Kritische Rohstoffe für die Hochtechnologie­anwendung in Österreich

Ziel dieser Studie ist es die für Österreich relevanten Grundstoffe zu identifizieren, und für diese den Ist-Zustand des gesamten Produktlebenszyklus zu erheben. Rohstoffgeologie, Bergbau, Aufbereitung, Metallurgie, Sammlung sowie Recycling als auch Stoffflussanalysen werden berücksichtigt.

Einleitung

In der Europäischen Union sind viele Industriezweige wie beispielsweise das Baugewerbe, die Chemie-, Automobil-, Luft- und Raumfahrt­industrie sowie der Maschinen- und Anlagenbausektor, mit einer Wertschöpfung von insgesamt 1.324 Milliarden EUR und 30 Millionen Beschäftigten, unmittelbar vom Zugang zu Rohstoffen abhängig (vgl. Europäische Kommission (2008) The Raw Materials Initiative - Meeting our critical needs for growth and jobs in Europe).

Die zukünftige wirtschaftliche Bedeutung von Rohstoffen wird wesentlich durch den technologischen Wandel beeinflusst, der voraussichtlich zu einem drastischen Anstieg der Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen führen wird. Untersuchungen zufolge droht die Verknappung wichtiger Metalle die Verbreitung klimafreundlicher Technologien und in weiterer Folge die Energiewende zu behindern (vgl. Europäische Kommission (JRC) (2011); Critical Metals in Strategic Energy Technologies).

Gerade der Industriestandort Österreich ist in hohem Maß von Rohstoffimporten abhängig, daher sind die heimischen Betriebe darauf angewiesen, die Marktsituation der Hochtechnologierohstoffe ständig zu beobachten, um so möglichst rasch auf entstehende Problemstellungen reagieren zu können.

Univ.-Prof. Helmut Antrekowitsch vom Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie der Montanuniversität Leoben.

Ziele

Ziel der im Rahmen der FTI-Initiative Intelligente Produktion von der Montanuniversität Leoben durchgeführten Studie: „Kritische Rohstoffe für die Hochtechnologieanwendung in Österreich“ ist es jene Grundstoffe zu identifizieren, die für Österreich von Bedeutung sind und für diese den Ist-Zustand des gesamten Produktlebenszyklus zu erheben.

Um eine möglichst umfassende Aussage zu erhalten, sind hier Rohstoffgeologie, Bergbau, Aufbereitung, Metallurgie, Sammlung sowie Recycling als auch Stoffflussanalysen zu berücksichtigen und miteinander zu vernetzen.

Projektleiter Dr. Stefan Luidold

Zwischenergebnisse

Relevanz der Rohstoffe für die Österreichische Industrie

Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass zahlreiche Rohstoffe für Österreich relevant sind:

Tabelle: Produktion einiger kritischer Rohstoffe und ihre Bedeutung für Österreich
Rohstoff Weltproduktion 2010 [t] Import AUT 2010 [t] HHI
Quelle: Luidold et al 2011: Kritische Rohstoffe für die Hochtechnologieanwendung in Österreich, Zwischenstand und bisherige Ergebnisse der Studie
Seltenen Erden (SE) 122.100 5.691 3.230
Tantal (Ta) 700 17 9.586
Niob (Nb) 107.500 1.061 8.559
Platingruppen­metalle (PGM-) 482 1,4 3.767(Pd)
6.156(Pt)
7.467(Rh)
Wolfram (W) 61.700 1.900 7.297
Antimonium (Sb) 147.000 286 7.533
Grafit (C) 2.100.000 18.501 5.547
Magnesit (MgCO3/MgO) 21.800.000 273.080 4.866
Cobalt (Co) 105.000 663 4.424
Vanadium (V) 67.000 4.600 3.230

Folgende Kriterien wurden für die Abschätzung der Kritikalität der Rohstoffe herangezogen:

  1. Das Verhältnis der österreichischen Importe im Vergleich zur globalen Produktion eines bestimmten Rohstoffes beschreibt dessen Wichtigkeit und die Größe der jeweiligen österreichischen Industrie, welche darauf angewiesen ist.
  2. Die Verteilung der weltweiten Produktion über die jeweiligen Länder, angegeben durch den modifizierten Herfindahl-Hirschman Index (HHI), ermöglicht eine Bewertung der Marktkonzentration und sich daraus ergebende Monopolstellungen.

