S-House

Innovative Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen am Beispiel eines Büro- und Ausstellungsgebäudes

Kurzbeschreibung

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

1.1 Motivation

Der Baubereich ist jener Wirtschaftssektor mit den größten Massenflüssen und einem überaus hohen Energieverbrauch für Herstellung und Transport von Bauprodukten und Konstruktionen. Außerdem besteht eine quantitative und qualitative Baurestmassenproblematik, die sowohl für Umweltbelastung als auch steigende Entsorgungskosten verantwortlich ist. Die Ergebnisse von Vorstudien, u.a. der Haus der Zukunft Studie "Erfolgsfaktoren für den Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Bauwesen" (GrAT, 2001) haben ergeben, dass neben besserer Wärmedämmung vor allem der verstärkte Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen (NAWAROs) einen viel versprechenden Lösungsansatz für diese Probleme darstellt.

Die Herausforderung für dieses Projekt bestand in der Aufgabe, beides - den hohen Energiestandard der Passivhaustechnologie mit dem Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen - zu verbinden und damit sowohl die Vorteile der Passivhaustechnologie als auch jene der Baustoffe aus NAWAROs zu nutzen.

1.2 Beabsichtigte Ziele

Mit dem S-HOUSE wird nachhaltiges Bauen demonstriert. Dabei werden folgende zentrale Ziele verfolgt:

  • Hohe Funktionalität und Qualität
  • Minimierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs
  • Verwendung regionaler Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
  • Planung nach dem Vorsorgeprinzip (z.B. durch Einsatz ungefährlicher und ungiftiger Baumaterialien)
  • Baubiologisch einwandfreie Ausführung für ein gesundes Raumklima
  • Leichte Trennbarkeit der Baustoffe in der Rückbauphase und die Weiter- bzw. Wiederverwendung der Baustoffe
  • Wirtschaftlichkeit nachhaltigen Bauens: Bereits in der Planung wird der ganze Lebenszyklus des Gebäudes (Errichtung, Nutzung und Rückbau) berücksichtigt, und die negativen Auswirkungen auf die Mitwelt minimiert
  • Verbreitung nachhaltiger Bautechnologien auf Basis nachwachsender Rohstoffe

1.2.1 Ressourceneffizienz: Das Faktor 10 - Haus

Mit dem S-HOUSE wird das "Faktor 10"-Konzept im Baubereich umgesetzt und den Kriterien nachhaltigen Bauens entsprochen. Die Reduktion des Energieverbrauchs auf ein Zehntel im Vergleich zum heutigen Stand der Technik wird durch den Einsatz der Passivhaustechnologie erreicht. Durch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe und die Minimierung fossiler und mineralischer Materialien verringert sich der Ressourcenverbrauch ebenfalls beträchtlich. Der Vergleich einer Strohwandkonstruktion mit einem konventionellen Wandaufbau hat gezeigt, dass die Strohwand in allen Berechnungskriterien um den Faktor 10 besser abschneidet. Durch die Verwendung von Stroh als Baustoff können somit die negativen Auswirkungen auf die Umwelt wesentlich verringert werden. Diese Erkenntnisse gelten in ähnlichem Umfang auch für viele andere Produkte aus regional verfügbaren nachwachsenden Rohstoffen. Während die Herstellung der Strohwand einen ökologischen Fußabdruck von nur 2364 (m²a/m² Wand) verursacht, verbraucht der vergleichbare konventionelle Wandaufbau mit 24915 (m²a/m² Wand) mehr als 10 Mal soviel natürliche Flächen.

1.2.2 Definition nachhaltig Bauen

Das Gebäude und seine Baukomponenten entsprechen optimal den gegenwärtigen Bedürfnissen der Nutzer, ohne künftigen Generationen Probleme zu hinterlassen. Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind hierbei eine wesentliche Grundlage für nachhaltiges Bauen.

1.2.3 Verbreitung der NAWAROs im Bauwesen

Nachwachsende Rohstoffe spielen bei der notwendigen Umstellung unseres Wirtschaftssystems im Rahmen nachhaltiger Entwicklung eine zentrale Rolle. Gerade im Bauwesen gibt es zum einen eine Vielzahl an funktionalen Lösungen auf Basis nachwachsender Rohstoffe und zum anderen ein hohes Verbreitungspotenzial aufgrund der enormen Massenflüsse. Die Verbreitung durch die Bereitstellung umfassender Informationen zur vielseitigen Produktpalette von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen und deren richtigen Anwendung ist ein zentrales Ziel dieses Projektes.

1.2.4 "End of Life Konzept" für die Rückbauphase

Im Sinne einer vorsorgenden Wirtschaftsweise werden in der Planungsphase des Gebäudes die Kriterien für einen einfachen Rückbau und eine optimale Wieder- und Weiterverwendbarkeit miteinbezogen. Diese Vorgangsweise soll als Vorbild für zukünftige Planungen dienen.

