Digitale Transformation der österreichischen Bauwirtschaft und Auswirkungen auf die Erwerbstätigen

In einer Trendanalyse werden wahrscheinliche Auswirkungen der digitalen Transformation in der österreichischen Bauwirtschaft auf den Branchen-Arbeitsmarkt untersucht. Auf Basis von Feedback von BranchenexpertInnen wird für die kommenden fünf bis zehn Jahre analysiert, für welche Berufsgruppen digitalisierungsinduzierte Effekte eher zu einer steigenden vs. sinkenden Arbeitskraftnachfrage führen.

Kurzbeschreibung

Ausgangssituation, Projektzielsetzung und Inhalte

Obwohl die „analoge" Bauwirtschaft eher nicht als Vorreiter der Digitalisierung gilt, schreitet die Diffusion digitaler Technologien auch in dieser Branche zügig voran. Diese Entwicklung ist Anlass, in einer Trendanalyse nach wahrscheinlichen Auswirkungen der digitalen Transformation der österreichischen Bauwirtschaft auf den Branchen-Arbeitsmarkt zu fragen. In welchen Segmenten führen Digitalisierung und darauf basierende Automatisierungsprozesse eher zu Jobverlusten vs. Jobzugewinnen? Ergänzend zu quantitativen Beschäftigungseffekten werden inhaltliche Veränderungen in Bauberufen zu analysiert, insbesondere Herausforderungen bei „Digitalkompetenz" sowie damit einhergehenden Neuzuschnitten der Arbeitsorganisation oder von Jobprofilen.

Methodische Vorgehensweise

Das trendanalytische Methoden-Setting zur Abschätzung zukünftiger Arbeitsmarkt- und Beschäftigungseffekte ist so aufgebaut, dass in einem ersten Teil Fachliteratur und Medienberichte gesichtet und daraus vorläufige Trendhypothesen abgeleitet wurden. Im zweiten Teil, einer Befragung von ExpertInnen der österreichischen Bauwirtschaft im Herbst 2020, konfrontierten wir diese mit diesen Hypothesen. Die Auswertung und Wiedergabe des Interviewmaterials ist der Hauptteil der gegenständlichen Trendanalyse.

Ergebnisse

Folgt man einschlägigen Fachzeitschriften der Bauwirtschaft, die voll mit Berichten über digitale Anwendungen sind – von Baustellen-Apps zum effizienteren Informationsaustausch über Building Information Modelling (BIM) bis zu Robotik-Anwendungen wie Drohnen, 3D-Druck u.a.m. –, entsteht der Eindruck, dass nicht nur die Planung, sondern auch die ausführende Arbeit auf Baustellen bereits weitgehend digitalisiert abläuft. In der Praxis der Betriebe schreitet die tatsächliche IKT-Diffusion dagegen langsamer bzw. inkrementell anstatt disruptiv voran. Für Länder wie Österreich ist daraus ableitbar, dass ein mit Digitalisierung assoziierter gravierender Arbeitsplatzabbau in der Baubranche zumindest in den nächsten Jahren unwahrscheinlich ist. Grenzen einer raschen Durchdringung von Arbeitsprozessen mit digitalen Technologien liegen auch darin, dass abgesehen von größeren Neubauten oder im Infrastrukturbau insbesondere Sanierungsarbeiten oder Tätigkeiten im Baunebengewerbe dominieren, in Handwerksberufen wie z.B. Installateur, Maler oder Zimmerer u.a.m. Vieles ist kleinteilig strukturiert, daher arbeitsintensiv und insofern schwer automatisierbar. Generell sind Arbeitsabläufe auf Baustellen weniger leicht standardisierbar als in der „stationären" Fertigung.

