SocialLowCostFlex - Gemeinschaftliche flexible Low-Cost-Energieversorgungskonzepte im sozialen Wohnbau
Kurzbeschreibung
Status
abgeschlossen (Jänner 2023)
Ausgangssituation, Inhalte und Ergebnisse
Durch die im Rahmen der Energiewende steigende Anzahl dezentraler fluktuierender Energieerzeugungsanlagen steht unser Energiesystem vor komplexen Herausforderungen. Verschiedene systemische Entwicklungen und Modelle bieten neue Möglichkeiten diesen auf lokaler oder regionaler Ebene z.B. in Form von Energiegemeinschaften gemeinsam zu begegnen. Die Umsetzung ist allerdings in der Regel mit finanziellem Aufwand verbunden, wodurch einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen oftmals ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass Personen, die in Miete wohnen, einerseits oft keine Möglichkeit haben, die eigene Wohnumgebung umweltfreundlicher zu gestalten (z.B. durch die Installation von PV), andererseits auch kaum Anreiz besteht, in die Verbesserung fremden Besitzes zu investieren. Vor allem einkommensschwächere Haushalte sind in zunehmendem Maße durch steigende Belastungen aufgrund der Umgestaltung des Energiesystems betroffen (steigende Energiepreise, steigende Netzkosten etc.). Die Energiewende muss jedoch umfassend sein und allen Personen die Möglichkeit bieten, sich zu beteiligen sowie davon zu profitieren und darf zu keiner weiteren Verschärfung für Einkommensschwache beitragen.
Das Projekt Social Low Cost Flex zielt darauf ab, umsetzbare, kostengünstige Lösungen zu erarbeiten, die es Bewohner:innen von Mehrparteienhäusern, speziell von sozialen Wohnbauten, ermöglichen sich an der Energiewende bzw. an damit verbundenen aktuellen Entwicklungen (z.B. gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen, Flexibilitätsnutzung) zu beteiligen und davon zu profitieren. Im Rahmen des Projekts wurden folgende Elemente zur gemeinschaftliche Nutzung erneuerbarer Erzeugungsanlagen mit möglichst geringen Kosten sowie minimal invasiven Eingriffen und unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Ungleichheiten einer detaillierten energetischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bewertung unterzogen:
- Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage im gemeinnützigen Wohnbau,
- Innovative Verteilschlüssel inkl. sozialer Komponente,
- Innovative Tarifoptionen inkl. sozialer Komponente,
- Integration thermischer Flexibilitäten mittels automatisierter Steuerung sowie
- Bürger:innenbeteiligungsmodelle für erneuerbare (gemeinschaftliche) Erzeugungsanlagen.
Die Bewertung erfolgte auf Basis eines Energiemonitorings in ausgewählten Testhaushalten mittels Simulation unterschiedlicher Betriebs- und Flexibilitätskonzepte und Optimierung hinsichtlich des kombinierten Einsatzes möglicher energietechnischer Maßnahmen für ein Demonstrationsgebäude. Mittels quantitativer empirischer Erhebungen unter Wohnungsbewohner:innen wurde die gesellschaftliche Perspektive auf die entwickelten Konzepte analysiert.
Die Bewertungsergebnisse zeigen, dass der Betrieb gemeinschaftlicher Erzeugungsanlagen aus wirtschaftlicher Sicht sowohl für die Investor:innen als auch für die Nutzer:innen Vorteile bringt. Bei langfristigen Tarifvereinbarungen können gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen zu einer Abschwächung des Problems der Energiearmut beitragen, ermöglichen der breiten Bevölkerung Zugang zu grünem Strom und senken die Abhängigkeit von schwankenden Strompreisen. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz herrschen für gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen im mehrgeschossigen Wohnbau sehr gute Ausgangsbedingungen für weitere Umsetzungen. Es besteht jedoch Informationsbedarf hinsichtlich der Stromverteilung und der Kosten. Innovative (derzeit rechtlich nicht umsetzbare) Verteilschlüssel ermöglichen es, den finanziellen Vorteil von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen und Energiegemeinschaften primär begünstigten Personen zur Verfügung zu stellen. Die Zustimmung der Haushalte zu einer solchen Form der Energieverteilung innerhalb eines Wohnhauses ist jedoch v.a. unter wohlhabenderen Haushalten vergleichsweise gering, während Haushalte mit niedrigem Einkommen diese Option präferieren. Ob innerhalb einer Gemeinschaft ein Konsens erlangt werden kann, hängt von der individuellen Zusammensetzung der Teilnehmer:innen ab. Auch eine (rechtlich mögliche) Umverteilung über die Energiepreisbildung innerhalb einer Gemeinschaft kann zu einer Entlastung von vulnerablen Haushalten beitragen. Dabei werden Stromtarife für betroffene Haushalte stark gesenkt, während sich die Tarife für die anderen Haushalte leicht erhöhen. Eine solche soziale Staffelung der Tarife stellt eine gute Möglichkeit für eine Umverteilung der Einsparungen hin zu vulnerablen Gruppen dar, da gleichzeitig alle Teilnehmer:innen Einsparungen erzielen. Die Akzeptanz liegt im Vergleich mit anderen Tarifoptionen jedoch lediglich im Mittelfeld und sinkt mit steigendem Einkommen der Befragten. Eine sehr große Sorge stellt für die Befragten die Definition der Anspruchsberechtigung für einen begünstigten Tarif sowie der Mechanismus der laufenden Überprüfung dar. Trotz der lediglich mittleren Zustimmung v.a. von Personen mit höherem Einkommen wird eine Umsetzung sozialer Tarifoptionen empfohlen, da die Treffsicherheit hoch ist und diese langfristig zu einer Entlastung vulnerabler Haushalte beiträgt.
