Duftöl statt Nervengift - Schutz vor Milliarden-Dollar-Käfer durch innovativen Pheromoneinsatz

Europas Maisproduktion wird durch einen neuen Schädling akut bedroht. Hochgiftige Insektizide sind gegenwärtig die einzige Bekämpfungsmöglichkeit. Biologische Signalstoffe sind eine umweltfreundliche Alternative, die nun auch für Mais und andere Kulturpflanzen zur Verfügung gestellt werden soll.

Kurzbeschreibung

Status

abgeschlossen

Kurzfassung

Motivation

Der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) gehört in den USA gemeinsam mit dem Nördlichen Maiswurzelbohrer (Diabrotica barberi) zu den bedeutendsten Maisschädlingen, die jährlich Schäden und Pflanzenschutzaufwendungen in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar verursachen. Der Westliche Maiswurzelbohrer wurde 1992 nach Europa (Jugoslawien) eingeschleppt und breitet sich zunehmend aus (Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien). Aufgrund seines großen Schadpotentials für Mais wurde D. virgifera virgifera als Quarantäneschadorganismus von der EPPO in die A2-Liste und von Seiten der EU in die Richtlinie 77/93/EWG aufgenommen.

In Österreich hat der Käfer bereits etwa 80.000 Hektar (ca. 1% der Staatsfläche bzw. ca. 1/3 der Maisanbaufläche) befallen, so zum Beispiel die gesamte burgenländische Maisanbaufläche. Auf jenen 30% der Österreichischen Maisanbaufläche, wo keine Fruchtwechselwirtschaft betrieben wird, ist mit einer massiven Bedrohung durch den Schädling zu rechnen. Das bedeutet, daß auf etwa 80.000 ha Landesfläche eine starke Zunahme des Einsatzes schwerer Insektizide zu erwarten ist.

Die Anwendung von Pheromonen zur Kontrolle von Schadinsekten ist eine nachhaltige Form des Pflanzenschutzes, deren breite Anwendung durch hohe Kosten und großen Arbeitsaufwand vereitelt wird. Sie wird gegenwärtig nur in Kulturen mit sehr hoher Wertschöpfung (Weinbau) mit Erfolg eingesetzt.

Inhalte und Zielsetzungen

Inhalt

Die Ergebnisse des vorliegenden Projektes sollten die Grundlagen für die Formulierung einer kostengünstigeren Trägermatrix auf Basis nachwachsender Rohstoffe schaffen, die sowohl im Materialpreis als auch in der Anwendung erhebliche Einsparungen ermöglichen. Dadurch soll eine breitere Anwendbarkeit dieser vollkommen giftfreien Methode im Pflanzenschutz ermöglicht werden. Die funktionsrelevanten Komponenten der neuen Formulierung sollen aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen (Pflanzenöle, Baumharz etc.), sodaß ein doppelter Nachhaltigkeitseffekt entsteht.

Ziele

Ziel 1 ist die Entwicklung neuer, biologisch abbaubarer bzw. umweltneutraler Trägermatrizes für Pheromone auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Erkenntnisse aus Vorarbeiten des Projektwerbers zu Aufbau und Zusammensetzung von Pheromonträgern aus Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen sollen auch umgesetzt werden.

Ziel 2 ist die Entwicklung und Verbesserung der Methoden zur Beobachtung und Bekämpfung von Diabrotica virgifera virgifera, in Europa, auf Basis dieser neuen Träger.

Die Übertragbarkeit breiter Erfahrungen aus der Praxis im Einsatz von Pheromonen zur Kontrolle von Schadfaltern auf den Maiswurzelbohrer wird getestet.

Methodische Vorgehensweise

Angewandte Methoden im Hinblick auf Ziel 1

Anorganische und biologische Träger wurden auf ihre Eignung als Pheromonmatrix getestet und mit einer Kapsel aus einer Kunststoffmembran verglichen. Als Trägermaterialien wurden Kieselgel, Baumwolle, Filterpapier, Paraffinwachs, Paraffinöl, Maiskeimöl, sowie ölhaltige Samen (Tafeltrauben, Sonnenblumen, Papaya, Melone) untersucht. Darüber hinaus wurde die Wirkung von in der Parfumindustrie eingesetzten Fixativa getestet: Abietinsäure (Hauptbestandteil von Fichtenharz), Tripalmitin (Hauptbestandteil natürlicher Fette) und Maiskeimöl. Bei allen Trägermaterialien wurde die Abgaberate für Ethylcaprat (eine dem natürlichen Pheromon des Maiswurzelbohrers ähnliche, aber ungleich kostengünstigere Verbindung) während 3 Wochen bei konstanter Temperatur bestimmt. Dazu wurde mittels hochempfindlichen Präzisions-Waagen das Gewicht beobachtet und aus der Gewichtsdifferenz die Abgaberate errechnet. Aufgrund der Beobachtungen mit dem Pheromonersatz Ethylcaprat wurde sodann die Übertragbarkeit für das tatsächliche Pheromon des Maiswurzelbohrers (8-Methyl-2-Decanol-Propanoat) anhand ausgewählter Träger bestimmt. Zusätzlich wurde der Einfluß der Temperatur auf die Abgaberate des Pheromons durch Lagerung unter 3 verschiedenen Klimaregimes untersucht.

