Rohstoffquelle Gras

(erschienen in Der Standard, 5.Juni 2009)

Erste Grüne Bioraffinerie in Österreich verwertet überschüssige Grünlandbiomasse

Am 27. Mai 2009 offiziell eröffnet, produziert die Demonstrationsanlage im oberösterreichischen Utzenaich aus Gras Milch- und Aminosäuren - mit dem mittelfristigen Ziel, als Großanlage am freien Markt aktiv zu werden.

Gras wird zu Grassaft gepresst und daraus mit modernsten Trenntechnologien Milchsäure und Aminosäuren gewonnen. Die verbleibenden Grasfasern werden in einer Biogasanlage verwertet. Die erzeugten Milchsäureprodukte gelangen als Grundstoff für Kunststoffe, Lösungsmittel und in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz, die Proteinprodukte werden zu hochwertigen gentechnikfreien Tierfuttermittel und die Faserprodukte beispielsweise zu Dämmstoffen oder Baumaterialien. Anschließend wird die Biomasse zu Energie, Biogas, umgewandelt. Die verbleibende Trockenmasse schließt als natürlicher Dünger den Kreislauf. Grün bleibt Grün, alles wird verwertet.

Grüne Forschung

In einer einzigartigen Vernetzung von Forschung, Wirtschaft, öffentlicher Hand und Landwirtschaft wird in der Innviertler Gemeinde Utzenaich im Bereich der Energie- und Rohstoffnutzung absolutes Neuland betreten. Die Grundlagen für die Umsetzung des Technologiekonzeptes einer Grünen Bioraffinerie in Österreich wurden in mehreren Forschungsprojekten im Forschungsprogramm "Fabrik der Zukunft" des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie geschaffen.

Ziel dieser weltweit ersten Bioraffinerieanlage ist der Nachweis, dass in einer Kombination zwischen Rohstoffgewinnung für die Naturstoffchemie und der energetischen Nutzung ein Markt und wettbewerbsfähiger Biomasseeinsatz möglich ist. Bioenergie und Naturstoffchemie werden damit konkurrenzfähig zur Energie- und Rohstoffaufbringung auf fossiler Basis.

Das innovative Technologiekonzept, mit dem Ziel, ein wirtschaftlich rentables Modell einer Grünen Bioraffinerie zu entwickeln, wurde vom Kornberg Institut für nachhaltige Regionalentwicklung und angewandte Forschung und der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Kooperation mit Partnern aus Industrie und Wirtschaft entwickelt. In mehreren aufeinander aufbauenden Projekten investieren Bund, Land Oberösterreich und die Wirtschaft rund drei Millionen Euro.

Wirtschaftlich rentabel

"Die Bioraffinerie Utzenaich ist ein Mittelding zwischen Pilotanlage und Demonstrationsanlage. Sie stellt als Anlage die kleinste Großtechnik dar", präzisiert Horst Steinmüller vom Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz und Geschäftsführer der OÖ Bioraffinerie Forschung und Entwicklung GmbH. Die Herausforderung für die Forschung liegt in der großtechnischen Umsetzung der Auftrennung von Milchsäure und Aminosäuren aus Gras-Silage-Saft.

Die dabei eingesetzten Technologien müssen einerseits schonend genug sein, um die Inhaltsstoffe nicht zu zerstören und andererseits effektiv und effizient zu den gewünschten Produkteinheiten führen. Klares Entwicklungsziel ist es, zu sehen "ob die Technik das hält, was sie im Labor verspricht".

Mitte 2011 hofft Steinmüller auf die Investitionsentscheidung zur Errichtung einer Großanlage, schließlich will man künftig auch entsprechende Mengen für den Markt produzieren. Derzeit wird Milchsäure durch mikrobielle Fermentation von Mais hergestellt und Aminosäuren durch Hydrolyse von Sojaprotein.

Der Vorteil der Grünen Bioraffinerie besteht darin, dass Gras nicht auf Ackerflächen angebaut wird und absolut gentechnikfrei ist. Der weltweit erstmalige Einsatz von lagerfähiger Gras-Silage ermöglicht den Ganzjahresbetrieb der Anlage.

Verwertung ungenützter Ressourcen

Gekennzeichnet durch einen Rückgang der Viehwirtschaft und der Milchproduktion befindet sich die heimische Landwirtschaft in einem Strukturwandel. Die ungenutzte Grünlandbiomasse, also Gras, und das nicht bewirtschaftete Grünland nehmen zu. Mittelfristig werden laut Schätzung der Bundesanstalt für Alpenländische Landwirtschaft 750.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr von Wiesen österreichweit verfügbar sein. Mit Hilfe innovativer Technologien zur Verwertung dieser überschüssigen Grünlandbiomasse kann eine nachhaltige Rohstoffbasis für die Herstellung zukunftsweisender Produkte geschaffen werden.

"Ziel der Forschungsaktivitäten in diesem Bereich ist es, die Entwicklung neuer Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen mit hohem Marktpotenzial zu forcieren und damit auch zur Stärkung der regionalen Wirtschaft beizutragen", so Doris Bures, Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie. Gras soll in Zukunft nicht nur als Energiequelle dienen, sondern auch zur nachhaltigen Produktion von Chemikalien, biogenen Werkstoffen und Pflanzenfasern verwendet werden. Im Rahmen dieses Großprojektes konnte gegenüber anderen europäischen Forschungsprojekten bereits ein Know-how-Vorsprung erzielt werden.

Durch die Fortsetzung dieser Arbeiten hofft man, die Technologieführerschaft in diesem Bereich noch weiter ausbauen zu können. Michael Paula, Abteilungsleiter Energie- und Umwelttechnologien im BMVIT: "Mit diesem Vorzeigeprojekt ist es uns gelungen, österreichische Technologiekompetenz zu beweisen und einen weiteren Meilenstein beim Umstieg auf nachhaltige erneuerbare Rohstoffe zu setzen. Eine Auszeichnung als `Leuchtturmprojekt der Innovation´ durch das BMVIT soll diesen Erfolg unterstreichen".