Das Passivhaus in der Praxis, Strategien zur Marktaufbereitung für das Passivhaus im Osten Österreichs

Strategien zur Marktaufbereitung für das Passivhaus im Osten Österreichs

Inhaltsbeschreibung

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

Die Entwicklung bei Passivhäusern hat gezeigt, dass Gebäude mit einem Energieverbrauch von 15 kWh/m²/a heute bereits kostengünstig gebaut werden können. Neben energetischen und ökonomischen Kriterien finden zunehmend bauökologische Gesichtspunkte Berücksichtigung. Damit stellt das ökologische Passivhaus derzeit eines der konsequentesten Konzept nachhaltigen Bauens dar. Die Verbreitung des Passivhauses bringt eine enorme Steigerung der Planungs- und Ausführungsqualität sowie des Wohnkomforts mit sich und wird daher von vielen AkteurInnen als "Quantensprung" im Neubaubereich bezeichnet. Um eine wesentliche Energie- und somit CO2-Reduktion durch energiesparende Bauweise zu erreichen, liegt nahe, das Baukonzept Passivhaus konsequent weiterzuverfolgen, es vor allem im Mehrfamilienwohnbau zu verankern sowie die gewonnenen Erkenntnisse in der Altbausanierung zu nutzen.

Betrachtet man die Statistik gebauter Passivhäuser findet sich ein deutliches West- Ost Gefälle in Österreich. Dieses ist hauptsächlich in den unterschiedlichen Rahmenbedingungen begründet, die in einzelnen Österreichischen Bundesländern für Niedrigenergie- und Passivhausbauweise gegeben sind. Vor diesem Hintergrund wurden auch spezielle Hemmnisse im Rahmen dieses Projektes hinterfragt. Sieht man von vereinzelten Initiativen ab, so fehlte zu Projektbeginn bislang eine mit dem Westen Österreichs vergleichbare Vernetzung einer stetig wachsenden Anzahl von AkteurInnen, um damit eine Trägerschaft des Passivhauses im Osten Österreichs zu erreichen.

Die wichtigsten Zielsetzungen im Projekt

Das Projekt zielte darauf ab, den Verbreitungsprozess für das Passivhaus zum aktuellen Zeitpunkt aufzugreifen, seine AkteurInnen zu erfassen und zu vernetzen, kritische Momente und Hemmnisse zu erkennen und durch gezielte Strategiebildung, sowie Informations- und Weiterbildungsmaßnahmen einen Verbreitungsschub in Richtung Ostösterreich zu bewirken.

  • Entwicklung einer Strategie zur Behebung von Lern- und Diffusionsdefiziten bei der Realisierung und Verbreitung von Passivhäusern im Osten Österreichs
  • Akzeptanz für das Baukonzept Passivhaus im Osten Österreichs schaffen
  • Eine hohe Flächendeckung gebauter Beispiele zu erreichen

Durch die eingesetzten Methoden wie: Recherchen, Befragungen, Strategieworkshops, Tagungen, Evaluation von Tagungen, Schnuppertagen und Publikationen sollte eine Trägerschaft aus PlanerInnen, Baufachleuten, Haustechnikern, Bausachverständigen, BeraterInnen und EntscheidungsträgerInnen zur Strategieentwicklung für die Verbreitung des Passivhauses im Osten Österreichs entstehen. In jeder Phase des Projektes wurden NutzerInnen, Ausführende und EntscheidungsträgerInnen in einem dafür geeigneten Rahmen zusammengebracht um so in einen gemeinsamen Lernprozess einzutreten, der einerseits die Qualität des Produktes Passivhaus sichert, dessen Akzeptanz wesentlich erhöht und seine Marktdurchdringung vorbereitet.

Ergebnisse

Das Passivhaus stellt eines der konsequentesten Konzept nachhaltigen Bauens dar, und bringt unter Berücksichtigung von Verwendung ökologisch unbedenklicher Materialien und der Verwendung von erneuerbaren Energieträgern für die Bereitstellung des Restenergiebedarfes eine enorme Steigerung der Planungs- und Ausführungsqualität sowie des Wohnkomforts mit sich.

Derzeit ist allerdings eine Tendenz zu einer allelektrischen Energieversorgung im Passivhaus (auch zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser), festzustellen. Bei einer Weiterentwicklung des Passivhauses sollte dieser Tendenz durch Einbindung erneuerbarer Energiequellen entgegengewirkt werden. Eine weitere Option ist die Weiterentwicklung von Nullenergiekonzepten. Nullenergiehäuser stellten bisher kostenintensive Lösungen dar, da der Focus auf der energietechnischen Seite lag; Niedrigenergiehäuser wurden mit teurer Photovoltaik bzw. solaren Wärmenetzen versorgt. Auf Basis von Passivhäusern verbessert sich das Kosten/Nutzen/Ressourcen-Verhältnis für solche Lösungen entscheidend.