Ein Einsatz von zusätzlichen E-Boilern und Klimaanlagen ist im betrachteten Fall nicht wirtschaftlich, da der Gesamtstromverbrauch durch beide Technologien enorm steigt sowie für die Warmwasseraufbereitung der Einsatz von Fernwärme günstiger ist als der Einsatz von Strom. Sind diese Technologien jedoch bereits in den Wohnhäusern vorhanden, führt ein höherer Stromverbrauch bei groß dimensionierten gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen zu einem höheren Einsparungspotential. Durch den Einsatz eines Heizstabes oder einer Wärmepumpe, die ausschließlich mit PV-Strom einen gemeinschaftlichen Wärmespeicher (zusätzlich zum vorhandenen Fernwärmeanschluss) erwärmen, ergeben sich geringe wirtschaftliche Vorteile. Im Falle des Heizstabes führt der erhöhte Eigenverbrauch zu niedrigeren Tarifen. Im Falle der Wärmepumpe ergeben sich Einsparungen aufgrund deren hohen Wirkungsgrades.
Bürgerbeteiligungsmodelle zur Finanzierung gemeinschaftlicher Anlagen werden in der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen, das Investitionsinteresse ist in allen sozialen Gruppen vorhanden. Um niemanden auszuschließen, sollten auch kleine Investitionen möglich sein. Insgesamt mangelt es in der Bevölkerung hier an Wissen und Informationen zu entsprechenden Angeboten. Ein sozialer Aspekt bei Angeboten spielt keine nennenswerte Rolle, wichtiger sind monetäre Aspekte sowie die Umweltverträglichkeit.
Die beschriebenen Ergebnisse bekräftigen das ungenutzte Potential für erneuerbare Energieerzeugung im gemeinnützigen Wohnbau, bzw. ebenso auch im (nicht gemeinnützigen) mehrgeschossigen Wohnbau. Die auf der Simulation eines Demonstrationsgebäudes aufbauende Wirtschaftlichkeitsbewertung zeigt, dass die PV-Anlage sowie auch die Integration bestehender thermischer Flexibilitäten in allen betrachteten Fällen wirtschaftlich realisierbar ist. Ebenso bieten sozial ausgleichende Tarifmodelle bzw. Verteilschlüssel innerhalb der Gemeinschaft einen Vorteil für als begünstigt definierte Haushalte bei gleichzeitigen Einsparungen auch für nicht-begünstigte Haushalte. Die Betrachtung aus gesellschaftlicher Perspektive zeigt einerseits eine sehr hohe Zustimmung zu erneuerbaren Energien und gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen in allen sozialen Bevölkerungsschichten. Andererseits stellt die Akzeptanz umverteilender Maßnahmen von wohlhabenderen Haushalten eine entscheidende Hürde für die Realisierung sozial ausgleichender Modelle dar. Mit welchen Maßnahmen diese Akzeptanz gehoben werden kann, stellt weiteren Forschungsbedarf dar, wofür sich insbesondere Demonstrationsvorhaben eignen.
Publikationen
Social Low Cost Flex: Gemeinschaftliche flexible Low-Cost- Energieversorgungskonzepte im sozialen Wohnbau
Ziel des Projekts war die Erarbeitung von Konzepten für gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen bzw. lokale Energiegemeinschaften in sozialen Wohnbauten sowie die Entwicklung von Low-Cost Ansätzen, um vorhandene thermische und elektrische Flexibilitäten mit minimal invasiven Eingriffen für das Stromsystem zu aktivieren und zur Steigerung des Eigenverbrauchs im Wohnbau bzw. Quartier, aber auch im Sinne des Gesamtsystems zu nutzen. Ergebnis des Projekts sind auf ihre Realisierbarkeit geprüfte Low Cost Konzepte und Geschäftsmodelle zur Umsetzung von gemeinschaftlichen Energieerzeugungs- und –nutzungskonzepten im sozialen Wohnbau.
Schriftenreihe
38/2023
F. Ettwein, J. Ganglbauer, T. Nacht, M. Schloffer, A. Werner, P. Stieger, H. Bieser, S. Raming
Herausgeber: BMK
Deutsch, 37 Seiten
Downloads zur Publikation
Video: Projektvorstellung Social Low Cost Flex
Das Video wird über Youtube bereitgestellt, dabei wird eine Verbindung zu den Servern von Youtube hergestellt (sh. Datenschutzerklärung).
Projektbeteiligte
Projektleitung
Fachhochschule Technikum Wien, Kompetenzfeld Renewable Energy Systems
Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
- 4ward Energy Research GmbH
- Wiener Netze GmbH
- Avantsmart
Kontaktadresse
Fachhochschule Technikum Wien, Kompetenzfeld Renewable Energy Systems
DI Frederike Ettwein MSc
Standort ENERGYbase, Giefinggasse 6, 1200 Wien
Tel.: +43 1 333 40 77 – 6678
E-Mail: frederike.ettwein@technikum-wien.at
www.technikum-wien.at