Berichte aus Energie- und Umweltforschung 18/2002
Grüne Bioraffinerie - Integrierte Grasnutzung als Eckstein einer nachhaltigen Kulturlandschaftsnutzung.
Inhaltsbeschreibung
Grüne Bioraffinerien sind integrierte Systeme zur ganzstofflichen Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Wiesengrünmasse ("Gras") bzw. Silage. Ziel ist es mittels nachhaltiger Technologien ein "Multi-Product" System aufzubauen, dass durch seine betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit zum Erhalt der Kulturlandschaft und zur Einkommenssicherung der Landwirte beiträgt. Zur Durchführung dieses Projekts wurde ein schlagkräftiges primär österreichisches WissenschafterInnen-Team gebildet. Aber auch Partner aus Deutschland wurden für die Forschung an der österreichischen Variante der Grünen Bioraffinerie gewonnen.
Ziel des Projektes "Grüne Bioraffinerie" war es ein GBR Gesamtkonzept zu entwickeln, das die kleinräumige österreichische Landwirtschaft bestmöglich berücksichtigt. Durch die vorgegebene dezentrale Struktur wurde Silage als wichtiger Rohstoff identifiziert. Aufgabe war es nun diesen Rohstoff gemeinsam mit frischer Wiesengrünmasse zu erzeugen und umfassende Untersuchungen zu unternehmen, die es im Rahmen dieses Berichts erlauben eine aussagekräftige Technologiebeschreibung zu erarbeiten und ein GBR Modell zu entwickeln, das auf seine Wirtschaftlichkeit geprüft wird. Als Modellregion wurde das "Steirische Vulkanland" - als Teil der Oststeiermark.
Es wurden folgende Arbeiten durchgeführt:
- Projektkoordination und Modellierung des Gesamtsystems (technologisch und wirtschaftlich)
- Erzeugung der Rohstoffe (Wiesengrünmasse und Silage)
- Erzeugung von geeigneten Silagestarterbakterien
- Analytik der Rohstoffe
- Analytik der Fraktionierungsprodukte
- Abtrennungsversuche - Produkterzeugung
- Potenzialanalyse der Hauptprodukte
- Beurteilung der technischen Machbarkeit
- Beurteilung der wirtschaftlichen Machbarkeit
- Erhebung der ökologischen Faktoren bezüglich der Wiesen im Raum Feldbach, Stmk.
- Potenzialerhebung der verfügbaren Wiesen in der Süd-Oststeiermark
- Potenzialanalyse feinstofflicher Produkte (Low-Volume - High-Price)
Wiesengrünmasse birgt enormes Potenzial in Österreich. Nach Schätzungen des BAL-Gumpenstein könnten 500.000 bis 1.000.000 t TM (Tonnen Trockenmasse) Wiesengrünmasse durch geänderte Nutzungsbedingungen bis 2008 als Nachwachsender Rohstoff (NAWARO) verfügbar werden. Sollte dieser Fall eintreten, so wäre der Rohstoff von der Wiese nach Holz wohl der wichtigste NAWARO in Österreich.
Wiesengrünmasse bietet allerdings nicht ein Spezialprodukt an, wie z.B. Stärke (Kartoffel, Mais) oder Zucker (Zuckerrübe), sondern zeichnet sich durch ihre Vielseitigkeit aus. Die wichtigsten Bestandteile von Gräsern sind Zucker, Proteine (Aminosäuren) und Fasern, aber auch feinstoffliche Substanzen (z.B. Chlorophyll, Carotine oder Xanthophylle) können gefunden werden.
Aufgrund der Erkenntnisse, die im Rahmen des BBK Projektes erarbeitet wurden, werden die Produkte auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft und dann, für Grün und Silage getrennt, ein Gesamtsystem modelliert. Als Referenzprozess (Benchmark) dient eine Biogasanlage, die zunächst mit den gesamten GBR Rohstoffen betrieben wird.
