3. Welche Anforderungen spielen eine Rolle?

Um eine möglichst optimale Eignung von Methoden für Anwendungen ableiten zu können, wurden

  • die Anforderungen von Entscheidungssituationen in Bezug auf umweltbezogene Informationen
  • und die Eigenschaften der in Frage kommenden PUIS

ermittelt. Das im Rahmen dieses Projektes entwickelte Kriteriensystem stellt einen konsistenten Rahmen für diese Aufgabenstellung dar. Bei der Erstellung wurde auch darauf Bedacht genommen, bestehende Systematiken einbeziehen zu können. Im Forschungsbericht sind die Eigenschaften der betrachteten Methoden sowie die Anforderungsprofile unterschiedlicher betrieblicher Entscheidungen ausführlich dargestellt.

Der Abschnitt "PUIS und ihre Eigenschaften" beruht ebenso auf dem im Folgenden vorgestellten Kriteriensystem wie die Gegenüberstellung "Umweltbezogene Entscheidungen in Unternehmen und geeignete PUIS".

Da umweltbezogene Entscheidungen in Unternehmen von einer Reihe von Rahmenbedingungen abhängen (siehe auch "Welche Rahmenbedingungen spielen eine Rolle?"), sollte sich jedes Unternehmen vor der Anwendung von PUIS einen Überblick über die im jeweiligen Fall zu erfüllenden Anforderungen verschaffen (siehe Tabelle 1).

Jede Aufgabenstellung betrachtet einen Ausschnitt der realen Welt, der durch den Umfang der Betrachtung bestimmt ist. In einem mehr oder weniger festgelegten Bewertungs- und Entscheidungsprozess gelangt man zu einem Ergebnis, welches an die jeweilige Aufstellung angepasst sein soll. Für die Festlegung des Betrachtungsrahmens, den Prozess der Durchführung sowie das Ergebnis kann eine möglichst exakte Anpassung an die jeweilige Aufgabenstellung, dh Fallspezifität gefordert sein. Daraus ergeben sich letztlich auch Anforderung an den Aufwand für AkteurInnen und technische Belange, um sicher zu stellen, dass die ausgewählte Methode auch praktikabel ist.

Von dieser Einteilung in Kriterien-Kategorien ausgehend ermöglicht eine Feinunterteilung der einzelnen Charakteristika eine detailliertere Erfassung von Anforderungs- und Eigenschaftsprofilen.

Tabelle 1 : Kriteriensystem zur Charakterisierung von betrieblichen Anforderungen bzw Eigenschaften von PUIS

  Kategorien   Untergruppen Kriterium (Skala: 0 – 4)
        "0":"4":
U Umfang L Länge (U-L) Standortbetrachtung ausreichend Einbeziehung des gesamten Lebenszyklusses notwendig
B Breite (U-B) Betrachtung einzelner Wirkungsdimensionen ausreichend Betrachtung vieler Wirkungsdimensionen wichtig
T Tiefe (U–T) Quellenorientierte Betrachtung ausreichend Verfolgung der Wirkungskette bis zu Auswirkungen wichtig
P Prozess P Partizipation (P–P) Partizipation nicht wichtig Partizipativer Prozess wichtig
M Methodik (P-M) keine standardisierte Methode notwendig standardisierte Methode wichtig
E Ergebnis E Entscheidungscharakter (E-E) kein entscheidungsorientiertes Ergebnis notwendig Entscheidungsorientierung des Ergebnisses wichtig
V Information (E-V) geringer Informationsgehalt ausreichend hoher Informationsgehalt und Verständlichkeit wichtig
F Fallspezifität Ra Rahmenbedingungen (F-Ra) keine Anpassbarkeit an spezifischen Fall notwendig Anpassbarkeit an spezifischen Fall wesentlich
RZ Raum/Zeit Verortung und zeitliche Betrachtung nicht wichtig Verortung und zeitliche Betrachtung wesentlich
A Aufwand A Für AkteurInnen (A-A)(Zeitlicher, finanzieller und Personal-Aufwand) Aufwand unerheblich Aufwand muss niedrig sein
T Technischer Aufwand (A-T)(Soft- und Hardware) Aufwand unerheblich Aufwand muss niedrig sein

3.1 Umfang

Jedes PUIS versucht eine Darstellung und teilweise eine Bewertung der Realität. Da nicht die Realität an sich betrachtet werden kann, erfolgt die Betrachtung nur von Teilen, die in den Betrachtungsgrenzen festgelegt werden. Daraus ergibt sich der Betrachtungsumfang einer Methode, er wurde in Einzelkriterien für drei Teile (Länge – Breite – Tiefe) untergliedert.

