Grüne Bioraffinerie - Aufbereitung und Verwertung der Grasfaserfraktion
Kurzbeschreibung
Status
abgeschlossen
Kurzfassung
Ausgangslage und Motivation
In der österreichischen Landwirtschaft - und auch in derjenigen vergleichbarer Länder - vollzieht sich gegenwärtig ein massiver Strukturwandel, der gekennzeichnet ist durch einen kontinuierlichen Rückgang der Viehwirtschaft (Milchproduktion) und in weiterer Folge durch eine stetige Zunahme an überschüssiger Grünlandbiomasse bzw. an nicht mehr benötigtem Grünland. Um dieses für traditionelle Zwecke nicht mehr benötigte Grünland sowie die durch dieses Grünland wesentlich geprägten Kulturlandschaften zu erhalten, ist es erforderlich, für die überschüssige Grünlandbiomasse neue, innovative Verwertungsmöglichen zu erschließen.
Eine derartige Möglichkeit bietet das Technologiekonzept einer sogenannten GRÜNEN BIORAFFINERIE. Die Grundidee dabei ist die, dass in Analogie zu einer Erdölraffinerie der Rohstoff "Grünlandbiomasse" (z.B. Gras, Klee, Luzerne etc.) in einer einzigen Verarbeitungsanlage möglichst vollständig (Ganzpflanzennutzung) und ohne Anfall von Abfällen (zero-waste) in eine Vielzahl verkaufbarer Produktgruppen weiterverarbeitet wird (s. Abb. 1): (1) Chemische Grundstoffe (z.B. organische Säuren wie Milchsäure, Lösungsmittel, Kunststoffmonomere), (2) Kraft- & Brennstoffe (z.B. Ethanol, Butanol, Aceton, Ester), (3) Nahrungs- & Futtermittel (z.B. Aminosäuren, Proteinkonzentrat, Peptide), (4) Faserprodukte (z.B. Faserplatten, Biocomposites, Dämmstoffe), (5) Feinchemikalien (z.B. Aromen, Chlorophyll, Pigmente), (6) Biogas (=> Strom/Kraft + Wärme).
Die Umsetzung des Technologiekonzepts einer GRÜNEN BIOREAFFINERIE ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung wertvoller Kulturlandschaften sowie -ganz allgemein - zur wirtschaftlichen Stärkung ländlicher Regionen: Durch Absicherung der Einkommen bestehender landwirtschaftlicher Betriebe sowie durch Neuansiedlung von Wirtschaftsunternehmen in diesen Regionen.
Das Konzept einer GRÜNEN BIORAFFINERIE ÖSTERREICH unterscheidet sich von anderen derzeit auf internationaler Ebene entwickelten Bioraffinerie-Konzepten dadurch, dass es besondere Rücksicht nimmt auf die spezifischen Bedingungen österreichischer Regionen (z.B. kleine Betriebsgrößen mit Schwerpunkt Grünlandbewirtschaftung). Charakteristika einer GRÜNEN BIORAFFINERIE ÖSTERREICH sind (s. Abb. 2):
- Milchsäure als Schlüsselprodukt: Um eine GRÜNE BIORAFFINERIE mit Grünlandbiomasse als Rohstoff ganzjährig betreiben zu können, ist es erforderlich, diesen Rohstoff zu konservieren. Als Konservierungsmethode bietet sich die in der Landwirtschaft ohnehin übliche Silierung von Grünland-biomasse an (Feststofffermentation). Dabei entsteht Milchsäure, die einerseits als Konservierungsmittel fungiert und andererseits ein begehrtes chemisches Zwischenprodukt mit steigendem Markt darstellt.
- Kombination von dezentralen und zentralen Verfahrenskomponenten: Die Silierung des frisch gemähten Grases, die Lagerung der Grassilage sowie erste Fraktionierungsschritte der Grassilage können dezentral erfolgen. In zentralen Anlagen erfolgt dann die Weiterverarbeitung in verkaufbare Endprodukte (z.B. Milchsäure, Aminosäuren, Faserprodukte). Diese Kombination aus dezentralen und zentralen Verfahrenskomponenten ermöglicht eine optimale Einpassung der Technologie einer GRÜNEN BIORAFFINERIE in die kleinteilige österreichische Landwirtschaft.
- Flexible Produktionstechnik: Die in einer GRÜNEN BIORAFFINERIE verarbeitete Grünlandbiomasse ist ein komplexer Rohstoff, der neben den Zuckern - die im Silageprozess zu Milchsäure fermentiert werden - noch eine Vielzahl weiterer wertvoller Inhaltsstoffe enthält (z.B. Aminosäuren, Proteine, Fette, Fasern). Für den wirtschaftlichen Erfolg einer GRÜNEN BIORAFFINERIE ist es erforderlich, diese so flexibel wie möglich zu gestalten, d.h. dass die Produktpalette rasch an geänderte Marktbedingungen angepasst werden kann. Schlüsselprodukte von heute sind nicht automatisch auch Schlüsselprodukte von morgen.
