LZE 100 Leuchtturmobjekte - Langzeitevaluierung des Energieverbrauchs von 100 energieeffizienten Gebäuden in Österreich als repräsentativer Querschnitt österreichischer Leuchtturmobjekte
Kurzbeschreibung
Motivation und Forschungsfrage
Österreich hat eine lange Tradition in der Errichtung hocheffizienter Gebäude – sowohl im Rahmen wissenschaftlich begleiteter Forschungsprojekte, als auch ohne wissenschaftliche Begleitung. Während die Verbrauchsdaten vieler Forschungs- und Modellvorhaben zeigen, dass sehr niedrige Verbräuche und Treibhausgasemissionen auch in der Praxis erreicht werden können und dass der reale Verbrauch mit geeigneten Rechenwerkzeugen unter Verwendung realistischer Nutzungsrandbedingungen gut vorausberechnet werden kann, wird oftmals postuliert, die realen Verbräuche hocheffizienter Gebäude lägen deutlich über den voraus berechneten Energiebedarfswerten.
Die Hauptforschungsfragen lauten:
- Wie hoch sind die realen Verbräuche hocheffizienter Gebäude verschiedener Nutzungskategorien?
- Wie hoch sind die Einsparpotenziale im Vergleich zu üblichen Neubauten, Sanierungen und Bestandsgebäuden gleicher Nutzungskategorie?
- Wie hoch sind die aus den realen Verbräuchen berechneten Treibhausgasemissionen?
- Wie können die Treibhausgasemissionen realitätsnah berechnet werden?
Das Projekt kann darüber hinaus dazu dienen, Grundlagen zur Beantwortung der folgenden Fragen zu liefern:
- Welchen realistischen Beitrag können Gebäude zur Reduktion des Endenergieverbrauchs, zur Dekarbonisierung und zur Reduktion der Energieimportabhängigkeit liefern?
- Welche Konzepte zum Bau hocheffizienter Gebäude haben sich in der Praxis bewährt?
- Was sind die notwendigen nächsten Schritte im Gebäudesektor?
Ausgangssituation/Status Quo
Als Grundlage für die Analyse der Reduktionspotentiale wird nachfolgend exemplarisch der Status Quo des Endenergieverbrauchs für Raumheizung und Warmwasser von Mehrfamilienhäusern dargestellt. Die Analyse erfolgt auf der Grundlage von Verbrauchsdatenauswertungen für möglichst große Gebäudebestände. Der gesamte Gebäudebestand benötigt im Mittel einen spezifischen Endenergieverbrauch für Raumheizung und Warmwasser zwischen 105 kWh/(m²WNFa) für fernwärmeversorgte Gebäude und ca. 140 kWh/(m²WNFa) für öl- und gasbeheizte Gebäude. Der spezifische Endenergieverbrauch für Raumheizung und Warmwasser von typischen Mehrwohnungsneubauten liegt im Mittel bei etwa 85 kWh/(m²WNFa).
Projekt-Inhalte und Zielsetzung
Das gegenständliche Projekt zielt darauf ab, Verbrauchswerte hocheffizienter Gebäude zu erfassen, statistisch auszuwerten und mit den Verbräuchen gleichartiger Gebäudetypen in einem „üblichen" Energieniveau zu vergleichen, um eine sachliche Diskussion auf der Basis von Fakten zu ermöglichen. Durch diesen Vergleich sollen Einsparpotenziale aufgezeigt werden, die nicht auf theoretischen Berechnungen, sondern auf gemessenen Verbräuchen beruhen.
Auf Basis der Energieverbrauchsdaten werden die realen THG-Emissionen der Gebäude im Betrieb bestimmt. Dabei werden auch die mittelfristigen Trends in der Entwicklung der spezifischen Emissionen des Energieträgers Strom berücksichtigt.
Die Darstellung und Diskussion der Ergebnisse sollen unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung eingesetzter Technologien bzw. technologischer Innovationen in Österreich erarbeitet werden und daraus ableitend den weiteren Entwicklungs- und Forschungsbedarf aufzeigen.
Methodische Vorgehensweise
Zur Beantwortung der Hauptforschungsfragen werden die Energieverbrauchsdaten von mehr als 100 energieeffizienten Best-Practice Gebäuden in Österreich über eine Betriebszeit von 3 bis 25 Jahren erfasst und ausgewertet. Die Erfassung und Analyse erfolgt je nach Datenverfügbarkeit in unterschiedlichen Tiefen und zeitlichen Auflösungen – für wissenschaftlich begleitete Projekte sehr detailliert, für sonstige Projekte auf der Ebene des gemessenen und abgerechneten, jährlichen Endenergieverbrauchs für Heizung und Warmwasser sowie für andere Energieanwendungen.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Die Auswertung der Energieverbrauchsdaten der untersuchten, innovativen Mehrwohnungsgebäude ergibt mittlere, spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von ca. 64 kWh/(m²WNFa) für die Energieträger Gas und Fernwärme sowie ca. 16,5 kWh/(m²WNFa) für den Energieträger Strom (Wärmepumpe). Der mittlere, spezifische Endenergieverbrauch für Heizung und Warmwasser der ausgewerteten Mehrwohnungsgebäude liegt somit ca. 25% unter dem Verbrauch typischer Mehrwohnungsgebäude.