3.1.1 Länge (U-L)

Beim Betrachtungsumfang muss man sich darüber klar werden, ob die Einbeziehung möglichst vieler Lebenszyklusphasen für die Aufgabenstellung notwendig ist. Liegen die Hauptbelastungen hauptsächlich innerhalb der Bilanzgrenzen des Unternehmens, so scheint eine standortbegrenzte Betrachtung ausreichend zu sein.

Dies ist vor allem bei Umweltbetrachtungen von denjenigen Betrieben der Fall, welche die am meisten belastenden Prozesse am Standort durchführen. Liegen maßgebliche Belastungen aber außerhalb des betriebliches Wirkens, wie dies zB bei petrochemischen Produkten der Fall ist, oder stellen die Belastungen der Nutzungsphase, wie zB beim Auto, den größten Problembereich dar, so ist eine Einbeziehung auch dieser Phasen des Lebenszyklusses notwendig. Bei vielen Anwendungen sind die Anteile der einzelnen Lebenszyklusphasen unbekannt, sodass dann eine Einbeziehung des gesamten Lebenszyklusses unumgänglich ist.

3.1.2 Breite (U-B)

Unter Breite der Betrachtung muss definiert werden, ob die Betrachtung in einzelnen Belastungs-Dimensionen ausreicht, oder auch eine Auswirkung in anderen Dimensionen bis hin zu sozialen, politischen und gesellschaftlichen Einflüssen von Bedeutung ist, die es einzubeziehen gilt.

So ist bei Standortstrategien neben den Umweltverbesserungen und ökonomischen Aspekten auch die soziale Seite, die Einbindung in die Region usw für eine dauerhafte Standortakzeptanz wesentlich. Die Berücksichtigung möglichst vieler Dimensionen erfährt steigende Bedeutung, wodurch die zentrale Position der ökologischen gegenüber der sozialen und politischen Dimension zurückgeht. Zunehmend wird auch die Einbeziehung von "Soft-facts" notwendig.

3.1.3 Tiefe (U–T)

Bei der Tiefe der Betrachtung wird das Ausmaß der Verfolgung der Wirkungsbetrachtung von der Ursache bis hin zu den Effekten betrachtet. Hier können die Schwerpunkte der Betriebe oft auf der Verursacherseite liegen, meist sind dies Emissionen. Aber auch hier wird die Verfolgung von Belastungen über ihre Wirkungen bis hin zu den Auswirkungen (Effekten) immer bedeutender.

Eine Emission aus einer Betriebsanlage führt in der Umgebung zu einer verschlechterten Luftqualität (erhöhte Immissionskonzentration als Einwirkung, engl.: impact), durch die es ihrerseits zu einer Schädigung des Waldes und einer Erhöhung der Krankheitsfälle (Auswirkung, engl.: effect) kommt.

Maßnahmen in Betrieben sollten eigentlich auf der Betrachtung der aktuellen Situation ansetzen, um zu erkennen, welche Belastungen vorrangig zu reduzieren wären. Danach können die Emissionsursachen identifiziert und vermeidungsorientierte Maßnahmen möglichst effizient gesetzt werden.

3.2 Prozess

Durch einen festgelegten Prozess oder einen Algorithmus versucht ein PUIS zu einem Ergebnis zu gelangen. Der Prozess stellt somit den Weg der Ergebnisfindung dar. Hier ist es wesentlich, ob der Schwerpunkt der Methode auf dem Prozess selbst liegt, was die Möglichkeiten der Partizipation in den Mittelpunkt rückt, oder auf dem Ergebnis, wie es bei vielen informationsbezogenen und den entscheidungsorientierten Methoden der Fall ist.

3.2.1 Partizipation (P–P)

Bei den Anforderungen der Anwendung an den Prozess ist speziell die Festlegung wichtig, ob und in welcher Form Beteiligung von (potenziell) Betroffenen erforderlich ist. Es ist von entscheidender Bedeutung, ob bei einer Anwendung das Ergebnis selbst oder der Weg zum Ergebnis im Mittelpunkt stehen.

Während zB bei einer Produktverbesserung meist objektive und quantifizierbare Parameter als Ergebnis im Vordergrund stehen, ist bei Regionalprogrammen und Leitbildern das Ergebnis selbst eher sekundär. Hierbei ist die Akzeptanz des Ergebnisses durch die Bevölkerung, die meist mit der Einbindung in den Prozess einhergeht, das eigentliche Ziel.

