Manage_GeoCity - Entwicklung einer Methodik zur koordinierten Nutzung und Bewirtschaftung der oberflächennahen Erdwärme in urbanen Räumen
Kurzbeschreibung
Ausgangssituation/Motivation
Durch zahlreiche Wärmequellen in Stadtgebieten (z.B. Abwärme städtischer Bebauungen im Untergrund) kommt es zu einer Aufwärmung des Grundwassers und des Untergrunds („subsurface heat island"). In manchen Fällen ist die Aufwärmung bereits so hoch, dass negative Auswirkungen auf die Grundwasserqualität möglich sind. Andererseits stellt diese Aufwärmung des Untergrunds ein Potenzial für die geothermische Wärme- und Kältenutzung dar. Bei entsprechender Nutzung (z.B. Wärmeentzug für Heizzwecke) kann ein Abkühleffekt des Untergrunds erzielt werden. Vor allem in urbanen Gebieten besteht das Problem, dass eine unkoordinierte Nutzung durch zahlreiche kleine Einzelanlagen sehr rasch zu einer gegenseitigen Beeinflussung und somit zu einer ineffizienten und nicht nachhaltigen Bewirtschaftung führen kann. In manchen Städten führt diese Situation bereits zur Diskussion eines Verbots des Einsatzes von grundwasserbürtiger Erdwärme vor allem für Kühlzwecke. Durch eine koordinierte Nutzung und Bewirtschaftung der verschiedenen Erdwärmequellen unter Berücksichtigung etwaiger thermischer Vorbelastung des Untergrundes und der wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann diese Situation verbessert und eine effiziente und nachhaltige Nutzung der im Untergrund von Stadtgebieten vorhandenen Erdwärme ermöglicht werden.
Inhalte und Zielsetzungen
Das Projektziel war die Entwicklung einer Methodik für die koordinierte Nutzung und Bewirtschaftung oberflächennaher Erdwärme für Wärme- und Kühlanwendungen in urbanen Räumen. Dabei wurden mittels Fallbeispielen in der Modellregion Graz Grundwasserströmungen, unterschiedliche geothermische Verhältnisse des Untergrundes, Wärme- und Kühlbedarf, Wärmeeintrag von Solar- und Abwärme und die Möglichkeiten der saisonalen Speicherung von Wärme im Untergrund berücksichtigt.
Methodische Vorgehensweise
Die Entwicklung der Methodik erfolgte anhand des urbanen und periurbanen Raums der Modellregion Graz, auf Grund der guten Datenlage für den Untergrund. Für die Modellregion wurden unterirdische Gunstzonen für oberflächennahe Erdwärme ohne Wasserentnahme und grundwasserbürtige Erdwärme ausgewiesen.
In diesen Gunstzonen wurden drei Fallbeispiele identifiziert, für die eine Wärme- und Kühlbedarfsanalyse durchgeführt wurde. Das vorliegende Wärme- und Kältepotenzial des Untergrunds wurde dem Wärme- und Kühlbedarf gegenübergestellt. Die Fallbeispiele wurden technisch, ökonomisch und ökologisch bewertet und für ausgewählte Anwendungsgebiete in den Gunstzonen hochgerechnet.
Für die Fallbeispiele wurden Simulationen durchgeführt. Diese verwenden ein auf ein bestehendes instationäres Grundwasserströmungsmodell aufgesetztes Wärmehaushalts-modell. Dabei wird die Beeinflussung der Untergrundtemperaturen durch Wärmeentnahme und –speicherung und die Beeinflussung der Gunstzone analysiert. Ein zentrales Thema war die Berücksichtigung der thermischen und wasserwirtschaftlichen Bestandssituation und die Analyse der diesbezüglichen Verbesserungsmöglichkeiten und Nutzungsoptimierung.
Vorgehensweisen, Annahmen und Ergebnisse wurden in zwei Projektbeiratssitzungen mit Stakeholdern aus der Verwaltung (Stadt, Land) und Energieversorgern abgestimmt.
Aufbauend auf den vorliegenden Ergebnissen wurde eine Methodik für die koordinierte Nutzung und Bewirtschaftung der oberflächennahen Erdwärme entwickelt. Die Methodik beinhaltet eine Vorgehensweise zur verbesserten Umsetzung und Nutzungsoptimierung von Erdwärmeprojekten und ist auf andere städtische Gebiete übertragbar.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Ergebnis des Projektes ist die Methodik für die koordinierte Nutzung und Bewirtschaftung oberflächennaher Erdwärme für Wärme- und Kühlanwendungen in urbanen Räumen, die die Grundlage für zukünftige Nutzungs- und Bewirtschaftungspläne für Städte und Stadtgebieten bildet. Sie gliedert sich in 6 Abschnitte: (1) Neue Energieversorgung – Ausgangssituation, (2) Untergrundeigenschaften, (3) Systemauswahl, (4) Anlagendimensionierung, (5) Prüfung, (6) Optimierung und Umsetzung. Diese Methodik ermöglicht die Übertragbarkeit zentraler Bewirtschaftungsmechanismen auf andere urbane Gebiete.