Zielsetzungen
Angesichts der Tatsache, dass die in einer GRÜNEN BIORAFFINERIE anfallende Faserfraktion mengenmäßig den größten Stoffstrom darstellt, wird die Gesamtwirtschaftlichkeit einer GRÜNEN BIORAFINERIE wesentlich vom entsprechenden Beitrag der Faserfraktion bestimmt. Eine plausible Abschätzung der Wirtschaftlichkeit einer GRÜNEN BIORAFFINERIE Anlage stellt jedenfalls eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für Wirtschaftsbetriebe dafür dar, sich für den Bau und Betrieb eine GRÜNEN BIORAFFINERIE im Produktionsmaßstab zu entscheiden. Das gegenständliche Projekt verfolgt deshalb folgende generelle Zielsetzungen:
- Identifikation von Verwertungsmöglichkeiten für die in einer GRÜNEN BIORAFFINERIE anfallende Faserfraktion mit möglichst hohem Wertschöpfungsniveau.
- Ausarbeitung von Grundlagen für Planung, Bau und Betrieb einer GRÜNEN BIORAFFINERIE im Technikums- bzw. Produktionsmaßstab.
- Abschätzung der Wirtschaftlichkeit einer GRÜNEN BIORAFFINERIE unter österreichischen Rahmenbedingungen.
Inhalt und Projektverlauf
Das gegenständliche Projekt gliedert sich in 6 Arbeitspakete (s. Abb. 3):
- AP1: Gewinnung/Herstellung primärer Rohstoffe & mechanische Fraktionierung dieser Rohstoffe,
- AP2: Aufbereitung/Reinigung des Presskuchens und Gewinnung homogener Faserfraktionen,
- AP3: Begleitende Analytik,
- AP4: Verleimte Faserplatten aus Grasfasern,
- AP5: Baukleber und Spachtelmassen mit Grasfasern als Füllstoff,
- AP6: Wirtschaftlichkeitsanalyse & Projektkoordination.
Gegenstand von Arbeitspaket AP1 ist die Gewinnung und Herstellung der primären Rohstoffe "Gras" bzw. "Grassilage" (d.h. Anbau, Ernte, Silieren/Feststofffermentation) sowie die Optimierung des Verfahrensschritts "mechanische Fraktionierung (Abpressen)" dieser primären Rohstoffe in eine flüssige Fraktion (Presssaft) und in eine feste Fraktion (Presskuchen). Der Presssaft enthält wasserlösliche Wertstoffe wie Milchsäure und Aminosäuren, der Presskuchen besteht zum überwiegenden Teil aus Grasfasern unterschiedlichster Größe.
Gegenstand von Arbeitspaket AP2 ist die Durchführung von Grundlagenversuchen zur Aufbereitung und Reinigung des Presskuchens sowie zur Gewinnung homogener Faserfraktionen aus diesem Presskuchen. Diese Grundlagenversuche konzentrieren sich insbesondere auf die Entwicklung von Technologien/Verfahren zur (1) weitergehenden Zerfaserung des Presskuchens (Reduktion des Faserdurchmessers bei gleichzeitigem Erhalt der Faserlänge), (2) Gewinnung homogener Faserfraktionen mit definierten Faserlängen- & Faserdurchmesser-verteilungen, (3) Reduktion der Geruchsemission von Grasfasern, (4) chemischen (Teil)Faseraufschluss zwecks Reinigung der Faserfraktion und (5) energieeffizienten Trocknung von Grasfaserpresskuchen.
Inhalt von Arbeitspaket AP3 ist die Durchführung der Analytik für die beiden vorhergehenden Arbeitspakete als Voraussetzung für die Quantifizierung der Effizienz der untersuchten Verfahrensschritte (z.B. erreichbare Ausbeuten, Abtrenngrade, Konversionsgrade). Geplant ist die Messung folgender Parameter: (1) chemische Zusammensetzung ausgewählter Stoffströme, z.B. jener der primären Rohstoffe Frischgras/Grassilage sowie der Presskuchen & Presssäfte, (2) Faserlängen-& Faserdurchmesserverteilungen, (3) Morphologie von Grasfasern, (4) mechanische Eigenschaften von Grasfasern (z.B. Festigkeit, Dehnung) und (5) Wasseraufnahmeverhalten.