In weiterer Folge erfolgte eine Schwerpunktsetzung der Untersuchungen auf die Seltenen Erden, Tantal, Niob, Wolfram, Vanadium und die Platingruppenmetalle.

Geologisches Potenzial und Aufbereitung

Hinsichtlich des Geologischen Potenzials lassen sich die Rohstoffe in drei Gruppen einteilen:

  1. Rohstoffe mit hohem Geopotenzial: z.B. Grafit, Wolfram (werden zur Zeit in Österreich bergbaulich gewonnen bzw. sind mit hoher Wahrscheinlichkeit noch unentdeckte Lagerstätten vorhanden)
  2. Rohstoffe mit keinem oder nur geringem Geopotenzial bzw. wirtschaftlichem Potenzial: z.B. Seltene Erden (SE), Platingruppenelemente (Alkalisch-karbonatische Komplexe sind in Österreich nicht vorhanden), Niob, Tantal
  3. Rohstoffe mit schwer abschätzbarem Geopotenzial: z.B. Antimonium, Vanadium

Folgende bergbautechnisch interessante Lagerstätten für kritische Rohstoffe wurden identifiziert:

  • Rabant und Gurskerkammer für Antimon
  • Sunk sowie die geologische Einheit „Bunte Serie“ für Grafit
  • Hochrast/Gumriaul für Wolfram

In Bezug auf die Aufbereitung ist vor allen die Scheelit- Aufbereitung in Mittersill zu erwähnen, die zu den größten Wolfram-Produktionsstätten der Welt zählt. Aufbereitungstechnisch wurde auf Seiten der Primärrohstoffe vor allem für die Flotation der Scheeliterze noch Optimierungspotenzial identifiziert. Die Aufbereitung der weiteren betrachteten Rohstoffe ist in Österreich vor allem in der Sparte der Sekundärrohstoff-Aufbereitung angesiedelt. Sekundärrohstoffe stellen für die Aufbereitung oftmals eine hohe Herausforderung dar, bieten aber auf der anderen Seite noch große verfahrenstechnische Verbesserungspotenziale.

Handlungsempfehlungen

  • Auf Grund des steigenden Bedarfs ist neben Erhöhung der Ressourceneffizienz (optimiertes Recycling, Nutzung nicht-primärer Rohstoffquellen, Substitution Kritischer Rohstoffe etc.) eine Gewinnung von Rohstoffen aus primären Lagerstätten notwendig.
  • Verstärkung der Prospektions- und Explorationstätigkeiten auf jene Kritischen Rohstoffe, für die ein entsprechendes Geopotenzial vorhanden ist.
  • Bewertung heimischer Lagerstätten hinsichtlich der möglichen Gewinnung bisher für den Bergbaubetreiber nicht relevanter Rohstoffe.
  • Geologische und rohstoffmineralogische Untersuchungen, die eine Bewertung der als bedingt sicherungswürdig klassifizierten Rohstoffvorkommen in Österreich erlauben.

Anwendung und Recyclingpotenzial der kritischen Rohstoffe

Die Anwendungen von Seltenen Erden (SE) lassen sich gemäß Abbildung 4 in mehrere verschiedene Gebiete zusammenfassen. Diese Metalle weisen eine besondere Position im Periodensystem auf (f-Block-Elemente, Lanthanoide) und besitzen herausragende chemische Eigenschaften, weshalb sie in vielen Einsatzgebieten nicht durch andere Elemente ersetzbar sind. Während beispielsweise Europium vor allem für Leuchtstoffe von Bedeutung ist, findet Dysprosium vorwiegend in Werkstoffen für Permanentmagnete Verwendung.

Die Rückgewinnung von Seltenen Erden aus diversen Abfällen und Reststoffen konzentrierte sich bisher überwiegend auf Nickelmetallhydrid-Akkumulatoren und Leuchtstoffe. Die Rückgewinnungspotenziale aus Katalysatoren, Permamagneten, Gläsern sowie Poliermitteln wurden bisher nur unzureichend untersucht.