1.3 Inhalt und Ergebnisse

1.3.1 Planung des Demonstrationsgebäudes

Modernes Design und der Einsatz nachwachsender Rohstoffe können optimal kombiniert werden und erfüllen so die Anforderungen an eine zeitgemäße und zukunftsfähige Architektur. Das S-House verbindet moderne Architektur mit den Grundsätzen des Solaren Bauens, sowie dem Einsatz von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. Der Planungsprozess wurde unter Miteinbeziehung aller beteiligten Partnerfirmen durchgeführt. Gemeinsam wurden die Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, nach ökologischen und funktionalen Kriterien bewertet (teilweise unter Miteinbeziehung externer Experten) und die jeweils beste Variante zur Realisierung ausgewählt.

1.3.2 Internationale Analyse von Demonstrationsvorhaben

Um den Stand der Technik zu erheben, wurde eine Analyse hinsichtlich der wichtigsten Kriterien nachhaltiger Bauweisen (mit Augenmerk auf energetische und materialtechnische Daten) an einer Reihe von internationalen ökologischen Demonstrationsgebäuden durchgeführt.

Auffallend bei den untersuchten Gebäuden ist die Tatsache, dass der energetische Aspekt immer im Vordergrund steht und die Frage der Materialwahl bei vielen Beispielen relativ wenig Beachtung findet. Obwohl die Palette von Demonstrationsobjekten sehr vielfältig ist, wurde eine konsequente Umsetzung der Passivhaustechnologie ausschließlich mit Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (wie im S-HOUSE geplant) bislang nicht realisiert.

1.3.3 Entwicklung innovativer Komponenten und Konstruktionen

1.3.3.1 Verbindung von Passivhaustechnologie und innovativen Konstruktionen

Strohballenbau Im Rahmen der "Haus der Zukunft" Studie "Wandsysteme aus nachwachsenden Rohstoffen" konnten die guten bauphysikalischen Eigenschaften des Baustoffs Stroh nachgewiesen werden. Die hohe Wärmedämmwirkung ermöglicht die Realisierung der Passivhaustechnologie. So werden mit dem S-HOUSE die Zielsetzungen modernen und ökologischen Bauens bei gleichzeitiger Minimierung des Ressourcenverbrauches erfüllt. Wärmebrückenfreiheit und Luftdichtheit der Gebäudehülle sind wesentliche Voraussetzungen für die Erreichung des Passivhausstandards. Mit den erarbeiteten konstruktiven Lösungen, die diese Anforderungen erfüllen, wurde großer Wert auf den weitgehenden Einsatz nachwachsender Rohstoffe, leichte Weiterverwendbarkeit und Recycelbarkeit, sowie auf die Vermeidung von metallischen Komponenten und fossilen Kunststoffen gelegt. Die Konstruktionen sind nach bauphysikalischen Kriterien optimiert, bieten Sicherheit und hohen Benutzerkomfort.

1.3.3.2 Befestigungselement aus Biokunststoff

Mit dieser speziell für das S-HOUSE entwickelten Strohschraube wird eine direkte Befestigungsmöglichkeit im Strohballen geschaffen. Damit können sowohl Außenfassaden wärmebrückenfrei montiert, als auch im Innenbereich nachträgliche Befestigungsmöglichkeiten in der Strohballenwand realisiert werden. Durch das nach bionischen Kriterien entwickelte Schraubendesign wird mit minimiertem Materialverbrauch eine maximale mechanische Festigkeit erzielt. Die Verwendung von Biokunststoff erlaubt einen problemlosen Rückbau und die Rückführung in den biologischen Kreislauf.

1.3.3.3 Durchführung von Schallschutztests

Die Ergebnisse des für den S-HOUSE Wandaufbau durchgeführten Schallschutztests zeigen, dass die vorgesehenen Wandaufbauten mit 53 dB bzw. 55 dB die von der Norm vorgeschriebenen Werte übertreffen und einen ausgezeichneten Schallschutz bieten.

1.3.3.4 Haustechnik

Die Haustechnik wurde nach den Kriterien: Minimierung der Leitungslängen, technische Lösungen bei ansprechendem Design sowie hohen Nutzerkomfort entwickelt und besteht aus den Komponenten: Wärme- und Luftverteilungssystem, Beleuchtung und Elektrik. Als Wärmetransportmedium für die kontrollierte Be- und Entlüftung dient Luft, die über Kanäle aus Holz transportiert wird. Für die Abdeckung der Heizlastspitzen wird ein Biomasse-Speicherofen in das Wärme- und Luftverteilungssystem integriert. Mit einer einfachen Steuer- und Regelungstechnik können die komplexen Zusammenhänge zwischen Außentemperatur, Sonneneinstrahlung, interne Lasten (Nutzerfrequenz) und Abbrandverhalten des Ofens geregelt werden. Die Warmwasserbereitung erfolgt über Vakuumkollektoren. Durch eine Backbone-Versorgungsleitung werden sehr kurze Leitungswege im Zwischendeckenbereich für die elektrische Stromversorgung und die Beleuchtung erzielt. Für den effizienten Betrieb des Beleuchtungssystems sorgt eine tageslichtgesteuerte Regelung.

