Berichte aus Energie- und Umweltforschung 17/1997
Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe
Inhaltsbeschreibung
Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist ein konkreter Versuch, die globale und regionale Stoffstromkrise, die durch eine weitreichende Nutzung fossiler und mineralischer Rohstoffe ausgelöst wurde, in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus liefern nachwachsende Rohstoffe für die Bewahrung der Land- und Forstwirtschaft, und damit für die gesamte Kulturlandschaft, einen essentieller Beitrag.
Die Studie zeigt, dass die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe im Non-food Bereich auf etwa 14% des Gesamtflusses an nachwachsender Rohstoffe beschränkt ist, wobei nur 0,8% andere Rohstoffe als Holz (hauptsächlich Zellstoff, Papier Bauholz, Möbel) betreffen. In jenen Bereichen, in denen heute schon große Mengen umgesetzt werden, läuft eine sehr intensive technische Entwicklung ab. Diese Bereiche können als konventionelle Nutzung' nachwachsender Rohstoffe bezeichnet werden. Sowohl die Institutionen der technischen Entwicklung als auch die verwendeten Technologien sind etabliert. Industrie und Gewerbe sind hier bereits fester Bestandteil des Wirtschaftssystems und entwickeln sich nach den Gesetzen des Marktes als auch im Hinblick auf Vertriebs- und Rohstoffbereitstellungssysteme anzutreffen. Zu den in Österreich vorkommenden Verarbeitungswegen zählen Lösungs- und Schmiermittel, Polymere, Farben und Lacke, Dämmstoffe, Tenside und Reinigungsmittel, Düngemittel, Textilien sowie Wirkstoffe und Arzneimittel.
Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe bringt nachweislich (bewertet über den ökologischen Fußabdruck, SPI) eine Entlastung der Umwelt mit sich, wenngleich diese stark von der verwendeten Technologie und dem verwendeten Rohstoff abhängt. Hier gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Eingriffstiefe und ökologischer Entlastung. Je größer die Eingriffstiefe bei Rohstoffbereitstellung (Anbau, Ernte, Logistik) und Rohstoffverarbeitung (Konditionierung, Lagerung, Verarbeitung) ist desto geringer die Entlastung (Faktor 10 bis 90).
Nichtinvasive Technologien zur Gewinnung von Wertstoffen oder zur Ausnutzung von hochspezialisierten Strukturen, die in nachwachsenden Rohstoffen angetroffen werden, sind eine Zukunfts-Schlüssel-Technologie. Sie sind Teil einer "Hypertech", die High-tech Hilfsmittel (Biotechnologie, Gentechnik, komplexe Steuerungen, etc.) ebenso integriert wie die Natur als hocheffektive Synthesefabrik.
Demgegenüber steht der Bereich, der zwar in bezug auf die verarbeiteten Mengen zur Zeit eher unbedeutend ist, der aber in einer raschen und innovativen Entwicklung begriffen ist. In diesem Bereich sind eine große Anzahl von neuen Technologien oder Adaptierung konventioneller Verfahren an neue Anwendungsaufgaben zu erkennen. Viele dieser Technologien treten dabei in direkte Konkurrenz zu konventionellen Technologien auf fossiler Rohstoffbasis. Diesem Bereich widmet sich diese Studie.
Die stoffliche Nutzung nachwachsende Rohstoffe ergibt eine Fülle von organisatorischen Anreizen, die sowohl positiv in Hinblick auf technologiepolitische Ziele als auch in Hinsicht auf die Umsetzung des Konzeptes nachhaltiger Entwicklung wirken. Diese kann eine dichte regionale Vernetzung von Wirtschaftsaktivitäten ebenso wie von Forschung, Entwicklung und Innovation durch die stoffliche Verwertung biogener Rohstoffe auslösen. Neben der technischen Vielfalt sind in diesem Bereich auch innovative und diversifizierte Organisationsformen, sowohl in Hinsicht auf die technische und wirtschaftliche Entwicklung der Verfahren.
Eine Stoffflusswirtschaft auf der Basis nachwachsender Rohstoffe ist komplexer als die derzeit übliche fossil-basierte Wirtschaft. Sie bietet eine Fülle von Möglichkeiten Stoffkaskaden zu nutzen und benötigt eine stärkere Organisation und Koordination der Ver- und Entsorgungswege, soll der ökologische Nutzen voll ausgeschöpft werden. Diese Bewertung zeigt eindeutig, dass der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe eine Schlüsselfunktion für zukünftige Technologiepolitik zukommt. Eine gezielte Förderung dieses Bereiches ist daher notwendig.