Angewandte Methoden im Hinblick auf Ziel 2

Zunächst wurde eine Methode erarbeitet, um ausreichend viele unbegattete Individuen von Diabrotica virgifera bereitzustellen. Die bereits erprobte Methode der Diabrotica Larvenzucht in Töpfen mit Maispflanzen im Gewächshaus wurde weitergeführt und die klimatischen Tag-Nachtrhythmen bei der anschließenden Lagerung im Klimaraum so eingestellt, daß ausreichend viele Käfer in einem kurzen Zeitintervall schlüpfen. Diese Käfer wurden noch vor ihrer Paarung händisch vereinzelt und weiterhin isoliert gehalten. In einem ersten Arbeitsschritt wurde das Käfigdesign an die Anforderungen der Maiswurzelbohrer angepaßt, um natürliches Verhalten sicherzustellen. Käfige aus in Metallrahmen verspannten dunklen Netzen mit stellten sich als geeignet heraus. Unbegattete Individuen wurden in derartigen Käfigen, die mit jungen Maispflanzen in Töpfen bestückt wurden, freigelassen. In periodischen Zeitintervallen wurden danach weibliche Käfer entnommen, abgetötet und nach dem Vorhandensein von Spermatophoren (Kennzeichen einer erfolgreichen Kopulation) untersucht. In einem Maisfeld in Deutsch Jahrndorf im Burgenland wurden Klebefallen, bzw. "Steinerfallen", die mit Sexualpheromonen von Diabrotica virgifera mit jeweils einem herkömmlichen bzw. einem neu entwickelten Dispenser bestückt, in wöchentlichen und monatlichen Intervallen kontrolliert. Bei jeder Kontrolle wurden die Fallen entleert, die gefangenen Käfer gezählt bzw. die beleimte Folie durch eine neue ersetzt. Die insgesamt 6 Versuchsvarianten waren in 4-facher Wiederholung im Maisfeld in randomisierter Anordnung ausgebracht.

Ergebnisse

Bei Normalbedingungen zeigten alle getesteten Träger außer Kieselgel vorteilhaftere Eigenschaften als herkömmliche Pheromondispenser aus Gummi. Bei Normalbedingungen übertrafen Pflanzensamen deutlich alle anderen getesteten Trägermaterialien sowie auch die getesteten Kombinationen. Allerdings zeigten die getesteten Pflanzensamen eine stärkere Temperaturabhängigkeit als Pflanzenöl oder kommerzielle Dispenser, so daß bei Temperaturen deutlich über 20°C ihr Vorteil gegenüber herkömmlichen Dispensern abnimmt" Dieses Problem kann voraussichtlich durch lmprägnierung der Pflanzensamen mit einer höheren Wirkstoffkonzentration reduziert oder gelöst werden.

Die Versuche zur Konfusionstechnik brachten große Fortschritte. Die Versuchsbedingungen für eine Wirksamkeitsprüfung der Konfusionstechnik bei Maiswurzelbohrern konnten bestimmt werden und führten zu einem Befruchtungserfolg von 80% in der Kontrolle. Mittels Behandlung mit den neu entwickelten Dispensern aus Pflanzensamen konnte diese Befruchtungsrate auf bis zu 20% reduziert werden.

Dieses Resultat kann einen Wendepunkt im Einsatz von Pheromonen zur Bekämpfung bedeuten, da die Anwendung der erzielten Erkenntnisse eine erhebliche Reduktion des Arbeits- und Materialaufwandes in der Konfusionstechnik ermöglicht.

Publikationen

Duftöl statt Nervengift

Schutz vor Milliarden-Dollar-Käfer durch innovativen Pheromoneinsatz
Schriftenreihe 27/2008 W. Harand, A. Kahrer, F. Hadacek, E. Schneider, Herausgeber: BMVIT
Deutsch, 32 Seiten

Downloads zur Publikation

Projektbeteiligte

Projektleiter

Dr. W. Harand
Calantis Infochemicals GmbH

Mitarbeiter:
Mag. Eric Schneider

Projekt- und Kooperationspartner

  • Dr. Andreas Kahrer
    AGES Österr. Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
  • Univ.Prof. Dr. Franz Hadacek
    Universität Wien

Kontaktadresse

Mag. Eric Schneider
Calantis Infochemicals GmbH
Linzer Straße 410, 1140 Wien
E-Mail: eric.schneider@calantis.com