gigaTES Großwärmespeicher: Schlüssel­element zur Dekar­bonisierung und Flexi­bili­sierung von Fernwärme

Das Leitprojekt gigaTES zeigt, welche Materialien und Bau­konzepte sich für Groß­wärme­speicher in Mittel­europa eignen und liefert Erkennt­nisse zur Speicher­effizienz und Erreichung von 100 % Erneuerbaren in Fern­wärme­netzen. Das Projekt wurde von der IEA als Highlight gewürdigt.

Fernwärmenetze, die zu 100 % mit erneuerbaren Energien versorgt werden, benötigen ein hohes Maß an Flexibilität. Großwärmespeicher können diese Technologie zur Flexibilisierung und Dekarbonisierung darstellen, da große Mengen an erneuerbarer Wärme/Abwärme vom Sommer in den Winter gespeichert werden.

Der bis jetzt größte Wärmespeicher wurde in Dänemark (Vojens) umgesetzt, dessen Volumen bei 200.000 m³ liegt. Im Projekt gigaTES wurden aber Großwärmespeicher untersucht, deren Speichervolumen um das Zehnfache größer ist. Zusätzlich sind die Randbedingungen in Österreich und Mitteleuropa anspruchsvoller, sodass hohe Anforderungen an die Technologie, Abdichtungsmaterialien und die Konstruktion von unterirdischen Speichern gestellt werden.

Diesen Herausforderungen stellte sich das vom Klima- und Energiefonds geforderte Leitprojekt gigaTES, das auch bei den Highlights der Energieforschung 2021 und der IEA-Initiative „Part of Today in the Lab – Tomorrow in Energy?" hervorgehoben wurde. Die Entwicklungen reichen von neuen Materialien und Baukonzepten, der Bewertung der Effizienz von Großwärmespeichern, der Analyse der Wechselwirkung mit der Umgebung sowie der Integration in Fernwärmenetze. 18 internationale Partner aus Forschung und Industrie arbeiteten dabei unter der Leitung von AEE INTEC zusammen. Zu ihnen zählten Material- und Komponentenhersteller, Bauunternehmen, Energieversorgungsunternehmen sowie nationale und internationale Forschungsinstitute.

Neue Materialien

Abdichtungs- und das Wandmaterial muss für den Einsatz in einem gegen Wasser und Wasserdampf bei hohen Temperaturen bis zu 95 °C beständig sein. Dazu wurden neuartige Kunststoffabdichtungsmaterialien erprobt und hinsichtlich ihrer Langzeitbeständigkeit kontinuierlich verbessert, sodass bei höheren Temperaturen eine Verdoppelung der Lebensdauer im Vergleich zu bestehenden Materialien zu erwarten ist.

Innovative Baukonzepte

In einem dicht bebauten, städtischen Umfeld muss der Platzbedarf minimiert werden. Aus diesem Grund sind vertikale Wandbauweisen Bestandteile der entwickelten Baukonzepte im giga-Maßstab. Für die unterschiedlichen Volumengrößen, Flächenverfügbarkeiten und geotechnische Beschaffenheiten sind verschiedene Auslegungsvarianten, von tiefen und hybriden Erdbeckenspeichern bis hin zu tiefen Behälterspeichern konzipiert worden. Insbesondere die Speicherung von Wasser bei hohen Temperaturen über einen langen Zeitraum kann zu erheblichen Wärmeverlusten führen. Für diese Anwendung wurde ein neuer Ansatz, die so genannte Dämmbohrpfahlwand entwickelt und patentiert. Die nicht wie üblich mit Beton, sondern mit gut gedämmten Glasschaumschotter gefüllt wird.

Neue Abdeckungen

Neben dem Erdbau eines Großspeichers ist die Abdeckung wesentlich für den wirtschaftlichen und nachhaltigen Betrieb und hat eine Reihe von Funktionen, wie z. B. wasser- und dampfdichte Abschlüsse gegenüber der Umgebung und dem Speichermedium, Wärmedämmung, Ableitung von Niederschlagswasser und Bereitstellung von Festigkeit zur Aufnahme von Eigengewicht und Nutzlasten. Im Rahmen des Projekts wurden zwei innovative Abdeckungskonzepte entwickelt und patentiert, eine getauchte und eine schwimmende Variante. Die Lösungen wurden mit dem Ziel entwickelt, die Abdeckung aktiv als Erholungsraum, für Gewächshäuser oder für die Installation von Solarthermie- oder PV-Anlagen zu nutzen.

Nummerische Simulation und Systemintegration

Ein Schlüsselelement zur erfolgreichen Umsetzung eines Großwärmespeichers ist die fundierte Planung und Konzeption. Eine Reihe von nummerischen Simulationswerkzeugen wurden entwickelt, um das Funktionieren eines Wärmespeichers in seiner Umgebung zu optimieren, z.B.: bei vorhandenem Grundwasser oder der Interaktion mit dem Fernwärmesystem. Der Einfluss verschiedener Konzepte für eine interne und externe Wärmedämmung der Speicherwand, das thermodynamische Verhalten des Wassers im Speicher und damit der energetische und exergetische Wirkungsgrad des Speichers, sowie die Wechselwirkung mit dem umgebenden Erdreich wurden mit Hilfe detaillierter Mehrjahressimulationen untersucht.

Zwei Fallstudien

Die Verbesserung der Gesamteffizienz des Systems und die Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien werden anhand von zwei repräsentativen Fallstudien gezeigt. Analysiert wurden ein kleineres Fernwärmesystem mit einem Großwärmespeicher bis 100.000 m³ und ein mittelgroßes Fernwärmenetz mit einem Speichervolumen von 1.200.000 m³. Hauptziel ist, die fossilen Spitzenlastzeiten im Winter durch die Speicherung von solarthermischer und geothermischer Wärme aus dem Sommer zu reduzieren. Zudem wurden die Fallstudien mit einem Baukostentool kombiniert, sodass eine erste Abschätzung der gesamten Investitionskosten und Speichergestehungskosten möglich war.

Das Projekt gigaTES hat insgesamt viele grundlegende Erkenntnisse und drei patentierte Konstruktionslösungen gebracht. Im nächsten Schritt sollen die Entwicklungen an der Praxis gemessen und ein erstes Demonstrationsprojekt umgesetzt werden. Auch international im IEA Energy Storage TCP, speziell im Task 39 „Large Thermal Energy Storages for District Heating" tragen die Ergebnisse des gigaTES zur weiteren Planung, Konzeption und Realisierung von Großwärmespeichern bei. Da gerade in einer Reihe von Ländern, z. B. in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Serbien, dem Kosovo und Polen, selbst Pläne zur Umsetzung in Erarbeitung sind.

Downloads

Das finale Webinar, der publizierbare Endbericht sowie zahlreiche Publikationen sind unter www.gigates.at nachlesbar:

gigaTES in der energy innovation austria Ausgabe 5/2021