BioSkin - Forschungspotenziale für bionisch inspirierte energieeffiziente Fassadentechnologien
Kurzbeschreibung
Status
Abgeschlossen
Kurzfassung
Ausgangssituation und Motivation
Vom Menschen erbaute Konstruktionen und biologische Systeme sind den gleichen Einflüssen und Ansprüchen ausgesetzt. Deshalb sind die Anforderungen an Außenhüllen der Natur und an Fassaden vergleichbar.
Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Fassade den im Allgemeinen größten Oberflächenanteil an der Gebäudehülle besitzt, so beinhaltet sie das wesentlichste Gewinn- bzw. auch Verlustpotenzial in punkto Energie und Komfort. Sie soll nicht nur vor unerwünschten klimatischen Einflüssen schützen, sondern auch solare Energie nutzen, für einen hohen thermischen und visuellen Komfort sorgen, sowie Tageslicht- und Frischluftversorgung regeln. Nicht zuletzt soll sie den ästhetischen, psychologischen, physiologischen und sozialen Bedürfnissen der Bewohner Rechnung tragen. Diese vielschichtigen Anforderungen stellen die Fassade vor einige technische Herausforderungen, zeigen jedoch auch das enorme Potenzial zur Einsparung von Energie und zur Reduktion von CO2 Emissionen.
Die Suche nach neuen Lösungen für, langfristig gesehen, tatsächlich nachhaltige Fassaden, welche ein Maximum an Energieeffizienz und Komfort mit einem Minimum an Ressourcenverbrauch und grauer Energie verbinden, ist das Leitmotiv der Grundlagenstudie BioSkin.
Zielsetzung
Das Ziel der Grundlagenstudie ist, die Potenziale der fachübergreifenden Disziplin Bionik zu nutzen, um innovative Ansätze aus der Natur für neue Fassadenkonzepte zu identifizieren. Die Suche im großen Diversitätspool der Natur wird dabei durch Zielindikatoren für die Fassade der Zukunft gelenkt: Integrative Multifunktionalität (Einbettung von Funktionen in Material-Strukturen), selbstregulierende Adaptation (selbstaktivierende Anpassungsfähigkeit) und Ressourcenschonung und Verortung (regionale Nutzung und Einsatzoptimierung von Materialien)
Methodische Vorgehensweise
Für die Studie wird die Idee der Bionik, von der Natur zu lernen, und deren Ansatz der Analogieforschung (Top-Down Prinzip) angewandt, welche auf Basis von exakten Fragestellungen zu Funktionsfähigkeiten Analogien in der Natur sucht, deren Funktionsprinzipien identifiziert und deren Übertragungsfähigkeit evaluiert. Vielversprechende biologische Funktionsprinzipien werden in weiterer Folge durch mehrere Abstraktions- und Selektionsprozesse einer technischen (bionischen) Konzeptentwicklung zugeführt.
Die Evaluierung der Teilergebnisse wurde durch einen Innovationsprozess und durch die Einbindung eines international renommierten, interdisziplinären ExpertInnenteams aus Architekturbionik, Fassaden, Chemie, Biologie, Materialwissenschaften, Botanik und Ökologie entlang der Projektlaufzeit begleitet.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Auf Basis der Erhebung des Status Quo moderner Fassadenlösungen und der Trends für zukünftige Fassaden sind 40 Funktionskriterien definiert worden, welche von technischen Kennwerten in abstrahierte Anforderungsqualitäten übersetzt wurden. Diese Anforderungsqualitäten sind in biologische Fragestellungen übertragen worden, um umfassende Recherchen über potenzielle biologische Vorbilder durchführen zu können. Insgesamt konnten rund 240 biologische Organismen mit Potenzial für eine Übertragung der Funktionsprinzipien auf Fassaden identifiziert werden. Davon sind 43 Vorbilder in biologische Kenndatenblätter eingearbeitet worden, welche in einer geordneten Struktur die Funktion und die biologischen Kenndaten des Organismus veranschaulichen. Die Ergebnisse sind in der Datensammlung "Bionic Database" (pdf, 1.4 MB) zusammengefasst.
In einem nächsten Schritt sind in einem mehrstufigen Verfahren über systematische Selektions- und Evaluierungsmethoden rund 30 biologische Funktionsprinzipien für eine bionische Konzeptentwicklung extrahiert worden. Auf Basis eines entwickelten bionischen Übertragungsprozesses wurden insgesamt 37 Entwurfsskizzen für mögliche bionische Fassadenkonzepte erarbeitet. 4 bionische Konzepte sind konkreter betrachtet und auf deren Anwendungspotenzial für definierte Referenzszenarien zu Gebäudetypen, thermischen Qualitäten und klimatisch unterschiedlichen Standorten geprüft worden.
Die zukunftsweisenden Fassadenanforderungen (Principle Database), die Sammlung potenzieller biologischer Vorbilder (Bionic Database) sowie die bionischen Fassadenkonzepte (Best Case Models) stehen online in einem "Katalog für bionisch inspirierte Fassaden" für weiterführende Forschung und Entwicklung zur Verfügung.
Die Ergebnisse dieser Grundlagenstudie bieten einerseits neue Forschungsperspektiven für innovative energieeffiziente Fassadentechnologien und andererseits wertvollen interdisziplinären Know-how-Zuwachs für unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen und für die Bauindustrie.
Ausblick und Empfehlungen
Das positive Feedback bei Verbreitungsaktivitäten und die umfangreiche Datensammlung schafften reges Interesse an den Ergebnissen, und den Start möglicher Folgeprojekte.
Der, für das Projekt BioSkin entwickelte Evaluierungs- und Selektionsprozess stellt Methoden und Tools für die herausfordernde interdisziplinäre Schnittstellenarbeit zwischen technischen Wissenschaften und Naturwissenschaften zur Verfügung. Die Mitwirkung von geschulten BionikerInnen ist dabei unverzichtbar. Die rasanten Entwicklungen im internationalen Raum und das Feedback aus der Bionikforschung und Industrie verdeutlichen, dass konkrete Forschungsprojekte (experimentelle Forschung) auf Basis der entdeckten Potenziale der Studie möglich sind, um bionische Ideen zu umsetzbaren Produkten weiterentwickeln zu können.
Publikationen
BioSkin - Forschungspotenziale für bionisch inspirierte energieeffiziente Fassadentechnologien
Schriftenreihe 46/2013
S. Gosztonyi, P. Gruber, et. al, Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 146 Seiten
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleitung
DI Susanne Gosztonyi
Austrian Institute of Technology AIT, Energy Department
Projekt- und KooperationspartnerInnen
Projektsupport durch eine internationale ExpertInnengruppe (Werkvertragspartner):
- transarch, AT
Dr. Petra Gruber - University of Reading, Centre for Biomimetics, UK
Prof. George Jeronimidis - Universität Freiburg, Kompetenznetz Biomimetik, BIOKON, DE
Prof. Thomas Speck - University of Nottingham, School of Built Environment, UK
Prof. Sergio Altomonte - Austrian Energy Agency, Geschäftsfeld Gebäude & Raumwärme, AT
Dr. Susanne Geissler
Kontaktadresse
Austrian Institute of Technology AIT, Energy Department
DI Susanne Gosztonyi
Giefinggasse 2
A-1210 Wien
Tel.: +43 (0) 50550-6582
Fax: +43 (0) 50550-6613
E-Mail: susanne.gosztonyi@ait.ac.at
Homepage: http://www.ait.ac.at/