Semimanuelle Demontage von Elektro(nik)-Kleingeräten

Optimierung der in der Sozialwirtschaft eingesetzten Technologie der manuellen Demontage von Elektro(nik)-Kleingeräten. Über, auf die Analyse von Demontageprozessen abgestimmte, Software-Module von der Demontagefabrik zum Demontagepark.

Kurzbeschreibung

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

Mit Inkrafttreten der WEEE-Richtlinie und der darauf basierenden nationalen Umsetzungen wurde die Grundlage für die Weiterentwicklung von einer Quellen-Senken-Bewirtschaftung hin zu einer Kreislaufwirtschaft gelegt. Die Regelungen haben aber auch einen zusätzlichen Wettbewerbsdruck gebracht. Dies hat in der letzten Zeit dazu geführt, dass in der EAG-Behandlung derzeit nicht die vom Gesetzgeber eingeforderte Qualität bei der Schadstoffentfrachtung im Mittelpunkt steht, sondern eine zu Lasten der Qualität, der Umwelt und der Arbeitssicherheit gehende Praxis der Kostenminimierung.

Manuelle Demontagebetriebe gelangen zunehmend unter Druck und haben Schwierigkeiten, sich gegen die mechanische Aufbereitung zu behaupten. Auf der anderen Seite sind die mechanischen Aufbereitungssysteme hinsichtlich einer Reihe von Aspekten nicht optimal ausgelegt. Um eine gesicherte Schadstoffentfrachtung durchzuführen, wäre es für viele Gerätearten notwendig, diese vor einer mechanischen Aufbereitung manuell von schadstoffhältigen Bauteilen zu befreien.

Ziel des Projektes "Semimanuelle Demontage von Elektro(nik)-Kleingeräten" war es, über die Charakterisierung des Geräteinputs hinsichtlich Zusammensetzung und Demontageeigenschaften sowie mithilfe von Demontagesimulationen, Optimierungen im Layout und in den Arbeitsabläufen zu identifizieren, zu bewerten und in Form eines Probebetriebs zu testen. Es sollte damit erreicht werden, dass

  • die Effizienz im Demontagefluss signifikant gesteigert werden kann (Demontagedurchsatzleistung pro Mitarbeiter und Zeiteinheit),
  • die Qualität bei der Schadstoffentfrachtung (zerstörungsfreier Ausbau aller schadstoffhaltigen Bauteile) sowie bei der Fraktionierung der Wertstofffraktionen noch weiter erhöht und auf hohem Niveau, unabhängig vom Mitarbeitermix, sichergestellt werden kann,
  • besser als bisher auf eine fluktuierende Personalverfügbarkeit und stark schwankende Qualifikation der beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen reagiert werden kann und
  • die Sicherheit, das Qualifizierungsniveau und die individuelle Mitarbeiterzufriedenheit der beschäftigten Arbeiter erhöht werden kann.

Das Projekt bestand in einem ersten Schritt aus einer Analyse der aktuellen Demontageabläufe im sozialwirtschaftlichen Betrieb D.R.Z - Demontage- und Recyclingzentrum Wien.

In einem weiteren Schritt wurde der Geräteinput des D.R.Z untersucht. Anhand einer Stichprobe von 500 Geräten wurde die Zusammensetzung des Inputs nach Gerätearten ermittelt. Für jene 18 Gerätearten, die 80% der Gesamtmasse (PC, Drucker, Radio, Telefone, etc.) repräsentierten, wurde eine durchschnittliche Materialzusammensetzung pro Geräteart bestimmt.

Anhand von Demontageversuchen wurden für diese Gerätearten weitere Eckdaten wie Demontagedauer, optimale Zerlegetiefe, Demontagekosten und erzielbare Fraktionserlöse ermittelt und mithilfe der Software ProdTect in ein softwarebasiertes Produktmodell überführt. Die Gesamtheit dieser Produktmodelle bildete einen Teil der Datenbasis für die nachfolgende Simulation.

