HPZ-Mauerwerk - Dämmstofffreie High-Performance-Außenwand aus Ziegelmauerwerk

Um nachhaltige Quartiere in Ziegelbauweise realisieren zu können, muss die Festigkeit des thermisch optimierten Hochlochziegels verdreifacht werden. Dies soll durch Veränderung des Lochbilds, nämlich durch Verkleinerung des Luftspalts von 8 auf 4 mm gelingen. Ein erfolgreicher Projektabschluss bildet die Basis für dämmstofffreie, 8-geschossige Wohn- und Bürogebäude in Ziegelbauweise.

Kurzbeschreibung

Status

abgeschlossen (Februar 2023)

Ausgangssituation, Inhalt und Ergebnisse

Über die Außenwand eines Gebäudes laufen, abhängig vom Dämmniveau, etwa 1/4 der Wärmeverluste zwischen innen und außen. Dies verdeutlicht die Bedeutung der Außenwand für den Energiebedarf eines Gebäudes. Aufgrund der steigenden Anforderungen in den Baugesetzen sinkt dieser Anteil, wobei heute häufig Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) als Dämm-Maßnahme für Außenwände Verwendung finden. Damit kann zwar den Anforderungen für die Transmissionswärmeverluste entsprochen werden jedoch werden im Sinne der künftig immer wichtiger werdenden Stofftrennung, Rückbaubarkeit und der stofflichen Wiederverwertung zunehmend homogene Bausysteme auf mineralischer Basis am Markt gefordert. Die monolithische, mineralisch verputzte Ziegelmauer kann sowohl die Nachhaltigkeitsanforderungen als auch die hohen thermischen Anforderungen an städtische Wohn- und Bürogebäude erfüllen, wenn die Architektur, das Mauerwerk und der Ziegel dahingehend optimiert sind. Die derzeit am Markt befindlichen, thermisch optimierten, hochporosierten Ziegel, sind zu wenig tragfähig, um der städtischen Verdichtung Rechnung zu tragen und den dafür erforderlichen Mehrgeschoßwohnbau realisieren zu können. Es stellt sich nun die Frage, ob es möglich ist, die erforderlichen Festigkeitseigenschaften und die hohen Anforderungen an das thermische Verhalten in einem Ziegel zu vereinen.

DI Andreas Petermann widmete sich dieser Frage im Rahmen seiner Masterarbeit. Er wies theoretisch nach, dass mit einem neuartigen Lochbild (patentiert unter dem Namen TRALAM von Horst Gamerith) in Kombination mit einem „mittelschweren" Scherben das Problem gelöst werden kann. Anhand einer Case-Study eines 8-geschossigen Wohngebäudes zeigte er, dass die Anforderungen an die Tragfähigkeit eines 50 cm-TRALAM-Mauerwerks bei einer Gebäudehöhe von 22m erreicht werden, der Heizwärmebedarf nach U-Wert-Verfahren jenem eines Wärmedämmverbundsystems entspricht und ein zusätzlicher solarer Energiegewinn über die nicht gedämmte, opake Außenfläche von mindestens 10% lukriert wird. Es ist klar, dass für die Steigerung der Tragfähigkeit ohne Veränderung der Scherbenfestigkeit mehr Ton gebrannt und verbraucht wird; mit all den damit verbundenen Auswirkungen auf die Kennwerte des ökologischen Fußabdrucks; aber lediglich des Fußabdrucks der Herstellung. Im Gegenzug wird mit dem High-Performance-Mauerwerk für die Schaffung ein und derselben Wohnfläche nur ein Drittel des Baugrundes und ein Drittel der Dachfläche benötigt, es wird bei 8-geschossigen Gebäuden keine zusätzliche Dämmung der Außenwand erforderlich und die Lebensdauer wird signifikant verlängert. Bei geeignetem Design trägt eine ausgewogene Speichermasse der Ziegel zur Dämpfung sommerlicher Überwärmung bei.

Um diese vielversprechenden, aber derzeit noch rein theoretischen Ergebnisse auch in die Realität übertragen zu können, ist eine umfassende, experimentelle Verifikation notwendig. Als erster Schritt soll in dem hier vorgestellten Sondierungsprojekt die Frage nach der industriellen Herstellbarkeit solcher Ziegel beantwortet werden. Der herstellungstechnische Knackpunkt ist die für das neue Lochbild erforderliche Reduktion der Luftspaltdicke der Ziegel von üblicherweise nicht weniger als 8 mm auf 4 mm.

Mit Hilfe der Erfahrung der österreichischen Ziegelindustrie, vertreten durch den Forschungsverein Steine-Keramik, wurde der am besten geeignete, in Österreich vorhandene Ton gesucht. Die Tests an den Rohstoffen und die Evaluierung derselben erfolgte am Ziegelforschungsinstitut Essen. Alle Tests zur Herstellung der Ziegel wurden aus Kostengründen am Viertelstein durchgeführt. Für die nachfolgenden Versuche zur Bestimmung der wichtigsten Eigenschaften der gebrannten Testziegel wurden, wenn notwendig, die Viertelsteine zu Ganzsteinen verklebt. Schlussendlich wurden die so ermittelten Eigenschaften wie Druckfestigkeit, E-Modul, Mauerwerksfestigkeit, Wärmedurchlasswiderstand, Eigenfrequenzen und Schalldämmmaß zur Beurteilung der Qualität der hergestellten Testziegel herangezogen.

