Erdbewegung - Lehm als klima- und ressourcenschonender Baustoff

Herstellungsprozesse und Transport von Baumaterialien sind energieintensiv und verursachen hohe CO2-Emissionen. Zudem stellen zahlreiche Baumaterialien aufgrund ihres Stör- und Schadstoffanteils ein Gesundheits- und Entsorgungsproblem dar. Regional vorhandener Lehm kann bei entsprechender Aufbereitung und Verarbeitung konventionelle Materialen ersetzen und hilft, sowohl Herstellungsprozesse als auch Transportwege einzusparen.

Kurzbeschreibung

Der Gebäudesektor trägt wesentlich zu Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen bei. Was den Energiebedarf in der Nutzungsphase betrifft, wurde die Performance unserer Gebäude in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Die Nachhaltigkeit im Gebäudebereich endet jedoch nicht bei der Energieeffizienz von Gebäudesystemen, da bei dieser Betrachtungsweise die große Menge an Grauer Energie unberücksichtigt bleibt, die zur Gewinnung, Herstellung und Entsorgung der dafür benötigten Materialressourcen beansprucht wird. Der massive Einsatz von nur mittels downcycling wiederverwendbarer bzw. zu deponierenden Materialien stellt den Bausektor vor große Herausforderungen und Belastungen. Urban Mining, Building Stock-Erhebungen und Vorgaben zu Rückbaubarkeit von Gebäuden sind Maßnahmen, verbautes Material im Kreislauf zu halten und damit Ressourcen und Energie zu sparen.

Kaum ein Baumaterial eignet sich so gut für die Kreislaufführung wie Lehm. Er ist fast überall vorhanden, bedarf keiner gesundheitsbeeinträchtigenden Zusatzstoffe und ist bedenkenlos in den Naturkreislauf rückführbar. Das Material ist vor Ort verfügbar, vor Ort verwertbar und vor Ort entsorgbar. Lehm kann mit geringem Energieeinsatz aufbereitet werden und ist damit ohne Qualitätsverlust mehrfach wiederverwendbar. Lehm fällt vor allem bei großvolumigen Bauvorhaben als Aushub an, kann unterschiedliche Bauaufgaben übernehmen und fungiert in diversen Bereichen als Ersatz CO2-intensiver Materialien, beispielsweise bei Verputz, Estrich, aber auch bei wandbildenden Materialien wie Ziegel oder Stahlbeton.

Ziel des Projektes ist die Ausweitung der Lehmanwendung im Baubereich. Erreicht werden soll dieses Ziel durch unterschiedliche Herangehensweisen.

  1. Ein wesentlicher Hinderungsgrund für den Einsatz von Lehm ist die unsichere rechtliche Lage beim dessen Anwendung. Neben einer Recherche zu vorhandenen regulatorischen Rahmenbedingungen und deren Anwendbarkeit in Österreich soll die Schaffung einer besseren Rechtssicherheit beim Einsatz von Lehmbaustoffen erwirkt werden.
  2. Die Entwicklung eines Bausystems aus Holz, nachwachsenden Dämmstoffen und Lehm für die Fertigteilbauweise für den mehrgeschossigen Wohnbau kann die ökologische Bauweise vereinfachen und Bauvorhaben beschleunigen.
  3. Durch Entwicklung einer Methode zur Beurteilung der Umweltwirkungen regional, in Kleinstmengen produzierter und distribuierter Bauprodukte wird durch Einbeziehung von Aspekten, die bislang nicht in die Bewertung einfließen, die Umweltwirkung besser dargestellt.
  4. Durch Ausbau vorhandener Aus-/Weiterbildungsmaßnahmen im akademischen Bereich sowie die Schaffung einer anerkannten Ausbildung für Handwerker:innen soll ein möglichst breites Angebot an Schulungsinitiativen im Lehmbau geschaffen werden.
Im Projekt Erdbewegung vorgesehene Arbeitspakete
Im Projekt Erdbewegung vorgesehene Arbeitspakete

Update November 2023

Die Camillo Sitte Versuchsanstalt für Bautechnik (CSVA) als Projektpartner führt unter der Leitung von DI Dr. Andreas Rischanek in einem eigenen Arbeitspaket eine Evaluierung der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Lehmbaustoffen in Österreich durch. Aufbauend auf den Ergebnissen werden in weiterer Folge Empfehlungen zur Anwendung von Regularien bei der Planung, Ausschreibung und Ausführung von Gebäuden mit Lehmbaustoffen ausgearbeitet.

Im Rahmen des Arbeitspaketes wird das in Österreich geltende gesetzliche Rahmenwerk für private und öffentliche Auftraggeber:innen hinsichtlich Anwendbarkeit von unterschiedlichen Lehmbaustoffen wie z. B. Lehmputz, Lehmziegel und Stampflehm überprüft, um so eine bessere Rechtssicherheit für die Planung, Ausschreibung und Ausführung von Lehmbauwerken zu erwirken.

Im Zuge dessen wurden zunächst die wichtigsten bestehenden weltweitgültigen Lehmbaunormen (bspw. DIN 1894x, NZS 429x) sowie die für den Lehmbau fachrelevanten Baunormen (bspw. ÖNORMEN EN ISO 14688 oder EN ISO 17892) zusammengestellt. In einem nächsten Schritt werden nun diese Normen auf deren Anwendbarkeit in Österreich untersucht. Dazu werden im Rahmen von Workshops mit Lehmbau-Expert:innen auf Grundlage dieser bestehenden Normen Empfehlungen für den Lehmbau ausgearbeitet.

Parallel dazu wurde im Rahmen dieses Arbeitspaketes bereits eine Interviewserie mit Expert:innen aus der Baubranche gestartet, um auszuloten, welche Hürden aus den aktuell geltenden gesetzlichen Vorgaben wie etwa OIB-Richtlinien, Vergaberichtlinien oder Recycling-Baustoffverordnung bei Verwendung von Bodenaushub für die Herstellung von Lehmbaustoffen bestehen. Als Ergebnis dieser Interviewreihe soll im Frühjahr 2024 ein abschließender Workshop mit Expert:innen zu diesem Thema abgehalten werden.

Eckdaten

  • Projektlaufzeit: 2.1.2023 – 1.1.2026
  • Projektnummer: FO999897807

Projektbeteiligte

ProjektleiterIn

  • Ute Muñoz-Czerny

Institut/Unternehmen

  • IBO – Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH

Auflistung der weiteren Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen

  • Andreas Rischanek / Camillo Sitte Versuchsanstalt für Bautechnik
  • Alois Hirschmugl / Hirschmugl KG
  • Martin Simlinger / Simlinger GmbH
  • Andreas Breuss
  • Andrea Rieger-Jandl / TU Wien – Baugeschichte und Bauforschung

Kontaktadresse

Alserbachstraße 5/8, 1090 Wien
+43 1 3192005
ibo@ibo.at
www.ibo.at