Um die Übersichtlichkeit des komplexen Systems zu gewährleisten werden Module (= Process-Units) definiert:
- Rohstoffe - Anbau, Ernte, zum Teil Silierung mit Starterkulturen
- Fraktionierung (Vorbereitung, Pressung)
- Herstellung von Proteinkonzentraten (3-1 aus GJ; 3-2 aus SJ)
- Herstellung von Milchsäure u. Derivaten aus Silagesaft
- Herstellung von Grasfaserprodukten aus den Presskuchen
- Umsetzung von Restströmen unterschiedlicher Zusammensetzung in einer Biogasanlage zur Erzeugung von Energie
Im Rahmen des Projekts wurden im Jahr 2000 und 2001 Feldversuche durchgeführt, um möglichst praxisnah Aussagen über die Rohstoffe einer Grünen Bioraffinerie zu erhalten. Wechselwiesen (Kleegras), Sämereiwiesen (Bastardraygras und Knaulgras) und Dauerwiesen wurden durch lokale Landwirte und dem Kornberg Institut bestellt, Ertragserhebungen durchgeführt und Silagen (Milchsäureerzeugung) mit speziellen Starterbakterien erzeugt. Das IFA-Tulln wählte die auf Milchsäureproduktion optimierten, Bakterienkulturen im Labor aus und erzeugte im Pilot-Maßstab gefriergetrocknete Silagestarter.
Die Silageerzeugung im Rahmen einer Grünen Bioraffinerie dient einerseits dazu den Rohstoff Wiesengrünmasse zu konservieren und ihn daher ganzjährig verfügbar zu halten, andererseits bietet die Silage ein wertvolles Fermentationsprodukt - die Milchsäure. Optimierte Starterkulturen bieten das Potenzial Milchsäure in Größenordnungen von 10 % i. d. TM Silage zu erzeugen.
Um wasserlösliche Produkte aus Wiesengrünmasse (Proteine) und Silage (Milchsäure) zu gewinnen ist ein Fraktionierungsschritt notwendig. Durch Vorbehandlung (Zerkleinerung bzw. Zellaufschluss) und Pressung wird das Ausgangsmaterial in einen Presssaft (Juice) und in einen faserreichen Presskuchen (~ 50 % TM) aufgetrennt. Im Presssaft befinden sich, je nach Rohstoff, die Hauptkomponenten Proteine, Zucker, Milchsäure und Asche. Durch die Fraktionierungseinheit wird die Ausbeute der im Saft gelösten Wertstoffe bestimmt. Sie stellt daher ein zentrales Modul der GBR dar.
Die BAL-Gumpenstein (Feststoff) und das IFA-Tulln (Saftphase) sorgten für umfassende und aussagekräftige Analytik. Auf Basis der Anlyseergebnisse und Abtrennungsversuchen erstellten die Mitarbeiter des Kornberg Instituts eine aussagekräftige Technologiebewertung. Die These, dass Proteine aus Grünem Saft (Green Juice = GJ) und Silagesaft (Silage Juice = SJ) mit der selben Technologie abgetrennt werden können musste verworfen werden. Erste Aufreinigungsschritte der Milchsäure an der Universität Potsdam bei den deutschen Projektpartnern haben wichtige Informationen für die künftige Technologiegestaltung erbracht. Das Forscherteam erzeugte erfolgreich Ethyllactat aus einem SJ - Nanofiltrationspermeat.
Die Erkenntnisse aus den Versuchen ließen es zwingend erscheinen, dass die "Grüne Linie" und die "Silage Linie" technologisch und wirtschaftlich eigenständig bewertet werden. Ausnahme bildet die Biogasanlage, die die Reststoffe aus beiden Linien gesamt verwerten soll.
Das Institut für Biotechnologie der TU-Graz testete je ein GJ und ein SJ - Ultrafiltrationspermeat auf seine Tauglichkeit als Zuschlagsstoff in der PHA (Polyhydroxyalkanoate) Erzeugung. Die Versuche zeigten Erfolg und es kann nun davon ausgegangen werden, dass derartige Permeate, auch wenn die Milchsäure aus dem Saft abgetrennt wurde, in der Fermentationsindustrie als Promotoren eingesetzt werden können.
Die Verwertung des Presskuchens (PK) oblag im Rahmen dieses Projekts dem IFA-Tulln. Es sollte versucht werden die Presskuchen teilweise zu hydrolysieren, um gelöste Zucker zu gewinnen, die ebenfalls an die Fermentationsindustrie verkauft werden könnten. Es stellte sich allerdings heraus, dass die PKs eine derartig hohe Pufferkapazität besitzen, so dass die für die Hydrolyse notwendige pH Wert Absenkung mit Schwefelsäure nicht ausreichend stattfinden kann. Erst die Hydrolyse nach einer vorhergehenden Kaltwasserextraktion brachte brauchbare Ergebnisse. In die Wirtschaftlichkeitsberechnung fand dieses Produkt allerdings keinen Eingang, da die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der PK Hydrolyse nicht gegeben ist. Weiterführende Forschung der Forschungsgesellschaft Joanneum (FGJ) befasst sich nun mit der direkten Verwertung des Presskuchens als z.B. Dämmstoff oder im Pflanzenbau (Vliese).
