der PV-Erträge an Haushalte
- Supermarkt in Investorenobjekt (Gewerbeobjekt).
Die Studie umfasst darüber hinaus wesentliche weitere Inhalte, die einen Beitrag zur Diskussion um eine Stromwende leisten können:
- eine Analyse der energie- und immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen;
- eine umfassende Analyse rechtlicher Fragestellungen von besonderem Belang für die Vor-Ort-Nutzung von Strom;
- ein Quervergleich zur Rechtslage in Deutschland;
- ein internationaler Rechtsvergleich in Kooperation mit einem globalen Experten-Netzwerk;
- eine Analyse der Rahmenbedingungen der Wohnbauförderung;
- eine beispielhafte Dokumentation bisheriger Umsetzungsversuche;
- eine Lastganganalyse für eine beispielhafte Wohnsiedlung;
- eine Analyse zur grundsätzlichen Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen; und schließlich
- Vorschläge für wohn- und energierechtliche Reformen zu den als am effektivsten eingestuften Geschäftsmodellen. Die erarbeiteten Inhalte decken sich weitgehend mit den Vorgaben des Programms „Stadt der Zukunft".
Methodische Vorgehensweise
Sämtliche rechtlichen und wirtschaftlichen Parameter der erabreiteten Geschäftsmodelle wurden einer umfassenden Prüfung unterzogen bzw. bei Auftreten von Barrieren entsprechende Lösungsansätze ausgearbeitet. Die anderen Inhalte wurden mit einem breiten Methodenmix erarbeitet: Literaturrecherchen, Fragebogenerhebungen, eigene Messungen, rechtswissenschaftliche Analyse, wirtschaftliche Prüfung. Ein Alleinstellungsmerkmal von „StromBIZ" ist die breitgefächerte Kompetenz des Projektteams. Ihm gehörten vier Bauträger an, die gleichermaßen in den Bereichen Wohnen, Heime und Gewerbe tätig sind; rechtliche Expertise wurde durch eine Rechtsanwaltskanzlei und zwei Forschungsinstitute eingebracht; schließlich war auch die Energiewirtschaft maßgeblich vertreten. Zur effizienten Verbreitung der Projektergebnisse wurde ein breit angelegter Disseminationsprozess mit Vernetzungsworkshops, Presseinformationen, Artikeln in Fachzeitschriften, Vorträgen und vielfältigen persönlichen Kontakten verfolgt.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Dezentral regenerativ erzeugter Strom kann schon heute für die allgemeinen Teile eines Mehrwohnungsgebäudes genutzt werden. Allerdings sind die Stromabnahme und die Grundlast für diesen Zweck so gering, dass nur kleine Anlagen wirtschaftlich umsetzbar sind. Die Ausweitung der Vor-Ort-Nutzung des Stroms setzt voraus, dass auch die Wohnungen direkt beliefert werden können. Bei allen im vorliegenden Bericht geprüften Modellen erwies es sich als Herausforderung, gleichermaßen die technische, wirtschaftliche, energie-, wohn- und konsumentenschutzrechtliche Machbarkeit zu erreichen.
Vergleichsweise geringe Barrieren bestehen hinsichtlich der technischen Machbarkeit, zumal angesichts der Innovationsdichte in diesem Bereich. Die wirtschaftliche Machbarkeit verbessert sich fortlaufend durch die anhaltende Kostendegression der Komponenten. Es sind bereits in zahlreichen Konstellationen wirtschaftliche Amortisationszeiten selbst ohne geförderte Einspeisetarife darstellbar. Größere PV-Gemeinschaftsanlagen haben eine weit bessere Wirtschaftlichkeit als wohnungsweise zugeordnete Kleinanlagen. Potenziale bestehen v.a. im Bereich der Grundlastabdeckung. Bei einem Anteil von 20% bis 40% des Jahresstromverbrauchs kann ein sehr hoher Eigenverbrauchsanteil erreicht werden, was entscheidend für kurze Amortisationszeiten ist. Im großvolumigen Wohnbau empfehlen sich PV-Anlagen dieser Größenordnung auch aufgrund der üblicher Weise zur Verfügung stehenden Dachflächen.
Demgegenüber zeigen sich gleichermaßen bei der energie- und wohnrechtlichen Machbarkeit bei den meisten Modellen massive Barrieren. Gemeinschaftsanlagen bewirken in vielen Konstellationen, dass der Bauherr zum Stromerzeuger und -lieferanten wird, womit dieser typischer Weise überfordert ist. Auch andere energierechtliche Regelungen (freie Lieferantenwahl, zwingend eigener Zählpunkt pro Wohnung) erschweren die Umsetzung. Wohnrechtlich, v.a. im Wohnungseigentumsrecht, sind noch zahlreiche Aspekte der praktischen Umsetzung von PV-Gemeinschaftsanlagen unzureichend klargestellt.