Die zunehmende Breitenwirksamkeit von digitalen Anwendungen im Bausektor dürfte kein Jobkiller, aber auch kein Jobbringer werden. In einer Bilanzierung der gesammelten Befunde lässt sich bei allen Unwägbarkeiten prognostizieren, dass die zunehmende Verbreitung von digitalen Technologien in Ablaufprozessen der Bauwirtschaft mit Blick auf den branchenweiten Personalstand in den nächsten fünf bis zehn Jahren (ceteris paribus) zu folgenden Entwicklungen führen dürfte:

  • Stabilität bis leichte Zunahme der Beschäftigung bei hochqualifizierter nicht-manueller Arbeit von BauingenieurInnen, IT-Fachkräften u.a.m.;
  • tendenzielle Abnahme von nicht-manuellen (Büro-)Routinetätigkeiten bei Angestellten;
  • Stabilität der Beschäftigung bei FacharbeiterInnen in Bauberufen, wobei die oft geäußerte hohe Nachfrage zum Teil Folge der fehlenden Verfügbarkeit von geeignetem Personal ist;
  • Abnahme der Beschäftigung bei an- und ungelernter manueller Hilfsarbeit in der Baubranche.

Bei der Erörterung von technologischen Rationalisierungspotenzialen ist (vereinfachend) zwischen „Software" (z.B. BIM, KI) und „Hardware" (z.B. 3D-Druck, Robotik) sowie zwischen manueller vs. nicht-manueller Arbeit zu differenzieren. Die quantitativ relevanteren – mittelfristigen – Potenziale liegen in der Automatisierung von manuellen Tätigkeiten, insbesondere in der Standardisierbarkeit im Rahmen der Offsite-Komponentenvorfertigung (unterstützt durch Computer-basierte Präzision). Der medial gelegentlich ins Spiel gebrachte Jobkiller der additiven Fertigung via 3D-Druck im (Komponenten-)Bau ist ebenfalls entlang dieser Argumentation zu verorten, wird allerdings ExpertInnen zufolge erst in einer ferneren Zukunft vermehrt Praxis-Relevanz erhalten.

Effizienz steigernde Software-Anwendungen in der Baufacharbeit i.e.S. dürften nicht so schnell Job-rationalisierende Wirkung entfalten. Sollten z.B. BIM-Lösungen mit der möglichst lückenlosen Integration von Gebäudedaten in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase eine Erfolgsgeschichte werden, liegt ein zeitnahes Risiko weniger in den Arbeitsplatz sparenden Wirkungen, sondern eher darin, dass Differenzen zwischen Vorreitern und Nachzüglern der Digitalisierung auf Unternehmensebene größer bzw. traditionell agierende KMU abgehängt werden dürften.

Wichtiger als das Risiko eines signifikanten Abbaus der Branchenbeschäftigung durch mehr Technologieeinsatz ist ein häufig bekundeter Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft, der sich vor allem auf junge und gut ausgebildete Fachkräfte in Lehrberufen bezieht. Wenn vom zunehmenden Einsatz digitaler Technologien in der Bauwirtschaft die Rede ist, dann auch entlang einer Logik, wonach damit zugleich versucht wird, fehlende Fachkräfte durch vermehrten Technologieeinsatz zu kompensieren.

Außerdem: Die Bauwirtschaft inkl. Baunebengewerbe werden in den nächsten beiden Jahrzehnten wahrscheinlich DER Gewinner von mehr Umwelt- und Klimaschutz sowie der Umrüstung von Infrastrukturen in Richtung Dekarbonisierung sein (z.B. thermische Sanierung, Ausbau Photovoltaik, Energie- und Materialeffizienz, aber auch Aufräumarbeiten nach Extremwetterereignissen u.a.m.).

Publikationen

Digitale Transformation der österreichischen Bauwirtschaft und Auswirkungen auf die Erwerbstätigen

In einer Trendanalyse werden wahrscheinliche Auswirkungen der digitalen Transformation in der österreichischen Bauwirtschaft auf den Branchen-Arbeitsmarkt untersucht. Auf Basis von Feedback von BranchenexpertInnen wird für die kommenden fünf bis zehn Jahre analysiert, für welche Berufsgruppen digitalisierungsinduzierte Effekte eher zu einer steigenden vs. sinkenden Arbeitskraftnachfrage führen. Schriftenreihe 15/2021
H. Eichmann
Herausgeber: BMK
Deutsch, 94 Seiten

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