3.2.2 Methodik (P-M)

Bei den Anforderungen an die einzusetzende Methodik muss definiert werden, ob eine standardisierte Methode zu bevorzugen ist. Dies ist häufig bei ergebnisorientierten Anwendungen aus Gründen der Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Fall. Hier kommt wegen der oft großen Datenmenge auch der Automatisierbarkeit und dem Austausch von Daten mit firmeninterner Software größere Bedeutung zu. Schnittstellen zu firmeninterner Software erleichtern den Datentransfer und ermöglichen die Einbindung einer großen Zahl von MitarbeiterInnen, Dies erhöht bei den MitarbeiterInnen gleichzeitig auch die Akzeptanz der Ergebnisse.

3.3 Ergebnis

Die Anforderungen an die Art des Ergebnisses hängen davon ab, ob bei dieser Anwendung auf Entscheidungscharakter oder Informationsgehalt des Ergebnisses Wert gelegt wird.

3.3.1 Entscheidungscharakter (E-E)

Wird ein entscheidungsorientiertes Ergebnis benötigt, kommt der Aussagekraft für Entscheidungen, die leichter durch aggregierte, dh zusammengefasste, Zahlen erreicht wird, große Bedeutung zu. Für die Beurteilung der Unterschiede von Ergebnissen für einzelne Varianten oder Produkte sind Trennschärfe (dh die Beurteilung, ab welchen Differenzen tatsächlich Unterschiede vorliegen) und Reproduzierbarkeit des Ergebnisses (dh mehrfache Wiederholungen führen zum gleichen Ergebnis) wesentlich.

3.3.2 Information (E-V)

Erfordert die Anwendung hohen Informationsgehalt des Ergebnisses ist für das Auswerten der Ergebnisse Transparenz und Ursachenbezug (Erkennen besonders relevanter Prozesse) wichtig. Für die Verfolgung der Auswirkungen von Belastungen sollte ein Zusammenhang zwischen Belastungen oder deren Veränderung und den Auswirkungen bestehen. Dies erlaubt auch das leichte Auffinden der Ansatzpunkte für Verbesserungen. Soll die Information auch weiter vermittelt werden, so ist deren Verständlichkeit, sowie eine verständliche Basisdimension von Bedeutung.

Dimensionen, die im Alltag gebräuchlich sind, wie monetäre Einheiten oder Energieaufwand sind in der Regel dem Laien verständlicher als abstrakte "Versauerungspotenziale" oder "Toxizitätsäquivalente".

3.4 Fallspezifität

Bei der Beurteilung der Anforderungen an die Fallspezifität muss überlegt werden, wie weit die Adaptierung der Methode an die spezifischen Gegebenheiten der Anwendung erforderlich ist.

3.4.1 Rahmenbedingungen (F-Ra)

Manche Anwendung kann die spezifische Anpassung von Rahmenbedingungen erfordern, wie zB die flexible Strukturierung von Prozessen entsprechend den firmeninternen Strukturen, die Prioritätenwahl, die Zuordnung von Aufwendungen oder Belastungen zu den spezifischen Gegebenheiten. Angepasste Prozessstrukturierung verbessert die transparente Darstellung der firmeneigenen Strukturen, was wiederum zur Akzeptanz beiträgt.

Die fallspezifische Zuordnung von Belastungen erfolgt zB bei der Berechnung der aus dem Strombezug resultierenden Emissionen mit einem länderspezifischem Energieträgermix.

3.4.2 Raum/Zeit

Die Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Aspekte ist oft für die Konkretisierung der Wirkungen von Interesse (F–RZ). Hier kommt dem Ort der Freisetzung von Belastungen im Sinne der Verortung Bedeutung zu (zB ob Emissionen in sensiblen Gebieten erfolgen). Analog dazu können Anwendungen auch die Einbeziehung zeitlicher Aspekte, zB. in Form von Wirkungsperioden wie Tag-Nacht- oder Jahreszeiten-Abhängigkeiten erfordern.

3.5 Aufwand

Wesentliche Anforderungen an die Methode betreffen den Aufwand, der in personeller und in technischer Hinsicht notwendig ist. Dabei sollen die zu erwartenden personellen Aufwendungen und Kosten der Relevanz des Ergebnisses angepasst sein.

3.5.1 Für AkteurInnen (A-A)

Neben dem personellen Aufwand und den benötigten zeitlichen Ressourcen spielen auch Ausbildungs- und Qualifikationserfordernisse eine Rolle, was vor allem bei Kleinbetrieben oder kleineren betrieblichen Einheiten zu beachten ist.

3.5.2 Technischer Aufwand (A-T)

Hohe Datenerfordernis, speziell bei schlechter Verfügbarkeit, kann für die Auswahl eines PUIS für eine bestimmte Anwendung ein Ausschlusskriterium sein. Daneben sind ebenso mögliche Limitierungen durch technischen Aufwand, wie Anforderungen an Software und Hardware zu berücksichtigen.