Während es bei den Seltenen Erden durchaus bedeutende Produktgruppen gibt, bei denen eine wirtschaftliche Rückgewinnung möglich erscheint, ist bei anderen Rohstoffen, speziell bei Niob die Situation wesentlich ungünstiger. Nachdem hier nahezu die gesamte Weltproduktion für die Herstellung bestimmter Stahlgütern Verwendung findet und in diesen Niob nur in geringsten Konzentrationen vorliegt, geht dieses für den Niobkreislauf verloren.

Für die Rückgewinnung von Tantal zeigt sich ein ähnliches Bild. Tantal wird fast zur Hälfte in der Elektronik für Feststoffelektrolytkondensatoren genutzt. Auch hier ist die Verdünnung so stark, dass sich dieser Anteil nach Ablauf der Produktlebenszeit nicht mehr dem Stoffkreislauf zuführen lässt.

Wolfram wird zu 54% als Wolframkarbid zur Herstellung von Hartmetallen eingesetzt. Vor allem für die Verwertung von Hartmetallschrott steht eine Vielzahl von Prozessen im industriellen Maßstab zur Verfügung. Bereits ein Drittel des Bedarfes wird aus Recyclingprozessen gedeckt. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Produktionsabfälle – die produktionsinternen Stoffkreisläufe – einen wesentlichen Anteil ausmachen, wodurch die Menge an Wolfram, die aus gebrauchten Produkten rückgewonnen wird, einen wesentlich geringeren Anteil ausmacht.

Vanadium wir zu 92% als Legierungselement in Stählen eingesetzt und geht für die Rückgewinnung verloren. Die Anwendung in Katalysatoren (5%) ist in Bezug auf das Recycling nur noch mit geringem zusätzlichem Potenzial einzuschätzen, da hier bereits eine Rückgewinnung in großindustriellem Maßstab erfolgt.

Abbildung 5 zeigt die unterschiedlichen Anwendungen von Cobalt dessen Rückgewinnung auf Grund der ausreichenden Konzentration in den Anwenungen durchaus zielführend ist. Zu beachten ist jedoch, dass die Extraktion des Cobalts aus den Materialien zumeist komplexe und aufwändige Technologien (Solventextraktion, Ionenaustausch, etc.) erfordert.

Folgende Einflussfaktoren auf die Recyclingfähigkeit wurden identifiziert:

  • Inhalt an Wertmetallen und deren Preise
  • Zusammensetzung, Rückgewinnungsrate, Technologie
  • Anwendungssegment, Lebenszyklus, Logistik

Für eine Vielzahl von industriellen Prozessen und Anwendungen im Konsumgüterbereich sind Platingruppenmetalle von großer Bedeutung. Die Anwendungen von Platingruppenmetallen sind vor allem in den Bereichen Autokatalysatoren, Schmuck (Pt), Elektronik (Pd) und Chemie zu finden.

Die Recyclingquoten sind in den industriellen Prozessen sehr hoch (>90%). Im Gegensatz dazu sind bei Konsumgüteranwendungen, PKW-Katalysatoren und Elektronikgeräten hohe Verluste vorwiegend auf Exportabflüsse zurückzuführen. . In diesen Bereichen liegt die Rückgewinnungsquote nur bei ca. 60%.

Abfallwirtschaft

In Ergänzung zu den Ergebnissen der Kritikalitätsbewertung auf nationaler Ebene anhand der EUMethodik, wurden die Ergebnisse aus den Gesprächen der Montanuniversität Leoben mit den Industriepartnern berücksichtigt. Dadurch fand auch eine Einschätzung ausgewählter Hochtechnologieunternehmen bei der Stoffauswahl Berücksichtigung.

Im ersten Schritt erfolgte eine qualitative Stoffhaushaltsysteme mittels STAN®, einer an der TU Wien entwickelten Spezialsoftware für Stoffflussanalysen SFA..

Basierend auf den fertiggestellten Stoffflussanalysen soll es schließlich möglich sein, vorhandene Sekundärrohstoffpotenziale für Neodym, Palladium und Niob in anthropogenen Lagern und bestimmten Abfallströmen grob abzuschätzen und Vorschläge für die Entwicklung gezielter Recyclingstrategien abzuleiten. Die Ergebnisse werden mit dem Abschluss der Studie im März 2013 veröffentlicht.

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Endergebnisse

Kritische Rohstoffe für Hochtechnologieanwendungen in Österreich

Schriftenreihe 11/2013 S. Luidold et al., Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 356 Seiten

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