Berichte aus Energie- und Umweltforschung 3/1997
Einflussfaktoren und Strategien bei der Implementierung von umweltverträglichen Abwasserkonzepten in ländlichen Regionen

Identifizierung von Akteuren, Entscheidungsfaktoren, Umsetzungshindernissen und möglicher Strategien

Inhaltsbeschreibung

Die Frage der Abwasserentsorgung in ländlichen, dünn besiedelten Regionen bekam in Österreich in den letzten Jahren insbesondere durch die Wasserrechtsnovelle 1990 und die damit erlassenen Verordnungen aber auch bereits im Vorfeld der Novelle zu Ende der 80er Jahre besondere Aktualität. Entsprechend der gesetzlichen Regelungen müssen sämtliche Abwässer gemäß den Emissionsgrenzwerten unter Berücksichtigung der sich aus der Vorflutersituation ergebenden Immissionsgrenzen biologisch gereinigt werden. Dies bedeutet, dass die bis dahin häufig gebräuchlichen mechanischen Abscheidesysteme (teilweise mit anschließender Versickerung) nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen. Es entstand im dünn besiedelten Raum daher ein enormer Handlungsbedarf.

Die in der Folge übliche Lösung der Abwasserfrage im ländlichen Raum bestand und besteht in der Entwicklung von zentralen Abwasserentsorgungskonzepten. Alle Abwässer, auch von weit entfernt voneinander gelegenen Ansiedlungen werden in einer ausgedehnten Kanalisation gesammelt und häufig unter Einsatz von mehreren Pumpstationen zu einer zentralen Kläranlage transportiert bzw. zu einer noch größeren Verbandsanlage (für mehrere Gemeinden gemeinsam) abgeleitet.

Es wurde das zentrale Entsorgungskonzept, wie es für Zentralräume gebräuchlich und erprobt ist und für Städte durchaus die geeignete Vorgangsweise zur Abwasserentsorgung darstellt, auf völlig andere Umweltverhältnisse, andere Raum-, Sozial- und Siedlungsstrukturen übertragen, indem einfach das Kanalsystem entsprechend der großen Flächenausdehnung des Siedlungsraumes ebenfalls ausgedehnt wurde. Dieser Weg führt aber zunehmend zu Problemen ökologischer und ökonomischer Art und ist daher nicht unumstritten.

Die Kosten dieser Entsorgungsvariante sind, wie mittlerweile sehr viele konkrete Projekte zeigen, enorm hoch und übersteigen trotz großzügiger öffentlicher Förderungen häufig die Finanzkraft der ohnehin finanzschwachen ländlichen Gemeinden. Die Kosten für die Kanäle sind dabei deutlich höher als die Kosten für die Abwasserreinigungsanlage (ein Kostenverhältnis von 10-20% der Reinigungsanlage zu 80-90% der Kanäle ist keine Seltenheit).

Mit diesem Entsorgungssystem sind aber auch eine Reihe ökologischer Probleme verbunden. Die ausgedehnten Kanalsysteme haben einen hohen Reparatur- und Wartungsbedarf, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie undicht werden bzw. ist dies nur eine Frage der Zeit. Über undichte Stellen kann ungereinigtes Abwasser in den Untergrund versickern bzw. wird Bodenwasser über die Kanalisation abgeleitet und wird in der Folge zu einer hydraulischen Belastung der Kläranlage. Durch ausgedehnte Kanalsysteme können zwar kleinere Oberflächengewässer vor chemischen Beeinträchtigungen geschützt werden, mit den Kanälen ist aber doch eine erhebliche potentielle Umweltgefährdung verbunden. Fragen des Ressourcenverbrauches, Anfall und Behandlung von Reststoffen, Energieverbrauch, lokaler Wasserhaushalt usw. werden nicht berücksichtigt. In der Praxis werden (wurden) die Planungen für die Abwasserentsorgung einer Gemeinde an ein technisches Planungsbüro (Zivilingenieur f. das Bauwesen, Kulturtechnik od. dgl.) vergeben. Dieses entwickelt ein Projekt mit verschiedenen Varianten.

Die Auseinandersetzung, welches Modell der Abwasserentsorgung im ländlichen Raum das günstigere ist und daher verwirklicht werden soll, ist derzeit nicht abgeschlossen. Während auf betrieblicher Ebene und im städtischen Bereich die Errichtung von Abwasserentsorgungssystemen unspektakulär verlief bzw. verläuft, ist die Entwicklung im ländlichen Raum über weite Strecken sehr widersprüchlich und mit vielen Diskussionen behaftet. Die Ursachen für diese Konflikte werden in erster Linie auf technische und ökonomische Gründe zurückgeführt.

Die Einführung neuer Technologien - und die Alternativen der Abwasserentsorgung im ländlichen Raum beruhen sehr stark auf neuen Technologien aber auch auf neuen Organisationskonzepten - ist nicht nur eine Frage der Technik oder der Ökonomie sondern v.a. ein sozialer und kultureller Prozess. Für die Einführung von Innovationen sind daher auch soziale und kulturelle Einflüsse von Bedeutung. Die Abwasserentsorgung im ländlichen Raum ist insofern eine Innovation, als hier von den räumlichen Strukturen her, in der sozialen Durchsetzung aber auch in der Technologie Neuland betreten wurde.

Ziel des Forschungsprojektes war es daher,

  • die den Entscheidungsprozess bestimmenden Akteure zu identifizieren,
  • die relevanten Entscheidungsfaktoren für oder gegen eine bestimmte Lösungsstrategie aufzuzeigen,
  • darzustellen, welche Faktoren und Entscheidungskriterien bei den verschiedenen Akteuren und Entscheidungsträgern vorrangig sind, und
  • Ursachen und Hintergründe dafür zu ermitteln
  • sowie die Umsetzungshindernisse und mögliche Strategien für eine umweltverträgliche Abwasserentsorgung im ländlichen Raum zu identifizieren.

Als umweltverträgliche Abwasserentsorgungssysteme gelten jene, die in den gesetzlich geforderten Grenzwerten entsprechen, aber auch den Zielsetzungen eines modernen vorsorge- und kreislauforientierten Umweltschutzes ("sustainability,") gerecht werden und die lokalen Lösungsmöglichkeiten (small scale initiatives, eigenständige Regionalentwicklung, islands of sustainability) berücksichtigen.

Bibliographische Daten

"Einflussfaktoren und Strategien bei der Implementierung von umweltverträglichen Abwasserkonzepten in ländlichen Regionen"
Barbara Hahn (UMBERA GmbH)

Berichte aus Energie- und Umweltforschung 3/1997

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr
119 Seiten
Sankt Pölten, August 1996