Die Herstellung eines Mundstücks für Ziegel mit 4mm-Luftspalten entpuppte sich als unproblematisch. Ebenfalls zeigte sich, dass das Extrudieren der Ziegel bei geeigneter Einstellung der Plastizität der Tonmischung kein Problem darstellt, obwohl sich bei der Vielzahl der Testziegel unerwünschte Querrisse einstellten. Diese Querrisse sind jedoch nur auf die ungleichmäßige Verdichtung, was der Überlastung des Laborextruders geschuldet ist, zurückzuführen und werden in einem industriellen Set-up nicht erwartet. Der Trocknungsprozess musste lediglich angepasst werden, um dem höheren Luftströmungswiderstand in den 4mm-Kanälen gerecht zu werden. Die neuartige Ziegelgeometrie verlangt eine um ca. 5 h verlängerte Vorheizphase im Brennprozess.
Der gebrannte Scherben und somit auch die Testziegel weisen eine unerwartet hohe Rohdichte auf, was sich in einer sehr hohen Druckfestigkeit aber leider auch in einer zu hohen Wärmeleitfähigkeit widerspiegelt. Die in der Literatur angegebenen Scherbenleitfähigkeiten, die den Ausgangspunkt der Entwicklung des TRALAM-Mauerwerks repräsentieren, konnten experimentell nicht bestätigt werden. Im Gegensatz dazu zeigten die Versuche deutlich höhere Festigkeiten, als es auf Basis des Stands der Technik und der Wissenschaft zu erwarten war. Die Druckfestigkeit am Einzelstein ist um ca. 30% höher als angestrebt. Sogar der Testversuch an einem Mauerwerkspfeiler, dessen Einzelsteine Querrisse aufwiesen, die im Endprodukt nicht vorhanden sein werden, zeigte ein sehr homogenes Bruchbild und eine unerwartet hohe Druckfestigkeit. Die dynamischen Untersuchungen am Einzelstein bestätigen die prognostizierte Qualität des TRALAM-Ziegels hinsichtlich seiner schallschutztechnischen Performance.

Da das Projekt zeigt, dass die industrielle Herstellung von Ziegeln mit sehr dünnen Luftspalten unproblematisch ist, macht es Sinn, alle weiteren Schritten, die bereits vor der Sondierung geplant wurden, in Angriff zu nehmen. Im Mittelpunkt des Folgeprojekts steht die Durchführung eines einjährigen, großmaßstäblichen Feldversuchs in einem der Prüfhäuser an der TU-Graz mit all den dafür notwendigen theoretischen Vor- und Auswertearbeiten. In diesem Versuch soll die tatsächliche Gesamtenergiebilanz der dämmstofffreien TRALAM-Außenwand messtechnisch bestimmt werden und den Anforderungen der Norm, die aufgrund der physikalischen Unvollständigkeit der verwendeten Rechenmodelle die Wärmedämmverbundsysteme bevorzugt behandelt, gegenübergestellt werden. In diesem Großversuch muss in jedem Fall mit ganzen Steinen gearbeitet werden, was eine enge Kooperation mit der Ziegelindustrie erfordert. Da noch nicht alle angestrebten Ziegeleigenschaften im Sondierungsprojekt erreicht werden konnten, bedarf es weiterergehender Untersuchungen, wie diese zu erreichen sind, bevor die prototypische Produktion der Ganzsteine gestartet wird. Es gibt drei Schrauben an denen zu drehen ist: (i) Änderungen in der Tonmischung (Reduktion der Rohdichte und der Wärmeleitfähigkeit); (ii) Nutzen der festgestellten Festigkeitsreserven: die Festigkeit kann auch mit weniger Tonanteil erreicht werden, was mit einer wärmetechnischen Verbesserung des Ziegels einhergeht; (iii) Wenn vom aktuell sehr feinen Rastermaß des Ziegelverbands abgegangen wird, eröffnet sich ein großes wärmetechnisches Potenzial aufgrund gelockerter Randbedingungen für das Lochbild.

Publikationen

HPZ-Mauerwerk - Dämmstofffreie High-Performance-Außenwand aus Ziegelmauerwerk

Um nachhaltige Quartiere in Ziegelbauweise realisieren zu können, muss die Festigkeit des thermisch optimierten Hochlochziegels verdreifacht werden. Dies soll durch Veränderung des Lochbilds, nämlich durch Verkleinerung des Luftspalts von 8 auf 4 mm gelingen. Ein erfolgreicher Projektabschluss bildet die Basis für dämmstofffreie, 8-geschossige Wohn- und Bürogebäude in Ziegelbauweise. Schriftenreihe 41/2023
B. Freytag, H. Ferk, H. Gamerith
Herausgeber: BMK
Deutsch, 38 Seiten

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Projektbeteiligte

Projektleitung

Technische Universität Graz - Labor für Konstruktiven Ingenieurbau

Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen

  • Forschungsverein Steine – Keramik
  • Architekt Horst Gamerith, Em.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.

Kontaktadresse

Technische Universität Graz
Labor für Konstruktiven Ingenieurbau
Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.techn. Bernhard Freytag
Inffeldgasse 24
A-8010 Graz
Tel.: +43 (316) 873 7050
E-Mail: freytag@tugraz.at
Web: www.lki.tugraz.at