Die besten gasbeheizten Mehrfamilienhäuser erreichen spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von 42 bis 44 kWh/(m2WNFa). Die besten fernwärmebeheizten Mehrfamilienhäuser erreichen spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von 50 bis 53 kWh/(m2WNFa). Der Verbrauch besten Projekte liegt somit bis zu 50% unter dem Verbrauch typischer Mehrwohnungsgebäude. Die besten fünf wärmepumpenbeheizten Mehrfamilienhäuser – darunter eine Gebäudesanierung – erreichen spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von 12 bis 13 kWh/(m2WNFa).
Die CO2eq-Emissionen der erdgasbeheizten Gebäude in Summe aller Energieanwendungen liegen um ein Mehrfaches über den Paris-kompatiblen Emissionen (3 bis 6 kg/(m2WNFa)). Mit gasbeheizten Gebäuden können die aus Klimaschutzgründen notwendigen Emissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden.
Die Emissionen der besten wärmepumpenbeheizten Mehrfamilienhäuser liegen bei aktuellem Strommix bei etwa 11 kg/(m²WNFa). Bei den für 2030 zu erwartenden spezifischen Treibhausgasemissionen des Verbraucherstroms werden die besten wärmepumpenbeheizten Gebäude Emissionen im Paris-kompatiblen Bereich (d.h. bis max. 6 kg/(m²WNFa) erreichen. Ähnliches gilt für die besten fernwärmebeheizten Gebäude sowie für Sanierungen und Nichtwohngebäude.
Folgende Haupterkenntnisse ergeben sich durch das Projekt.
- Erkenntnis 1: Hocheffiziente Gebäude funktionieren in der Praxis
- Erkenntnis 2: Hohe Effizienz ist planbar
- Erkenntnis 3: Hohe Effizienz ist wirtschaftlich
- Erkenntnis 4: Das derzeitige Mindestanforderungsniveau ist nicht kompatibel zum Paris-Ziel
- Erkenntnis 5: Paris-kompatible Energieträger für den Neubau – Wärmepumpe oder Nah/Fernwärme
- Erkenntnis 6: Große PV-Systeme sind nah an der Wirtschaftlichkeit
- Erkenntnis 7: Analyse der realen Energieverbräuche von Gebäuden steckt noch in den Kinderschuhen
Ausblick
Das Projekt zeigt, dass schon mit Großteil seit 20 Jahren marktverfügbaren Komponenten und Konzepten Paris-kompatible Niveaus erreicht werden können. Die Reduktion des Energiebedarfs und der Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors hat primär ein Umsetzungsproblem – die notwendigen Technologien sind bekannt und verfügbar.
Folgende Empfehlungen für Umsetzungsmaßnahmen ergeben sich durch das Projekt.
- Empfehlung 1: Sofortiges Verbot von fossilen Energieträgern im Neubau
- Empfehlung 2: Verbindlicher Zeitplan für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern im Bestand
- Empfehlung 3: Erhöhung des Anforderungsniveaus für die Gebäudehülle in Neubau und Sanierung
- Empfehlung 4: Verlagerung von Fördermitteln vom Neubau auf die Sanierung und Konzentration auf Paris-kompatible Qualitäten
Folgende Empfehlungen für weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ergeben sich durch das Projekt.
- Anschubfinanzierung für serielle Sanierungen hoher energetischer Qualität
- Entwicklung von Methoden zur Analyse der energetischen Gebäudequalität großer Gebäudebestände auf Basis von Verbrauchsauswertungen
- Entwicklung und Test von Fördermodellen auf Basis des realen Energieverbrauchs
Publikationen
Langzeitevaluierung des Energieverbrauchs von 100 energieeffizienten Gebäuden in Österreich als repräsentativer Querschnitt österreichischer Leuchtturmobjekte (LZE 100 Leuchtturmobjekte)
Erfassung, Auswertung und Analyse von Energieverbrauchsdaten von 100 energieeffizienten Gebäuden in Österreich über eine Betriebszeit von 3 bis 25 Jahren als repräsentativer Querschnitt der österreichischen Leuchtturmobjekte. Differenzierung nach Gebäudetypen, Energieträger und Ermittlung der realen Treibhausgas-Emissionen. Vergleich der gemessenen Verbräuche zu Benchmark-Werten.
Schriftenreihe
24/2022
T. Roßkopf-Nachbaur, G. Lang, M. Ploß, M. Lang, A. Peter, T. Hatt
Herausgeber: BMK
Deutsch, 143 Seiten
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Projektbeteiligte
Projektleitung
LANG consulting – Ing. Günter Lang
Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen
Energieinstitut Vorarlberg
Kontaktadresse
LANG consulting
Ing. Günter Lang
Linzerstraße 280
A-1140 Wien
Tel.: +43 (650) 900 20 40
E-Mail: g.lang@langconsulting.at
Web: www.langconsulting.at und www.energieinstitut.at