Grüne Bioraffinerie - Gewinnung von Milchsäure aus Grassilagesaft
Kurzbeschreibung
Status
abgeschlossen
Die Grüne Bioraffinerie - Ausgangslage und Motivation
Die Bewirtschaftung von Grünland zählt zweifellos zu den nachhaltigsten Produktionsweisen der Landwirtschaft. Die stoffliche Nutzung von Grünlandbiomasse ("Gras") bietet eine breite Palette von möglichen Produkten, die bisher im technischen Bereich nicht genutzt werden. Mittelfristig werden durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft nach Schätzungen der BAL-Gumpenstein 750.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr von Wiesen österreichweit verfügbar sein. Gras soll in Zukunft nicht nur als Energiequelle dienen, sondern auch zur Produktion von Chemikalien, biogener Werkstoffe (wie Kunststoff und Verpackungsmaterial) und Pflanzenfasern (z.B. für Dämmplatten) verwendet werden. Gemeinsam mit potenten Industriepartnern wird durch das KORNBERG INSTITUT und die Hartberger Außenstelle des JOANNEUM RESEARCH ein wirtschaftlich rentables Konzept entwickelt. Dazu wurde im Rahmen der "Fabrik der Zukunft" ein Projektbündel Grüne Bioraffinerie definiert, welches sich aus drei Teilprojekten mit jeweils eigenen Zielen zusammensetzt: Teilprojekt-I: "Verwertung der Faserfraktion", Teilprojekt-II: "Proteine aus Grassäften", Teilprojekt-III: "Milchsäure aus Grassilagesäften". Das Gesamtprojekt Grüne Bioraffinerie Österreich birgt eine Fülle regionalpolitischer Aspekte.
Milchsäure aus Grassilage
Im letzten Jahrzehnt ist das Interesse an der Produktion von Milchsäure merklich gestiegen. Milchsäure (MS), fermentativ gewonnen, hat das Potenzial eine der wichtigsten Commodity Chemikalien zu werden. MS kann genutzt werden, um biologisch abbaubare Kunststoffe, oxygenierte Chemikalien, umweltfreundliche Lösungsmittel und andere spezielle Chemikalien herzustellen. MS stellt die Grundlage für eine diverse Prozessindustrie mit hoher Wertschöpfung dar. Eine der günstigsten Varianten der Milchsäureerzeugung stellt die Feststofffermentation dar. Die Silierung, besonders von Grünmasse, ist eine Milchsäuregärung, wobei Milchsäure üblicherweise als "Nebenprodukt" anfällt und ihre konservierende Funktion genutzt wird. Durch gezielte Verbesserungen in der Siliertechnik kann Milchsäure in derart befriedigenden Ausbeuten erzeugt werden, dass sie zu einem interessanten und nutzbaren Rohstoff wird. Die Gewinnung von Milchsäure oder deren Derivaten aus Silage wurde bisher noch nicht in größerem Umfang erforscht. Im Rahmen dieses Projekts werden die Grundlagen für eine integrierte Abtrennungstechnologie auf Basis von Membranverfahren und Chromatographie gelegt, die es erlauben soll Milchsäure und Aminosäuren aus Silagesäften zu separieren bzw. marktfähige Produkte zu erzeugen.
Methode der Bearbeitung und verwendete Daten
Die Umsetzung des Teilprojekts "Milchsäure aus Grassilagesaft" erfolgte in sechs Arbeitspaketen:
- Rohstoffgewinnung
- Analytik
- Versuche im Labor- bzw. Semi-Pilotanlagenmaßstab
- (Produkt-) und Technologiespezifikation u. Pilotanlagenkonzipierung
- Logistik
- Literaturrecherche und Berichtslegung
Bei diesem Projekt handelte es sich primär um empirische Forschung. In begrenztem Umfang (Saft-Basisanalytik) konnte auf Vorprojekte zurückgegriffen werden. Die vorangestellten Versuche zur Fraktionierung der Grünlandbiomasse und Silagen fanden im Pilotanlagenmaßstab statt. Die weiteren Membran- und Chromatographieversuche erfolgten im Laborbzw. Technikummaßstab. Die begleitende Analytik wurde einerseits durch das IFA-Tulln, das Institut für Lebensmitteltechnologie der BOKU und der Bundesanstalt für Alpenländische Landwirtschaft durchgeführt. Die Ergebnisse der Versuche wurden mit den beteiligten Firmen besprochen. Darauf folgte die Überprüfung der vorgeschlagenen Prozesswege auf ihre Wirtschaftlichkeit. Prinzipiell wurden nur solche Verfahrensschritte weitergehend verfolgt, die das Prädikat "Nachhaltige Technologie" bestmöglich erfüllen.
Ergebnisse
Die Trockenmasse von Silagepresssäften besteht zu ca. 30 % aus Milchsäure, zu 8 bis 22 % aus Zuckern, 25 bis 34 % aus Rohprotein und zu 23 bis 30 % aus Asche. Wobei 85 bis 100 % des Rohproteins Aminosäuren sind. Zur Produktion dieses Saftes sind hohe Anforderungen an die Fraktionierungstechnik gestellt, da es sich bei den Silagen um Anwelksilagen mit 27 bis 48 % Trockenmasse handelt. In den Saisonen 2001 und 2002 konnten im Rahmen dieses Projektbündels ausführliche Versuchspressungen stattfinden, die gezeigt haben, dass mit moderner Presstechnik ausreichend Presssaft hergestellt werden kann. Die durchschnittliche Ausbeute an Milchsäure betrug ca. 50 % im Jahr 2001. Dieses Ergebnis veranlasste das Projektteam im Jahr 2002 auf Doppelpressung von feuchteren Silagen (ca. 20 % TM) mit Wiederbefeuchtung des ersten Presskuchens überzugehen, um Milchsäureausbeuten von bis zu 85 % zu erreichen. Aufgrund der sehr erfolgreichen Fraktionierungsversuche kann eine Basispilotanlage (Fraktionierung, Vorfiltration, Presskuchenaufbereitung) errichtet werden.