Gegenstand der beiden Arbeitspakete AP4 & AP5 ist die Durchführung von Grundlagenversuchen zur Herstellung von Faserplatten (AP4) bzw. zur Herstellung von Bauklebern und Spachtelmassen (AP5), und zwar jeweils mit geeignet aufbereiteten Grasfaserfraktionen als Rohstoff. Die entsprechenden Versuche erfolgen in enger Kooperation mit renommierten österreichischen Herstellern von Faserplatten bzw. von Bauprodukten.
Im abschließenden Arbeitspaket AP6 erfolgt die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse mit Schwerpunkt Abschätzung der für aufbereitete Grasfaserfraktionen zu erwartenden Kosten und Erlöse.
Erwartete Ergebnisse
- Ergebnisse der Abpressversuche (mechanische Fraktionierung) inklusive eines Katalogs mit Vorschlägen zur Steigerung der Effizienz dieses zentralen Verfahrensschritts einer GRÜNEN BIORAFFINERIE.
- Ergebnisse der Grundlagenversuche zur weitergehenden Aufbereitung/Reinigung des Graspresskuchens und zur Gewinnung homogener Grasfaserfraktionen aus diesen Presskuchen, z.B. Technologien zur weitergehenden Zerfaserung des Presskuchens und zur Reduktion des Geruchs von Grasfasern.
- Ausreichende Mengen an geeignet aufbereiteten Grasfaserfraktionen als Rohstoff für die Herstellung von Faserplatten-Prototypen sowie von Probemischungen für Bauklebern & Spachtelmassen.
- Faserplatten-Prototypen sowie Probemischungen für Baukleber & Spachtelmassen mit jeweils geeignet aufbereiteten Grasfaserfraktionen als Rohstoff.
- Messwerte und deren Interpretation für ausgewählte Eigenschaften der Faserplatten-Prototypen aus Grasfasern bzw. der Probemischungen für Baukleber & Spachtelmassen mit Grasfasern als Füllstoff.
- Abschätzung der Wirtschaftlichkeit einer GRÜNEN BIORAFFINERIE.
Publikationen
Grüne Bioraffinerie - Aufbereitungund Verwertung der Grasfaserfraktion
Schriftenreihe 67/2006
M. Mandl, N. Graf, A. Thaller, H. Böchzelt, H. Schnitzer,M. Steinwender, R. Wachlhofer, R. Fink, S. Kromus,J. Ringhofer, E. Leitner, J. Zentek, S. Novalin,B. Mihalyi, I. Marini, M. Neureiter, M. Narodoslawsky, Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 121 Seiten, vergriffen
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Projektbeteiligte
Projektleitung
DI Dr. Bruno Wachter, DI Michael Mandl
JOANNEUM RESEARCH
Institut für Nachhaltige Techniken und Systeme (JOINTS)
Kooperationspartner Wissenschaft
Ao. Univ.-Prof. DI Dr. Michael Narodoslawsky
TU-Graz, Institut für Ressourcenschonende und Nachhaltige Systeme (RNS)
Ao. Univ.-Prof. DI Dr. Senad Novalin
Universität für Bodenkultur, Institut für Lebensmitteltechnologie (ILMT)
Univ.-Prof. DI Dr. Ingo Marini
TU-Wien, Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften
DI Dr. Markus Neureiter
IFA-Tulln, Abteilung für Umweltbiotechnologie
Univ.-Doz. Dr. Karl Buchgraber
Bundesanstalt für Alpenländische Landwirtschaft, Institut für Pflanzenbau und Kulturlandschaft
DI Dr. Christian Krotscheck
NATAN - Techn. Büro für Verfahrenstechnik DI Dr. Christian Krotscheck
DI Dr. Stefan Kromus
BioRefSYS - BioRefinery Systems
Kooperationspartner Wirtschaft
DI Dr. Martin Steinwender
Fritz Egger GmbH & Co - Spanplattenwerk
Dr. Bernhard Maier
MUREXIN AG
DI Werner Lorenz; GF Georg Reithmayer
LACTOPROT Alpenländische Milchindustrie und Handels AG
Internationale Kooperationspartner
Assist.-Prof. Dr. Karin Stana-Kleinschek, Assist.-Prof. Dr. Majda Sfiligoj-Smole
University of Maribor, Faculty of Mechanical Engineering, Laboratory for Characterisation and Processing of Polymers (LCPP)
Kontaktadresse
DI Dr. Bruno Wachter, DI Michael Mandl
JOANNEUM RESEARCH, Institut für Nachhaltige Techniken und Systeme (JOINTS)
A-8010 Graz, Elisabethstrasse 16-18
Tel.: +43 (316) 876 2950
Fax: +43 (316) 876 2955
E-Mail: bruno.wachter@joanneum.at; michael.mandl@joanneum.at
Web: www.joanneum.at