Auf Basis der Analyse wurden Szenarien ausgearbeitet, welche hinsichtlich Effizienz, Qualität und betreuungsrelevanter Faktoren eine Verbesserung gegenüber der Ausgangssituation versprachen. Folgende Aspekte spielten im Zuge der Szenarienbildung eine Rolle.

Effizienz

  • Durchsatzmenge (Masse an demontierten Fraktionen)
  • Materialerlös pro Mitarbeiter
  • Demontagekosten

Qualität

  • Qualität der Schadstoffentfrachtung
  • Qualität in der Wertstofffraktionierung

Betreuungsqualität und Transplacement

  • Differenzierungsgrad an unterschiedlichen Demontagetätigkeiten/Aufstiegsmöglichkeiten
  • Flexibilität hinsichtlich der Möglichkeit, einzelne Arbeiter für die Betreuung abzuziehen
  • Arbeitsplatzsicherheit

Diese Aspekte bildeten auch die Kriterien, anhand derer die Szenarien auf Basis der Simulationsergebnisse im Hinblick auf ihre Verbesserungspotentiale beurteilt wurden. Im gegenständlichen Projekt spielten auch die betreuungsrelevanten Faktoren eine besondere Rolle. Der zentrale Auftrag des D.R.Z als sozialwirtschaftlicher Betrieb besteht in der Vermittlung ehemals langzeitbeschäftigungsloser Personen in den 1. Arbeitsmarkt in Form eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses. Neben der praktischen Arbeit in den operativen Abteilungen des D.R.Z werden die sogenannten Transitarbeitskräfte während ihres "Transplacement"-Jahres sozialpädagogisch betreut, erhalten Schulungen und Praktika und es wird mit ihnen eine Karriereplanung erstellt. Die Demontageabläufe dürfen daher durch schwankende Personalverfügbarkeiten nicht beeinträchtigt werden.

Die Szenarien unterschieden sich gegenüber der Ausgangssituation durch unterschiedliche Layouts (Liniendemontage versus separate Demontagearbeitsplätze), durch Differenzierung und Aufteilung einzelner Arbeitsschritte auf mehrere Arbeitsplätze (Vorsortierung des Geräteinputs in Gerätegruppen, separate Arbeitsplätze zur Schadstoffentfrachtung sowie zur Zuordnung der demontierten Teile zu definierten Wertstofffraktionen). Weitere Differenzierungsmerkmale bestanden im Zu- und Abtransport der Geräte bzw. Outputfraktionen.

Entsprechend dieser Differenzierungsmerkmale wurden die zur Simulation ausgewählten 13 Szenarien sowie die in einem Basisszenario umgesetzte Ausgangssituation in ein simulationsfähiges Modell überführt. Mithilfe der ereignisorientierten Materialfluss-Simulationssoftware eM-Plant sowie mit der am IWF der TU Braunschweig entwickelten Schnittstellen- und Datenverwaltungssoftware SiDDatAS (Simulation Disassembly Data Administration Software) wurde für jedes Szenario der Demontagebetrieb von 6 Monaten simuliert sowie anhand quantitativer Ergebnisse wie Gerätedurchsatz, Demontagekosten und Verkaufserlösen miteinander verglichen.

Neben den Differenzierungen in der Demontageanordnung und der -abläufe wurden in der Simulation Parameter berücksichtigt, welche die Leistungs- und Lernfähigkeit der Demontagearbeiter, Fehlzeiten und Personalfluktuation abbildeten. Anhand der Simulationsergebnisse sowie einer Beurteilung im Hinblick auf Qualität und der betreuungsrelevanten Faktoren wurden die Szenarien hinsichtlich dieser Kriterien gereiht.