Mehrere der Modelle sind nach heute geltendem Recht durchführbar: Wohnungsweise zuge-ordnete vom Nutzer gepachtete Kleinanlagen (Modell „Neubau Grünes Wohnen") haben allerdings eine nur beschränkte Wirtschaftlichkeit; Auch verbleiben – zumindest im Vollanwendungsbereich des MRG – konsumentenschutzrechtliche Bedenken. Ein ähnliches Konzept mit grundsätzlich gegebener Wirtschaftlichkeit ist bei Gewerbeobjekten umsetzbar (Modell „Supermarkt in Investorenobjekt"), allerdings ist heute die Nachfrage seitens mietender Supermärkte und Gewerbebetriebe noch gering. Pauschale Nutzungsverträge, wie sie in Studenten- oder Seniorenheimen üblich sind, ermöglichen die effiziente Umsetzung von PV-Gemeinschaftsanlagen, allerdings ist die Anwendung auf ein kleines Segment des großvolumigen Wohnbaus beschränkt. Beim Modell „Kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe der PV-Erträge an Haushalte" wurde auf die aktuelle Diskussion einer ElWOG-Novelle aufgesetzt und eine kostenoptimale Auslegung ausgearbeitet. Innerhalb einer Kundenanlage ordnet der Netzbetreiber Erträge aus einer PV-Gemeinschaftsanlage bilanziell den einzelnen Haushalten zu. Dafür sind unterschiedliche Verteilungsschlüssel möglich. Das Modell wäre mit moderaten energierechtlichen Änderungen machbar. Wohnrechtlich ist aber weiterhin Klärungsbedarf gegeben. Die mit diesem Modell einhergehenden Möglichkeiten werden als Voraussetzung für ein österreichweites Ausrollen von dezentral erzeugtem PV-Strom aufgefasst. Von großer Bedeutung sind derart geänderte energierechtliche Rahmenbedingungen auch im geförderten Wohnbau. Es sind förderungsrechtliche Änderungen absehbar, die Anreize für die Errichtung von PV-Anlagen und ihre Finanzierung im Rahmen der Baukosten schaffen (Umstellung vom Heizwärmebedarf auf die Gesamtenergieeffizienz bei den Mindestanforderungen für eine Förderung). Dies macht dann besonders viel Sinn, wenn durch die Belieferung der Haushalte mit dem in der hauseigenen PV-Anlage erzeugte Strom deren Energiekosten spürbar reduziert werden können.
Ausblick
Es konnte nachgewiesen werden, dass bei entsprechenden Rahmenbedingungen die dezentrale PV-Stromerzeugung auch bei einem Auslaufen der geförderten Einspeisetarife und trotz der in Österreich niedrigen Strompreise wirtschaftlich darstellbar ist. Es besteht allerdings dringender Reformbedarf beim ElWOG, um die sehr großen Potenziale der Vor-Ort-Nutzung von PV-Strom nutzen zu können. Die aktuellen Reformvorschläge werden als richtungweisend aufgefasst. Gleichzeitig bestehen noch mannigfaltige wohnrechtliche Barrieren, die erst ansatzweise in der legistischen Debatte erkannt sind. Eine in größerem Zusammenhang große Herausforderung ist die Belastung der Stromnetze durch Erzeugungsspitzen bei regenerativen Energiequellen. Es wirkt kontraintuitiv und ist schwer öffentlich vermittelbar, dass die Stromwende mit einem massiven Ausbau der Netze einhergehen soll. Dem könnte gegengesteuert werden, wenn durch Forschung und Förderung Modelle angereizt werden, die auch bei Erzeugungsspitzen keinen Strom ins Netz abgeben. Aufschlussreich ist der internationale Vergleich, der zeigt, dass trotz global ähnlicher Herausforderungen unterschiedliche Detailregelungen dazu führen, dass im einen regulatorischen Rahmen ein Modell umsetzbar ist, das in einem anderen Land nicht machbar ist. Es stellt sich die Frage, ob länderweise kasuistisch maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden sollen oder die Staatengemeinschaft aufgefordert werden soll, übergreifende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Publikationen
STROMBIZ – Geschäftsmodelle dezentrale Stromerzeugung und Distribution
Schriftenreihe
20/2016
W. Amann, N. Komendantova, H. Seitz, A. Kollmann, F. Klocker, H. Prokschy, et al.
Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 196 Seiten
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Projektbeteiligte
Projektleitung
IIBW - Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH
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