1.3.4 Finanzierung und Baubewilligung:

Die behördlichen und administrativen Vorarbeiten sowie die Finanzierung des Projektes stellen eine wesentliche Grundlage für dessen zufrieden stellende Umsetzung und Erreichung der angestrebten Ziele dar. Die Baubewilligung wurde 2003 ausgestellt. Damit sind alle behördlichen Vorarbeiten abgeschlossen. Die Finanzierung erfolgt über Mittel aus dem EU LIFE-Umwelt Programm, des Bmvit im Rahmen von Haus der Zukunft durch das Land Niederösterreich und durch Eigenleistungsbeiträge der beteiligten Projektpartner.

1.3.5 Informationszentrum mit Dauerausstellung für nachwachsende Rohstoffe

Das S-HOUSE wird als Zentrum für nachwachsende Rohstoffe und nachhaltige Technologien fungieren. Am Gebäude selbst wird die Funktionalität von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen demonstriert. Neben den Strohballenwänden werden auch Wandaufbauten mit anderen Dämmstoffen (z.B. Hanf, Flachs, Schafwolle, Zellulose) eingebaut. Es werden unterschiedliche ökologische Oberflächenmaterialien (z.B. Putze, Holzverschalungen, Textilien) gezeigt und verschiedene natürliche Oberflächenbehandlungsmittel (Lacke, Wachse, Lasuren) angewandt. In Form einer Dauerausstellung werden die für das S-HOUSE entwickelten Komponenten und Konstruktionen präsentiert. Außerdem wird der Weg vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt anschaulich dargestellt und die Vielfältigkeit der Anwendungsmöglichkeiten von biogenen Baustoffen vermittelt. So können traditionelles Wissen und neueste Entwicklungen auf diesem Gebiet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

1.3.6 Messkonzept zur Überprüfung der Langzeitfunktionalität von innovativen Konstruktionen

Die Palette an Baumaterialien und -produkten aus nachwachsenden Rohstoffen ist groß. Bereits mehr als 300 der wichtigsten Produkte befinden sich in der Internetplattform www.nawaro.com, die im Rahmen eines Haus der Zukunft Projekts in erstellt wurde. Die Produkte sind nach verschiedenen Baustoffgruppen (Dämmstoffe, Fenster/Türen,...) geordnet und werden hinsichtlich ihrer technischen und ökologischen Eigenschaften charakterisiert. Im S-HOUSE werden ausgewählte Bauprodukte nicht nur präsentiert, sondern deren technische Funktion auch laufend überwacht. Das dafür vorgesehene Messkonzept umfasst die Messung und Dokumentation der wichtigsten bauphysikalischen und raumklimatischen Parameter. Damit werden die im Labor ermittelten und errechneten Werte der Gebäudekonstruktion in der Praxis verifiziert. Die Messergebnisse werden ausgewertet und sind in der Ausstellung beziehungsweise über das Internet abrufbar.

1.4 Schlussfolgerungen

Mit der Realisierung des S-HOUSE Demonstrationsgebäudes wird ein Vorbild für moderne Büro- aber auch Wohngebäude geschaffen. Das Informationszentrum zeigt die Vereinbarkeit von traditionellen Baustoffen mit moderner Architektur und innovativen Konstruktionen. Ein umfangreiches Messkonzept liefert realistische und genaue Daten über die verwendeten Konstruktionen, die eine wichtige Grundlage für die weitere Optimierung und Verbreitung von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen darstellen. Mit der Ausstellung wird allen Akteursgruppen sowie interessierten Privatpersonen ein Zugang zu den erarbeiteten Lösungen ermöglicht.

Publikationen

S - House

Schriftenreihe 02/2005 R. Wimmer, H. Hohensinner, M. Drack, C. Kunze
Deutsch, 180 Seiten, vergriffen

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Project manager: DI Robert Wimmer
Project team: DI Hannes Hohensinner
DI Luise Janisch
Architekten Scheicher

Contact

Dipl.-Ing. Robert Wimmer
GrAT - Center for Appropriate Technology
Vienna University of Technology
Wiedner Hauptstraße 8-10
A 1040 Wien
Tel.: +43 1 58801 - 49523
Fax: +43 1 786 42 05
E-mail: r.wimmer@grat.tuwien.ac.at