In beiden Szenarien, welche in der Gesamtbewertung am besten abschnitten (Abb. 1 3), ist eine Vorsortierung vor der eigentlichen Demontage in mehrere Gerätegruppen vorgesehen. Neben der Selektion von Geräten für die Wiederverwendung (Reuse) werden die zu demontierenden Geräte in Gerätegruppen mit ähnlichen Demontageeigenschaften sortiert. Die Mitarbeiter demontieren dann nicht mehr alle Gerätearten, sondern nur mehr Geräte einer Gerätegruppe. Dies ergab deutliche Verbesserungen in der Effizienz, da die Mitarbeiter weniger oft die Demontagewerkzeuge wechseln müssen und auch schneller eingeschult werden können (steilere Lernkurven).

Im in der Abbildung links dargestellten Szenario wurde das bisherige Layout mit dezentralem Zu- und Abtransport beibehalten, wobei jeder Mitarbeiter auch weiterhin alle Demontageschritte durchführt. Im rechts skizzierten Szenario der Abbildung ist vorgesehen, dass Geräte, welche Leiterplatten enthalten, auf separaten Arbeitsplätzen am Ende der Demontagelinie von schadstoffhältigen Bauteilen befreit werden.

Diese Vorsortierung brachte in der Simulation die besten Ergebnisse hinsichtlich Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung. Damit könnte die wirtschaftliche Performance um 15-20% gegenüber der Ausgangssituation verbessert werden. Die anderen Szenarien, in denen u.a. die Einführung einer Liniendemontage für alle Gerätearten bzw. eine zentrale Wertstofffraktionierung am Ende der Demontagelinie vorgesehen war, brachte kaum Verbesserungen gegenüber der Ausgangssituation.

Die Qualität der Schadstoffentfrachtung kann mit diesen Maßnahmen auf dem bisher schon hohen Niveau abgesichert werden. Im Hinblick auf die Betreuung der Transitarbeitskräfte bieten die beiden Szenarien mit der besten Gesamtbewertung den Vorteil, dass durch die Differenzierung der Demontagetätigkeiten die Mitarbeiter besser und gezielter eingeschult und während ihres "Transplacement"-Jahres von einfachen Demontagearbeiten zu anspruchsvolleren Tätigkeiten "aufsteigen" können. Die Simulations- und Bewertungsergebnisse werden im Rahmen eines Probebetriebs im Zeitraum von Februar bis März 2008 evaluiert.

Mit dem Projekt konnte aufgezeigt werden, dass in der manuellen Demontage ein hohes Potential an Optimierungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft ist. Laut Abfallbehandlungspflichten-VO sind schadstoffhaltige Bauteile zerstörungsfrei auszubauen und so zu entfernen, dass Kontaminationen anderer Bauteile und der Umwelt ausgeschlossen werden. Da dies für viele schadstoffhaltigen Bauteile wie Quecksilberschalter u.a. nur auf manuelle Weise möglich ist, ist es im Sinne der Projektergebnisse sinnvoll und zielführend, die manuelle Demontage mithilfe von Forschungsarbeiten weiter zu optimieren, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu fördern.

Publikationen

Semimanuelle Demontage von Elektro(nik)-Kleingeräten

Schriftenreihe 22/2008 M. Spitzbart, F. Schneider, S. Salhofer, A. Stengeli, T. Luger, Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 96 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleiter

KERP Research Elektronik & Umwelt GmbH
Markus Spitzbart

Projektmitarbeiter:

Tibor Bognar, Ioan Revnic, Thomas Gruber

Projekt- und Kooperationspartner

  • ARGE RUSZ - ARGE Reparatur- und Servicezentren GmbH
    Mathias Neitsch, Ulrike Kabosch
  • Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Abfallwirtschaft
    Felicitas Schneider, Stefan Salhofer
  • D.R.Z - Demontage- und Recycling-Zentrum Wien
    Anton Stengeli, Isabelle Nagl, Markus Piringer
  • TU Braunschweig, Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik
    Tobias Luger