Die Arbeiten zu den drei Fallbeispielen, die für die Modellregion Graz untersucht wurden, ergaben, dass grundsätzlich Grunddaten für die Bestimmung des Wärme- und Kühlbedarfs in Stadtgebieten aus verschiedenen Quellen vorhanden sind, jedoch mit unterschiedlicher Aktualität und Qualität.
Die Simulationsergebnisse für zwei Fallbeispiele mit grundwasserbürtiger Geothermie zeigen, dass in unterirdischen Wärmeinseln in urbanen Gebieten durch optimierte Nutzungskonzepte, in denen Wärmepumpen für Heizzwecke eingesetzt werden, eine deutliche und weitereichende Abkühlung des Grundwassers erreicht werden kann. Die Ergebnisse der Simulation für das Fallbeispiel ohne Wasserentnahme zeigen, dass die räumlichen Auswirkungen von einem Erdwärmesondenfeld im Untergrund begrenzt sind. In einer Entfernung von 50 m zum Erdwärmesondenfeld sind die Temperaturänderungen nicht mehr signifikant. Die durchgeführten hydrochemischen Modellierungen ergaben, dass Temperaturschwankungen im Bereich von ΔT ≤10°C nur sehr geringfügige Veränderungen in der Hydrochemie bewirken. Allerdings sollte die maximal genehmigte Temperaturspanne immer auf den physikalisch, chemischen und biologischen Zustand des jeweiligen Grundwasserleiters abgestimmt sein.
Die Ergebnisse der ökologischen Bewertung der Fallbeispiele zeigen, dass für Systeme mit Wärmepumpe die Art der Strombereitstellung einen wesentlichen Einfluss auf die gesamten Treibhausgasemissionen hat. Für die Varianten mit österreichischem Strommix (mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energie) liegt die Treibhausgasreduktion im Vergleich zu anderen Heizsystemen mit fossiler Energie zwischen 75% und 85%. Wird für die Strombereitstellung ein Erdgas Gas- und Dampfkraftwerk angenommen, ist die Einsparung deutlich geringer bzw. kann keine Einsparung erzielt werden.
Die Ergebnisse der ökonomischen Bewertung der Fallbeispiele (Berechnung der jährlichen Wärmegestehungskosten) zeigen im Vergleich zu Wärmegestehungskosten aus Großgaskessel von etwa 40 €/MWh, dass eine Optimierung der Energiekonzepte für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit unbedingt notwendig ist. Dies betrifft einerseits die Investitionskosten (Anzahl und Tiefe der Erdwärmesonden, kostengünstige Wärmequellen für Regeneration, Detaildaten für Auslegung der Wärmepumpen) und andererseits die erforderlichen Temperaturen für die Wärmeversorgung der Gebäude. Diese Temperaturen (etwa 85 bis 95 °C bei Fernwärmeeinspeisung und bestehenden Gebäuden, etwa 35 °C bei Neubauten) haben entscheidenden Einfluss auf die Effizienz der Wärmepumpen und damit auf die Stromkosten.
Ausblick
Zukünftige Forschungsfragen sind u.a. die Erstellung einer zentralen „Energiebedarfsdatenbank" als Grundlage für die städtische Energieraumplanung, die Berücksichtigung der Wärmeeinbringung durch tiefe Einbauten in der Grundwassermodellierung, Untersuchungen zur Grundwasserneubildung in urbanen Gebieten und begleitende Forschungsarbeiten bei der Errichtung von saisonalen Speichern im Untergrund (z.B. Messungen der Untergrundtemperaturen und die Kalibrierung von Simulationsmodellen).
Die Ergebnisse zu den Fallbeispielen bilden die Basis für zukünftige Demonstrationsvorhaben. Der nächste Schritt in Richtung Demonstrationsvorhaben ist die Untersuchung von weiteren Varianten zur technischen Anlagenauslegung und deren Optimierung.
Publikationen
Manage_GeoCity: Entwicklung einer Methodik zur koordinierten Nutzung und Bewirtschaftung der oberflächennahen Erdwärme in urbanen Räumen
Anhand der Modellregion Graz wurde eine Methodik für die koordinierte Nutzung und Bewirtschaftung oberflächennaher Erdwärme für Wärme- und Kühlanwendungen sowie saisonaler Speicherung in urbanen Räumen entwickelt. Dabei wurden Grundwasserströmungen, unterschiedliche geologische Verhältnisse, Wärme- und Kühlbedarf, Wärmeeintrag von Solaranlagen und betrieblicher Abwärme und die Möglichkeiten der saisonalen Speicherung von Wärme im Untergrund berücksichtigt.
Schriftenreihe
35/2018
J. Pucker-Singer, T. Harum, E. Meißner, et al.
Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 159 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH RESOURCES - Institut für Wasser, Energie und Nachhaltigkeit
Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
Grazer Energieagentur GmbH
Kontaktadresse
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
RESOURCES - Institut für Wasser, Energie und Nachhaltigkeit
DI (FH) DI Johanna Pucker
Elisabethstraße 18/II
A-8010 Graz
Tel.: +43 (316) 876 6000
E-Mail: Johanna.pucker@joanneum.at
Web: www.joanneum.at