W. Graf von der ARGE Biogas erarbeitete den Biogasreferenzprozess. Sowohl Silagepresskuchen als auch ein SJ Ultrafiltrationspermeat wurde für Biogasversuche herangezogen. Die Ergebnisse zeigen, dass aus dem PK ca. 500 m² Biogas/ t oTM und aus dem SJ-Permeat ca. 600 m²/t oTM erwartet werden können. Diese Daten flossen in die Modellierung des Biogasreferenzprozesses ein, der durch die Fa. ENTEC unterstützt wurde.
Durch das Institut für Umweltgeologie und Ökosystemforschung des Joanneum Research in Graz wurde schließlich ein Spezialkapitel erstellt, dass sich mit der ökologischen Wertigkeit der Wiesen im Raum Feldbach auseinandersetzt. Die 10 am häufigsten gefundenen Arten wurden auf ihr feinstoffliches Potenzial hin überprüft. Zusätzlich konnte noch ausgeführt werden, wie viel Wiesengrünmasse im Raum Süd-Oststeiermark derzeit ungenutzt ist und für eine Grüne Bioraffinerie zur Verfügung stünde.
Die gesammelten Erkenntnisse fanden Eingang in Massenbilanzen und schließlich in die Modellierung der Wirtschaftlichkeit. H. Steinmüller zeigt in seinem Kapitel unter welchen Bedingungen einzelne Produkte, aber auch das Gesamtsystem wirtschaftlich sein können.
Die vorliegende Studie weist auf der Basis umfangreicher empirischer Untersuchungen und einer realistischen wirtschaftlichen Einschätzung des Potenzials der Grünen Bioraffinerie im österreichischen Kontext neue Wege zur Realisierung dieses Konzeptes. Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass sich Milchsäure eindeutig als Schlüsselprodukt für eine Grüne Bioraffinerie herauskristallisiert hat. Der wirtschaftliche Erfolg einer Bioraffinerie wird insbesondere davon abhängen, ob es gelingt, die Ausbeute an diesem Produkt zu optimieren. Demgegenüber tritt die Nutzung der frischen Grünmasse und die Produktion von Proteinen und Aminosäuren in ihrer Bedeutung deutlich in den Hintergrund.
Ein weiterer Aspekt, der durch die Untersuchungen zu Tage getreten ist, betrifft die Synergie mit anderen Verfahren, vor allem Verfahren zur biotechnologischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Hier zeigt sich, dass die Grüne Bioraffinerie sehr gut geeignet ist als Basis für weitere Verfahren zu dienen.
Grundsätzlich zeigt die vorliegende Studie, dass die Weiterverfolgung des Konzeptes der Grünen Bioraffinerie durchaus hohes technisches und wirtschaftliches Potenzial aufweist. Die konsequente technische Entwicklung dieses Konzeptes kann der weiteren Nutzung nachwachsender Rohstoffe wichtige Impulse geben und Österreich einen strategischen Vorsprung auf diesem Gebiet sichern.
Downloads
Grüne Bioraffinerie - Integrierte Grasnutzung als Eckstein einer nachhaltigen Kulturlandschaftsnutzung
Schriftenreihe 18/2002 S. Kromus. M. Narodoslawsky, C. Krotscheck
Deutsch, 311 Seiten, vergriffen
Downloads zur Publikation
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Grüne Bioraffinerie - Integrierte Grasnutzung als Eckstein einer nachhaltigen Kulturlandschaftsnutzung
Schriftenreihe 18/2002 S. Kromus. M. Narodoslawsky, C. Krotscheck
Deutsch, 311 Seiten, vergriffen
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Bibliographische Daten
Grüne Bioraffinerie - Integrierte Grasnutzung als Eckstein einer nachhaltigen Kulturlandschaftsnutzung
DI Stefan Kromus, Dr. Michael Narodoslawsky, Dr. Christian Krotscheck
Kornberg Institut
Berichte aus Energie- und Umweltforschung 18/2002
Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, des Landes Oberösterreich und des Landes Steiermark
311 Seiten
April 2002