Auf Basis der Forschungsergebnisse, dass die Proteine zu ca. 90 % als freie Aminosäuren vorliegen, musste zur Kenntnis genommen werden, dass die Abtrennung der Milchsäure größeren Aufwand verursachen wird. Die zunächst vorgeschlagenen Verfahren zur Vorreinigung, wie Zentrifugation und Ultrafiltration können entweder nicht oder nur zur Klarfiltration der Säfte herangezogen werden. Eine interessante Alternative stellt die Nachfermentation des Saftes dar. Hier wurde in einem Versuch die Umwandlung der Zucker in zusätzliche Milchsäure erfolgreich erprobt. Aufgrund der Komplexität der Silagesäfte wurde eine neue Partnerschaft mit S. Novalin (Institut für Lebensmitteltechnologie der Univ. f. Bodenkultur) eingegangen. Im Rahmen dieses Projekts wurden verschiedene Verfahrensvarianten getestet und bewertet. Die vorgeschlagenen Varianten stellen eine Kombination aus Membranverfahren (Ultra- u. Nanofiltration und Elektrodialyse) mit Chromatographie dar. Besonders mit Elektrodialyse konnten in einem zweistufigen Verfahren Aminosäuren und Asche problemlos von der Milchsäure separiert werden, wobei Milchsäure mit einer Ausbeute von 91% gewonnen wurde. In Kombination mit Chromatographieverfahren ist es voraussichtlich möglich verschiedene Wertstofffraktionen zu gewinnen. Die Herstellung von Aminiumlactat hat sich im Falle des Einsatzes von Silagesäften als nicht zielführend herausgestellt. Die Versuche zur Ethyllactatherstellung zeigen, dass zur nachhaltigen Gestaltung des Prozesses weiterer Forschungsbedarf besteht (feststoffliche Katalysatoren und effizientere Abtrennung des Wassers). Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsrechnung wurden die maximal möglichen Kosten für diese Prozesstechnologie errechnet.
Schlussfolgerungen
Die Zusammensetzung der Silagesäfte (Milchsäure und freie Aminosäuren) zeigt hohes wirtschaftliches Potenzial. Die Abtrennung dieser Produkte benötigt jedoch größeren Technologieentwicklungsaufwand, wobei wesentliche Verfahrensvarianten im Rahmen dieses Projekts erfolgreich getestet werden konnten. Die Produkte weisen genügend Erlöspotenzial auf, um komplexere Abtrennungstechnologie zu rechtfertigen. Auch für die Herstellung von Ethyllactat als "grünes" Lösungsmittel ist Bedarf an weiterem Entwicklungsaufwand gegeben, um den Prozess nachhaltig zu gestalten. Durch die strategische Fokussierung der Grünen Bioraffinerie Österreich und dem positiven Ausblick auf den modularen Systemaufbau in den Bereichen Milchsäure und Aminosäuren wird das Projekt einem Leuchtturm im Sinne der Programmlinie "Fabrik der Zukunft" gerecht. Es konnte im Rahmen dieses Projekts ein Know-how Vorsprung gegenüber anderen europäischen Grüne Bioraffinerie Projekten erarbeitet werden. Durch die Weiterführung des Konzepts und die Errichtung einer Pilotanlage wird die Technologieführerschaft weiter ausgebaut werden.
Publikationen
Grüne Bioraffinerie
Gewinnung von Milchsäure aus Grassilagesaft
Schriftenreihe 03/2004 Ch. Krotscheck et al., Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 223 Seiten, vergriffen
Downloads zur Publikation
Projektbeteiligte
Projektleiter
Dipl.-Ing.Dr. Christian Krotscheck
Kornberg Institut für nachhaltige Regionalentwicklung und angewandte Forschung
Steirisches Vulkanland Regionalentwicklung GmbH
Partner
Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Michael Narodoslawsky
Institut für Glrundlagen der Verfahrens- und Anlagentechnik, TU Graz
Dr. rer. nat. Birgit Kamm
Universität Potsdam, Inst. für Org. Chemie und Strukturanalytik; FG BioOrganische Synthesechemie,
Forschungsstandort TELTOW-SEEHOF
Kooperationspartner Wirtschaft
Dipl.-Ing. Dr. Michael Koncar
VTU-Engineering GmbH
Dipl.-Ing. Werner Lorenz
LactoProt AG
Kooperationspartner Wissenschaft
Univ.-Doz. Dr. Karl Buchgraber
Bundesanstalt für alpenländische Landwirtschaft (BAL) Gumpenstein,
Institut für Pflanzenbau und Kulturlandschaft
Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Dr. Herbert Danner
Abteilung für Umweltbiotechnologie, IFA Tulln
Dipl.-Ing. Michael Mandl
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, Regionale Innovations- und Forschungsstelle Hartberg
Kontaktadresse
Dipl.-Ing.Dr. Christian Krotscheck
Kornberg Institut für nachhaltige Regionalentwicklung und angewandte Forschung
Steirisches Vulkanland Regionalentwicklung GmbH
Haus der Region, Dörfl 2
A-8330 Feldbach
Tel.: +43 (3152) 83 80-23
Fax: +43 (3152) 83 80-4
E-Mail: krotscheck@vulkanland.at
Web: www.vulkanland.at