Im Bezug auf die Komfortlüftung im Passivhaus haben Untersuchungen ergeben, dass ein maßgeblicher Teil der Bedingungen für eine optimale Funktion der Lüftungsanlage nicht nur auf der Ebene der einzelnen technischen Komponenten sondern auf der Ebene der Lüftungsanlagenplanung, der Abstimmung der Komponenten untereinander und ihrer Einbindung in das Gebäudekonzept, sowie einer qualitativ hochwertigen Bauausführung liegt. Die Wohnraum-Komfortlüftung verbessert die Luftqualität in Innenräumen in einem Maße, welches in der Praxis durch Fensterlüftung nicht durchgängig erreichbar ist. Daher sollten vor allem bewusstseinsbildende Maßnahmen gesetzt werden, die Akzeptanz von Wohnraum-Komfortlüftung noch weiter zu erhöhen. Großer Wert muss auch auf die Aufklärung der NutzerInnen gelegt werden, um Vorurteilen wie: "im Passivhaus dürfen die Fenster nicht geöffnet werden" entschieden entgegenzuwirken. Das Öffnen von Fenstern ist im Sommer die wirksamste Methode der "Nachtspülung" zur Kühlung von Gebäuden. Das gilt auch für das Passivhaus. Für diesen Fall, aber auch für die gewünschte Kommunikation nach außen oder sonstiger Motive von BewohnerInnen, stellt es für das Passivhaus kein Problem dar, die Fenster fallweise zu öffnen. Das Motiv, die Fenster zu öffnen, um frische Luft in das Gebäude zu transportieren, tritt im Passivhaus durch eine automatische Wohnraum-Komfortlüftung eindeutig in den Hintergrund.

BenutzerInnen-Informationen für das Passivhaus unterstützen die Effizienz des Systems, dürfen aber keine grundsätzliche Voraussetzung für die Funktionstüchtigkeit des Passivhauses sein - besonders dann, wenn dieses Konzept erfolgreich auf den Mehrfamilienwohnbau und sonstige Nutzbauten übertragen werden soll. Das "wirkliche" Passivhaus muss auch funktionieren, wenn die BenutzerInnen wenig darüber wissen - zukünftig wird daher eine entsprechende effiziente Qualitätssicherung sicherzustellen sein, damit KundInnen sichergehen können, dass nur das als Passivhaus verkauft wird, was den Qualitätsanforderungen tatsächlich entspricht. Der Zusammenschluss von AkteurInnen in der Interessensgemeinschaft Passivhaus (IG-Passivhaus), der in Vorarlberg und Oberösterreich bereits erfolgt ist und sich derzeit, forciert durch das gegenständliche Projekt, im Osten Österreichs bereits in Gründung befindet, hat sich diese Qualitätssicherung zum primären Ziel gesetzt.

Das Projekt konnte mit der Veranstaltung zweier Strategieworkshops über 50 AkteurInnen aus den Bereichen Planung, Architektur, bauausführende Gewerbe, Haustechnik, Bausachverständige, BeraterInnen und EntscheidungsträgerInnen eine Plattform bieten, um die Trägerschaft für das Passivhaus im Osten Österreichs zu initiieren und eine gemeinsame Strategiebildung einzuleiten.

Der Begriff Passivhaus ist ein technischer Terminus, der die damit verbundene hohe Wohnqualität leider nur unzureichend zum Ausdruck bringt. Er sollte in Publikationen und Medien durch allgemein verständliche und selbsterklärende Untertitel näher beschrieben werden, um die qualitative Bedeutung in den Vordergrund zu stellen.

Auch in Ostösterreich kann bereits jetzt ein breites Zielpublikum für das Thema Passivhaus interessiert werden. Über die Gesamtlaufzeit des Projektes haben insgesamt 1000 Personen vorwiegend aus dem Osten und Süden Österreichs an Fachtagungen teilgenommen und 350 Personen in Rahmen von Exkursionen mehrere Passivhäuser besichtigt.

Zielgerichtete, entsprechend dotierte Förderungen in Kombination mit Beratungsangeboten sowie die Vorgabe von technischen Mindeststandards in der Bautechnikverordnung werden als wesentliche Lenkungsinstrumente zur Verbreitung des Passivhauses eingeschätzt. Inzwischen hat das Amt der NÖ Landesregierung eine neue Wohnbauförderung beschlossen, die Passivhäuser besonders fördert. Die Vorschreibung eines Notkamins in der NÖ Bautechnikverordnung ist inzwischen deutlich abgeschwächt worden, auf Ansuchen kann darauf verzichtet werden. Der in Wien ausgelobte BauträgerInnenwettbewerb für Passivhausgebäude wird in den nächsten Jahren auch im Mehrfamilienwohnbau eine deutliche Nachfragesteigerung der Passivhausbaukonzepte bewirken.