Die wichtigsten Bausteine, die bei der Konzeption einer Technologiepolitik zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe berücksichtigt werden müssen, sind kleine Unternehmensstrukturen, wenig vorhandene Kooperation der Akteure untereinander (kaum Wissenstransfer) und vor allem ein nichtadequates Normungssystem. Um daher die volle Innovationsbreite nutzen zu können sind insbesondere Maßnahmen zu ergreifen, die Kooperationsstrukturen und Cluster formen.
Für Österreich ist die verstärkte stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe eine interessante Möglichkeit, sowohl die technologische Position Österreichs auf dem Weltmarkt zu verbessern als auch einen Schritt in Richtung nachhaltiger Entwicklung zu machen. Dabei sollte nicht nur der ökologische Nutzen der Verwendung nachwachsender Rohstoffe allein im Mittelpunkt des Interesses stehen. Mindestens gleichwertig ist die Chance durch gezielte Maßnahmen auf dem Gebiet der Technologieförderung neue Organisationsformen zu initiieren, die zur größeren Vernetzung auf regionaler Ebene, aber auch entlang von Produktlinien führt. Solche vernetzte Systeme und Cluster sind eine unverzichtbare Basis nachhaltiger Entwicklung.
Die in der Studie vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bündelung der österreichischen Aktivitäten zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe sind auf den derzeitigen Stand abgestimmt. Sie können grob in drei Kategorien unterteilt werden, die zur Stimulation innovativer Technologien beitragen sollen:
- Maßnahmen zur Förderung der Technologieentwicklung: Zu diesen zählen die Errichtung von Technologieclustern, gezielte Schwerpunktförderung in den Clustern und Finanzierungsanreize.
- Maßnahmen zur Verbreitung (Diffusion), Akzeptanzförderung (Adoption) und Vertiefung (Forschung) des notwendigen Wissens: Ein bedeutender Bereich für die Vertiefung von Wissen ist die Grundlagenforschung (z.B.: Charakterisierung, Einfluss von Züchtung und Anbau auf die Rohstoffeigenschaften, optimale Lagerung) und die Technologieforschung (z.B.: Feststoff-Biotechnologie, Trocknungstechnik, Konditionierung). Daneben sollen marktnahe Entwicklungskapazitäten die Diffusion des Wissens erhöhen und zu einer verstärkten Umsetzung führen. Kompetenzzentren für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe sollen auch zwischen den Clustern Wissen vermitteln.
- Maßnahmen zur Verbesserung der Umsetzung technologischen Entwicklung: Flankierende Maßnahmen, die eine vermehrte Nutzung (und damit die Umsetzung von Nutzungsformen) bewirken sind zu setzen. Dazu zählen ein geändertes Preisgefüge (z.B. CO2-Steuer), ein intensives Marketing (z.B. über Cluster) und die Einführung eines Normungssystems für nachwachsende Rohstoffe, das auf deren spezifische (heterogene) Eigenschaften Rücksicht nimmt.
Neben diesen direkten und indirekten Maßnahmen zur Forcierung der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe sollten getrennte Entsorgungs- und Verwertungsschienen aufgebaut werden. Daneben ist zu gewährleisten, dass traditionelles Wissen über Anbau, Ernte und Verarbeitung wissenschaftlich erfasst und dokumentiert wird. Dies könnte durch eine Stiftung "Handwerk für die Zukunft` durchgeführt werden. Aufgaben dieser Stiftung ist die Tradierung alten handwerklichen Könnens und Wissens an interessierte Gewerbe-treibende bzw. Firmengründer, Erfassung alten Handwerkswissens und Systematisierung dieses Wissens sowie Eintritt in einen Dialog mit Kompetenzzentren, um dieses Wissen für die Entwicklung neuer Technologien nutzbar zu machen. Gleichzeitig sichert diese Stiftung den Fortbestand alter Handwerkstätigkeiten und damit ein Stück lebende Kulturgeschichte unseres Landes.
Bibliographische Daten
"Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe"
C. Krotscheck, R. Wimmer, M. Narodoslawsky
(alle: Institut für Verfahrenstechnik, Technische Universität Graz)
Berichte aus Energie- und Umweltforschung 17/1997
Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr
124 Seiten
Graz, Oktober 1997