Berichte aus Energie- und Umweltforschung 20/1997
Evaluierung integrativer Forschungsansätze

Eine Untersuchung von 26 Projekten der Abteilung für technologiebezogene Energie- und Umwelttechnik

Inhaltsbeschreibung

Für die vorliegende Evaluation wurden in Abstimmung mit dem Auftraggeber 26 Forschungsprojekte ausgewählt. Der Zeitraum der Vergabe dieser Projekte reicht von 1988 bis 1995. Es handelt sich um etwa ein Viertel aller von der Abteilung für technologiebezogene Energie- und Umwelttechnik in diesem Zeitraum vergebenen Auftragsarbeiten. Inhaltlich ging es um die Entwicklung von Modellen oder Strategien, um die Erforschung von Verbreitungsprozessen, die Bewertung bestehender Technologien und um die Begleitung von Umsetzungsprozessen. Das Gesamtauftragsvolumen betrug rund 50,6 Mio. Schilling. Davon wurden 43% durch das Wissenschaftsministerium, der Rest von anderen öffentlichen Stellen finanziert.

Den inhaltlichen Rahmen der Auftragsforschung des Wissenschaftsministeriums bilden bis heute das Forschungskonzept Umwelttechnik aus dem Jahr 1989 und das aus dem selben Jahr stammende Strategiepapier "Energieforschung als Instrument der Energiepolitik". Bereits bei der Erstellung dieser Grundlagen wurde klar, dass wertvolles Wissen und entwickelte Techniken zwar oftmals vorhanden, aber potentiellen Nutzern nicht bekannt oder zugänglich sind.

Vor diesem Hintergrund begann sich die Auftragsforschung ab 1990 mit den Bedingungen und Instrumenten für die Verbreitung von Technologien im Rahmen von Forschungsprojekten zu beschäftigen. Die Ergebnisse dieser Projekte bestätigten die neue Ausrichtung der Abteilung und führten zur Schaffung neuer Forschungsschwerpunkte.

An die in diesen Schwerpunkten durchgeführten Projekte wurden vom Auftraggeber neue Anforderungen gestellt: sie sollten "integrativ", "interdisziplinär" oder "ganzheitlich" sein. Jene Arbeiten, auf die diese Merkmale zutreffen, wurden in der vorliegenden Studie untersucht (N=22 Projekte).

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: In bezug auf die Entstehung der Forschungsprojekte waren die Auftragnehmer rückblickend der Meinung, dass eher sie die Idee zum Projekt hatten und nicht der Auftraggeber, dass eher sie die Fragestellung des Projekts bestimmten und dass der Auftraggeber einen eher geringen Einfluss auf den Offertinhalt ausübte.

Obwohl es sich bei den untersuchten Projekten um Auftragsarbeiten des Wissenschaftsministeriums handelte, kam etwa die Hälfte aller Projektideen von den Auftragnehmern. In allen Projekten wurde nach Einschätzung der ProjektleiterInnen multi- oder interdisziplinär gearbeitet. Eine Einschätzung, die sich in den Projektberichten allerdings nur zum Teil widerspiegelt. Außerdem arbeiteten bei der Hälfte aller Vorhaben nicht mehr als zwei Fachrichtungen zusammen, d. h. in diesen Fällen wurde lediglich eine "Minimalvariante" interdisziplinärer Arbeit verwirklicht. Insgesamt waren 22 verschiedene Fachrichtungen beteiligt, wobei technische sowie sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen dominierten.

Die Zusammenarbeit in den Projekten erfolgte in erster Linie durch Gruppenhandeln (nach Krott 1992 gibt es 4 Typen der Projektkoordination: Systemmodell, Gruppenhandeln, Aushandlung, Projektleitung). Für eine Koordination der Arbeit durch regelmäßige Diskussionen waren die Projektgruppen allerdings zu groß. Im Durchschnitt bestand ein Projektteam nämlich aus acht Personen. Hier mag einer der Gründe für den zeitlichen Mehraufwand in den Projekten - im Schnitt um 34% mehr als vorgesehen - liegen. Diese Tatsache wurde von fast allen Befragten auf die multi- oder interdisziplinäre Arbeitsweise zurückgeführt. Daraus kann man schließen, dass der hier ermittelte Mehraufwand nicht automatisch entstehen muss, sondern durch die Wahl geeigneter Koordinationsformen in Grenzen gehalten werden könnte.

Ein weiterer Grund für den zeitlichen Mehraufwand lag im starken Umsetzungsbezug von etwa einem Drittel aller Projekte. Projekte, in denen die Betroffenen stark einbezogen waren und durch Beratungsleistungen der Projektmitarbeiterlnnen konkrete Maßnahmen vor Ort initiiert wurden, standen vor dem Problem, dass der Beratungsbedarf vor Ort im vorhinein schwer abschätzbar war, dass auch ein von "außen" finanziertes Projekt eine lokale Umsetzungsdynamik in Gang setzen kann, der sich die MitarbeiterInnen nicht so leicht entziehen konnten, dass einzelne ProjektmitarbeiterInnen der Doppelrolle Forscher-Umsetzer nicht gewachsen waren (fehlende Kompetenz, fehlende wissenschaftliche Distanz).