Dem "Passivhaus zum Angreifen" und somit der Erfahrbarkeit dieser Wohnqualität, wird ein hoher Stellenwert für die Information von Interessierten und für die Verbreitungsgeschwindigkeit dieser Innovation beigemessen. Ideen wie z.B. Dokumentation gebauter Beispiele, Sammlung von Adressen und zur Verfügung stellen von Exkursionszielen und Kompetenzpartnern, Probewohnen im Passivhaus, Internetplattformen zum Erfahrungsaustausch von BewohnerInnen mit interessierten zukünftigen NutzerInnen, etc..., wurden im Projekt gesammelt und einer Weiterbearbeitung zugeführt.
Im Rahmen einer derzeit in Arbeit befindlichen Erhebung für eine Passivhauskompetenzdatenbank konnten bisher etwa 50 neu gebaute bzw. in Planung befindliche Passivhäuser im Osten Österreichs (OÖ, NÖ, Stmk., Wien, Bgld.) statistisch erfasst werden.

Die Ausarbeitung von geprüften Baudetails für das planende Gewerbe, damit zukünftig in der Planung und Ausführung zeitsparend auf praktikable Standardlösungen zurückgegriffen werden kann, ist eine vordringliche Aufgabe der nächsten Zeit.

An das bauausführende Gewerbe stellt die Ausführungsqualität (große Dämmstärken, Wärmebrückenfreiheit, Luftdichtigkeit des Gebäudes) eine große, aber technisch gut zu bewältigende Herausforderung dar, die durch brancheninterne und branchenübergreifende Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen gelöst werden muss. Bei diesen Schulungen geht es einerseits darum, die Funktionsweise und Wohnqualität des Passivhauses verständlich zu machen und so das Verständnis für die unbedingte Notwendigkeit einer bestimmten technischen Ausführung zu wecken und andererseits darum, einfache technische Anweisungen zu geben. In diesem Zusammenhang wurde auch die Errichtung eines "Lehrbauhofes Passivhaus" und die Durchführung von Baubegleitungsmaßnahmen (Training on the job) angeregt.

Bei der Realisierung von Mehrfamilienhäusern in Passivhausqualität stellt sich als besonderes Hemmnis das derzeit von den Bauträgern scheinbar noch nicht kalkulierbare Risiko in der Herstellung der Gebäudequalität dar. Erfahrungswerte liegen zwar in Westösterreich bereits vor, in Ostösterreich ist jedoch noch großer Informationsbedarf bei Bauträgern vorhanden, sowie die Notwendigkeit, gesetzliche Rahmenbedingungen hinsichtlich Bautechnikverordnung, etc. zu schaffen. Was die Vermarktung dieser Wohnungen betrifft, fehlen derzeit schlagkräftige Begriffe und Motive, die NutzerInnen dazu bewegen könnten, gerade diese Wohnungen zu bevorzugen. Für das Marketing genutzt werden könnte der allgemeine Trend zu Wellness und Gesundheit, hohe Wohnqualität und Modernität. Die Mehrkosten bei der Errichtung könnten durch Contractingmodelle finanziert und somit durch die Einsparung von Betriebskosten wieder hereingespielt werden. Ein weiteres Argument für Wohnbauträger und Bauausführende könnte die gute Bauqualität sein - und damit das Auftreten von Schimmelschäden und daraus resultierender Reklamationen völlig zu vermeiden. Ein gefördertes Demoprojekt im innerstädtischen Bereich als anschauliches Passivhaus im Mehrfamilienwohnbau könnte wesentlich zur Markteinführung beitragen.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Aus Sicht des Projektes ist Passivhausqualität kein statisches sondern ein dynamisches Konzept. Hohe Planungs- und Ausführungsqualität bringen dem Gebäudenutzer primär zeitgemäßen Wohnkomfort und dauerhafte Produkte bei niedrigsten laufenden Energiekosten. Die Lösung technischer Anforderungen dahinter und die Schaffung eines guten Preis-Leistungsverhältnisses ist Aufgabe der Produkthersteller von Passivhäusern. In diesem Sinn sollen Anforderungen für die Weiterentwicklung von Konzepten, Komponenten und von Passivhausarchitektur gestellt werden.
Forschungs- und Entwicklungsbedarf erscheint beispielsweise in folgenden Bereichen sinnvoll:

Haustechnik und Heizsysteme:

  • Standardisierung von Reinigungsöffnungen bei Luftführungen innerhalb der Gebäudehülle, Standardisierung von Schalldämmmaßnahmen im Rohrnetz und zum Wohnraumlüftungsgerät
  • Technische Maßnahmen und Empfehlungen zur Einhaltung einer Mindestluftfeuchtigkeit im Winter
  • Entwicklung von sehr preisgünstigen Methoden zur Wärmeabgabe über Bauteile oder andere "Strahlungsflächen" um bei Bedarf einen Teil der Wärmeabgabe jenseits der Zulufterwärmung bewerkstelligen zu können
  • Entwicklung von Konzepten zur Wärmeversorgung von Passivhaus-Siedlungen

Architektur, Gebäudekonzepte, Baudetails:

  • Entwicklung von sozial und finanziell angepassten "Nullenergiehäusern"
  • Entwicklung von Passivhaus-Architekturmodulen bzw. -Typen zur weiteren Senkung der Herstellungskosten von Passivhaus-Gebäuden
  • Entwicklung ökologisch optimierter, vorgefertigter "Vorhängfassaden" für den Massivbau
  • Lösung von Wärmebrücken- bzw. Baudetails mit baubiologisch günstigeren Produkten (Klebebänder, Folien, PU-Schaum...,)
  • Weiterentwicklung der Kennzahlenbildung (Bauökologie, Nachhaltigkeit...) und der Simulationsinstrumente.

Kein anderes Baukonzept hat in den letzten Jahrzehnten eine derartige Dynamik einer Gesamtentwicklung am Bausektor und bei der Komponentenentwicklung ausgelöst, wie das Passivhauskonzept. Als besonders markantes Beispiel sei hier der dynamische Markt für passivhaustaugliche Fenster erwähnt. In wenigen Jahren wurde der Energieverlust über Fensterflächen praktisch halbiert. War noch vor fünf Jahren erst ein Fenster-Produkt nach Passivhausinstitut Darmstadt zertifiziert, so sind es derzeit bereits an die vierzig zertifizierte Produkte.

Setzt sich dieser Trend am Bausektor fort, wird das Passivhauskonzept zukünftig eine markante Größe im Wohnbau und in der -sanierung darstellen und damit die Baukultur und Baupraxis der nächsten Jahrzehnte wesentlich beeinflussen.

Downloads

Das Passivhaus in der Praxis, Strategien zur Marktaufbereitung für das Passivhaus im Osten Österreichs

Schriftenreihe 24/2002 G. Grabler-Bauer
Deutsch, 118 Seiten, vergriffen

Downloads zur Publikation

zum Preis von ATS 150,- zu beziehen bei der AEE Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE NÖ-Wien (Adresse siehe unten)

Bibliographische Daten

Das Passivhaus in der Praxis
Strategien zur Marktaufbereitung für das Passivhaus im Osten Österreichs

Endbericht

Auftragnehmer:
Gertraud Grabler-Bauer
AEE-Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE NÖ-Wien

Autorin:
Gertraud Grabler-Bauer, AEE-Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE NÖ-Wien
Unter Mitarbeit von: Mag. Katharina Guschlbauer-Hronek (AEE), DI Michael Berger (AEE), Josef Seidl (Buhl, AEE), Arch. DI Helmut Krapmeier (EIV)

Berichte aus Energie- und Umweltforschung 24/2002

Wiener Neustadt, Juli 2002
105 Seiten

Projektbeteiligte

Projektleiterin: Gertraud Grabler-Bauer
AEE-Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE Niederösterreich-Wien
Partner:

Mag. Katharina Guschlbauer-Hronek (AEE)
DI Michael Berger (AEE)
Josef Seidl (Buhl, AEE)
Arch. DI Helmut Krapmeier (EIV)

Kooperationspartner
bei Veranstaltungen
und Dokumentationen:

DI Manfred Sonnleithner (die umweltberatung)
Fritz Heigl (die umweltberatung)
Ing. Christof Drexel (Drexel & Weiss Energieeffiziente Haustechniksysteme)
Poppe* Prehal Architekten
DI Herbert Hegedys (Haus der Baubiologie Graz)
DI Bernhard Lipp (IBO)
Armin Themessl (AEE)
DI Wolfgang Trauner (AEE)
DI Johannes Haas

Kontakt

Gertraud Grabler-Bauer
AEE Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE NÖ-Wien
Schönbrunner Straße 253/10, A-1120 Wien
Tel.: +43 (1) 7107523
Fax: +43 (1) 7107523 - 18
E-Mail: arge-ee-noe@magnet.at