Bei diesen Projekten kam es ausnahmslos - entgegen den ursprünglichen Plänen - zu einer Ausweitung der Beratungs- und Umsetzungsarbeiten "auf Kosten" der Forschung. Der überwiegende Teil der Projekte (15 von 22) zog konkrete Umsetzungsaktivitäten nach sich (bei 6 bereits während des Projekts, bei 9 im Anschluss daran). Beispielsweise wurden folgende Maßnahmen initiiert: Energietechnische Sanierungen von Gebäuden, ökologische Betriebsuntersuchungen, vorsorgende Umweltschutzmaßnahmen in Betrieben, ökologische Weiterbildung von Lehrlingen, der Bau von Solar- und Photovoltaikanlagen, diverse Energie und Müllprojekte u. ä.

In insgesamt acht Projekten aus der Stichprobe ging es in erster Linie darum, Modelle zu entwickeln. Von diesen Modellen sind bisher sieben zumindest ein weiteres Mal, im Rahmen eines ähnlichen Projektvorhabens, in einem anderen Ort oder Bezirk oder einem Betrieb zur Anwendung gekommen. Aus den 19 zum Befragungszeitraum abgeschlossenen Projekten ergaben sich insgesamt 20 Folgeprojekte.

Die Verbreitung der Projektergebnisse erfolgte über Vorträge und Artikel der Auftragnehmer und über BMWVK-Präsentationen und -Publikationen. Es wurden allerdings kaum wissenschaftliche Artikel publiziert, wodurch die Scientific Community nur wenig von diesen Projekten erfuhr und diese auch nicht aus wissenschaftlicher Sicht kritisieren konnte. Die meisten Projekte bedienten sich zwar wissenschaftlicher Modelle oder Theorien, die damit gemachten Erfahrungen wurden jedoch nicht an deren Produzenten rückgekoppelt.

Alles in allem sind sowohl die Auftragnehmer als auch der Auftraggeber mit den Projektergebnissen zufrieden. Die Auftragnehmer hatten teilweise höhere eigene Erwartungen bezüglich der Wirkung ihrer Arbeit, die sich jedoch nicht immer erfüllten. Trotz dieser generellen Zufriedenheit ergaben sich viele Probleme im Detail: Koordinationsschwierigkeiten, Probleme mit dem Zeitbudget, Meinungsverschiedenheiten in den Projektteams oder Probleme aufgrund mangelnder Kompetenz einiger MitarbeiterInnen. Bei Projekten, an denen VertreterInnen sehr unterschiedlicher Fachrichtungen teilnahmen, entstanden zudem erhebliche "Reibungsverluste", weil erst eine "gemeinsame Sprache" entwickelt werden musste.

Im Gegensatz zu einem "klassischen Forschungsprojekt" lässt sich ein integratives Projekt nach Meinung der befragten ProjektleiterInnen durch eine multi- bzw. interdisziplinäre Arbeitsweise, eine umfassende inhaltliche Konzeption, weitgehende Einbeziehung Betroffener und durch die Umsetzung von Ergebnissen und Maßnahmen charakterisieren. Auf Grundlage dieser Definition kann man tatsächlich alle 22 evaluierten Projekte als integrativ bezeichnen. Das Ausmaß, in dem die verschiedenen Aspekte umgesetzt wurden, variierte allerdings beträchtlich. Je mehr Aspekte auf umfassende Weise verwirklicht wurden, desto höher war auch der dafür notwendige finanzielle Aufwand. Projekte, bei denen Maßnahmen vor Ort umgesetzt wurden, waren im Durchschnitt sogar doppelt so teuer wie alle anderen Vorhaben. Dieser Mehraufwand entstand in erster Linie durch die für die Realisierung konkreter Veränderungen notwendigen Beratungsleistungen.

Projekte mit sehr vielen integrativen Merkmalen sind allerdings keineswegs als hochwertiger oder "besser" einzustufen als solche, bei denen nur in einigen Bereichen integrativ vorgegangen wird. Die damit angesprochene Qualität der Arbeiten wurde im Rahmen der vorliegenden Evaluation jedoch nicht fallbezogen sondern fallübergreifend bewertet.

Auf Basis der in den untersuchten Projekten gemachten Erfahrungen wurden einige Vorschläge erarbeitet, die zukünftigen integrativen Projekten als Unterstützung dienen können. Bereits in der Konzeptionsphase sollte demnach geklärt werden, aus welchen Gründen ein multi- oder interdisziplinäres Konzept sinnvoll erscheint, welche Disziplinen zur Erreichung der Projektziele notwendig sind, wie die Zusammenarbeit der verschiedenen FachvertreterInnen am besten zu koordinieren ist und wer für welche Arbeiten die Verantwortung trägt. Bei Vorhaben mit starkem Umsetzungsbezug sollte der Beratungsaufwand vor Ort nicht unterschätzt werden, um Schwierigkeiten mit der Doppelrolle Forscher-Umsetzer (Berater) zu vermeiden, wird hier die Trennung dieser beiden Aufgaben vorgeschlagen. Der praktische Nutzen von Forschungsergebnissen könnte durch gezielte Präsentationen bei ausgewählten Zielgruppen erhöht werden. Andererseits sollten die Ergebnisse von integrativen Projekten aber auch im Bereich der Scientific Community publiziert und diskutiert werden. Die Aufgabe der Evaluation bestand nicht darin, ein Ranking von 26 Forschungsprojekten zu erstellen, sondern aus den gesammelten Erfahrungen allgemeine Schlüsse zu ziehen.

Bibliographische Daten

"Evaluierung integrativer Forschungsansätze"
R. Hackstock, M. Ornetzeder

Berichte aus Energie- und Umweltforschung 20/1997

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr
90 Seiten